“Frauen auf ihrem Ausweg begleiten”
Gestern, am 8. März, wurde der internationale Tag der Frau begangen. Grund zum Feiern kann Petra Fischnaller dem Datum aber keinen abverlangen. Als Teil der Bewegung #einevonuns, vor allem aber als Frau der Zivilgesellschaft, klagt sie Strukturen einer Gesellschaft an, in der geschlechtsspezifische Gewaltverhältnisse noch immer unterstützt werden. “Der 8. März ist kein Festtag für Frauen: Diskriminierung und Gewalt an Frauen sind omnipräsent. Dieses Problem anzugehen, sind wir den Frauen, denen das Recht auf ein freies und selbstbestimmtes Leben genommen wird, schuldig. Vor allem sind wir es jenen Frauen schuldig, die umgebracht wurden.”
Die Bewegung um #einevonuns hat eine Gedenktafel mit den Namen all jener Frauen erstellt, die zwischen 1992 und 2021 in Südtirol durch die Gewalt eines Mannes ermordet wurden. Am heutigen 9. März wird in Gedenken an die vor einem Jahr ermordete Barbara Rauch eine Mahnwache abgehalten. Ihr Ziel: die Erinnerung an die Verstorbenen wachzuhalten.
Mehr als Einzelfälle
Mit der Erinnerung an die Frauen, die zwischen 1992 und 2021 ermordet wurden, soll aber auch auf die Tat hingewiesen werden, die diese Frauen vereint: Femizid. Der Mord an einer Frau. Die extremste Ausübung patriarchaler Gewalt. Wie Fischnaller betont, darf die Tat nicht durch die Suche nach einem Tatmotiv verzerrt oder gerechtfertigt werden. “Was gesagt werden muss, ist, dass es einen Täter gibt, der das Leben einer Frau beendet hat. Punkt.”
Auch die Medien sind diesbezüglich in ihrer Berichterstattung gefordert. Häufig wird auf das Spektakuläre der Tat hingewiesen und wild über mögliche Tatmotive spekuliert. Dabei wird meist weder auf das Leben der Frau noch auf das der Angehörigen Rücksicht genommen. Gleichzeitig wird die Wahrnehmung der Gewalttat, der Gipfel des Eisbergs einer oft jahrelangen Macht- und Gewaltausübung verzerrt.
“Es braucht einen kulturellen Wandel”
Hinter jedem Femizid und geschlechtsspezifischer Gewalt liegt ein Machtverhältnis zwischen Mann und Frau. Eine patriarchale Struktur, die unsere Gesellschaft noch immer durchtränkt. “Gewalttaten sind kein Streit zwischen einem Ehepaar oder Partnern”, hebt Fischnaller hervor. “Während ein Streit beide Partner auf eine Ebene stellt, geht es bei Gewalt darum, dass einer Macht über die andere Person ausübt. Dadurch, dass ich diese Gewalt beim Namen nenne, wechsle ich Perspektive und ergreife klar Position: Gewalt darf nicht passieren.”
So einen Perspektivenwechsel fordert Fischnaller auf gesamtgesellschaftlicher Ebene. Der gesetzliche Rahmen allein reiche nicht aus. “Es gibt in Italien diesbezüglich gute Gesetze. Der ‘codice rosso‘ zum Beispiel, der Betroffenen von häuslicher oder geschlechtsspezifischer Gewalt, privilegierten und schnellen Zugang zur Staatsanwaltschaft ermöglicht. Gesetze allein genügen aber nicht. Betroffene Frauen müssen auf ihrem Ausweg begleitet und unterstützt werden.”
Die Bewegung um #einevonuns fordert einen kulturellen Wandel auf gesamtgesellschaftlicher Ebene. Es müssen Möglichkeiten geschaffen werden, die es Frauen erlauben, sich wertfrei zu öffnen. Dafür müssen existierende Strukturen unterstützt und neue geschaffen werden. Aber auch in den Köpfen der Menschen muss sich ein Wandel vollziehen. “Betroffene müssen merken, dass es jemanden gibt, der sie ernst nimmt und ihnen zuhört.” Das bedeute aber auch, dass Dinge nicht über den Köpfen der Frauen hinweg entschieden werden, so Fischnaller. “Viele haben Angst, dass ihnen die Situation aus der Hand genommen wird. Hier gilt es Wege zu finden, Frauen in ihrer Selbstbestimmung zu unterstützen”.
Diese Unterstützung muss nicht nur von der Politik, sondern vor allem von der Zivilgesellschaft kommen. “Wir alle sind gefordert. Als Nachbar*innen, Arbeitskolleg*en und als Gesellschaft. Die Bewegung um #einevonuns ist keine geschlossene Gruppe. Wir sind Frauen der Zivilgesellschaft. Als solche möchten wir die Gewalt und Diskriminierung, die sich gegen Frauen richtet aufzeigen. Gleichzeitig aber auch betroffene Frauen als #einevonuns erinnern".