Society | Fashion For Future

„Heidi Klum ist für mich ein Vorbild“

Martina Gleissenebner-Teskey hat mit ihrer Tochter bei Germany’s Next Top Model den Sieg geholt. Die Aktivistin spricht im Interview über ihre Werte und die Modewelt.
Martina Gleissenebner-Teskey, Lou-Anne Gleissenebner
Foto: privat
  • SALTO: Frau Gleissenebner-Teskey, Sie haben im Alter von 50 Jahren als Best Ager bei Germany’s Next Top Model mitgemacht. Was verbindet Sie mit Heidi Klum?

    Martina Gleissenebner-Teskey: Heidi Klum ist in der Hinsicht für mich ein Vorbild, als sie sich von niemandem etwas vorschreiben lässt und damit überaus erfolgreich ist. Außerdem habe auch ich zu Beginn meiner Karriere die Gelegenheit gehabt, Models zu begleiten. Das war im Sommer 1993 in Toronto (Großstadt in Kanada, Anmerkung d. Red.), als ich in Vertretung einer erkrankten Kollegin ein Training für Models abhalten durfte. Da habe ich meine Gabe entdeckt. Eigentlich war ich als Model bei der Agentur, aber ich dachte, ich kann das und brauche Geld. Ich entwickelte mit den jungen Frauen ein besseres Bewusstsein für sich selbst, den eigenen Körper und die eigenen Stärken. Dadurch blühten sie auf und vier Jahre später habe ich dann entschieden, Coach und Trainerin zu werden. Diese Arbeit macht mir bis heute große Freude.

     

    „Die Modelwelt erfordert ein bestimmtes Aussehen, wie jeder Beruf eine Qualifikation erfordert.“

     

    Haben Sie das Modeln dann aufgegeben?

    Ja, ich bin ausgestiegen. Ich wollte mehr sein. Ich bin nicht nur ein Körper, der beurteilt wird, sondern zeichne mich genauso durch Kompetenz aus. Die Modelwelt erfordert ein bestimmtes Aussehen, wie jeder Beruf eine Qualifikation erfordert. Da brauchen wir uns nix vormachen. Da herrschen Schönheitsideale, ob wir das wollen oder nicht. Und das hat sich bis heute nicht geändert, obwohl Heidi Klum unglaublich viel macht, um Schönheitsideale aufzubrechen. 

    Das hat Sie offenbar inspiriert… 

    Als meine Tochter 11 oder 12 Jahre alt wurde, haben wir angefangen, gemeinsam Germany’s Next Top Model zu schauen. Weil ich aus diesem Bereich komme, habe ich die Show nie negativ beurteilt wie viele andere. Es hat mich beeindruckt, wie manche Kandidatinnen mit dem Feedback von Heidi Klum umgegangen sind und sie sich dadurch weiterentwickeln konnten. Leider Gottes bekommen wir im Alltag immer nur irgendwelche Meinungen und selten ein richtiges Feedback. Als mein 50. Geburtstag vor der Tür stand und Heidi in der 16. Staffel die neue Kategorie der Best Agers vorgestellt hat, fand ich diese Herausforderung total spannend und wollte wieder auf die Bühne. Deshalb haben meine Tochter und ich uns angemeldet.

  • Zur Person

    Die Österreicherin Martina Gleissenebner-Teskey wurde am 7. Juni 1971 geboren und lebt in Klosterneuburg bei Wien. Sie arbeitet als Coach und hat Ökologie, Psychologie und Kommunikationswissenschaften studiert. Gleissenebner-Teskey und ihre Tochter Lou-Anne Gleissenebner haben erfolgreich an der 17. Staffel der deutschen Fernsehshow Germany’s Next Top Model teilgenommen, die Mutter kam auf den dritten Platz, die Tochter auf den ersten. Gleissenebner-Tesky spricht am 16. April um 18 Uhr beim Abschlussevent von Fashion For Future Bolzano im Waag Café in Bozen. Die Future-Fashion-Aktivistin wird außerdem ihren zweiten Walk antreten und zu Fuß von Amsterdam nach Frankfurt gehen – das sind mehr als 400 Kilometer. 

  • Sie setzen sich auch für nachhaltige Mode ein. Wie sehen Sie es, sich für Jahreszeitenwechsel neu einzukleiden?

    Grundsätzlich finde ich nichts Schlechtes dabei. Mode ist dazu da, sich selbst auszudrücken. In meiner Kindheit habe ich mich auf die Schulzeit gefreut, weil ich da mit meiner Mutter einkaufen gegangen bin und etwas Neues zum Anziehen bekommen hab. Jetzt kauft man ununterbrochen und das ist das Problem. Ich empfehle deshalb, bewusst und intelligent einzukaufen, damit die neuen Teile auch zu denen im eigenen Kleiderschrank passen. Wir wollen uns ja nicht die Freude am Leben nehmen, sondern nur bewusster damit umgehen. 

     

    „Aber wir müssen hinschauen auf dieses System, das weder gerecht noch zukunftsweisend ist.“

     

    Im Interview mit der Südtiroler Fashion-Bloggerin Susanne Barta äußern Sie sich sehr kritisch über den Kapitalismus, wollen Sie ihn etwa abschaffen?

    Ich beschäftige mit seit meheren Jahren intensiv mit dieser Frage (lacht). Wir haben ein absolut effizientes System geschaffen, das die Leistungsbereitschaft fördert, aber das sich jetzt allmählich ad absurdum führt. Geld, der zentrale Wert im Kapitalismus, hat nicht mehr den Wert, den es repräsentieren sollte. Früher hat der Tausch mit Geld Sinn gemacht, weil der Tausch von Ware gegen Ware weniger effizient ist. Wenn wir jetzt aber überlegen, welche Waren und Leistungen wirklich von Wert sind, dann werden diese mit Geld überhaupt nicht mehr richtig abgebildet. 

  • Martina Gleissenebner-Teskey: „Ich will auf keinen Fall zurück zum Kommunismus!“ Foto: Andrea Sojka

    Was meinen Sie denn mit Wert?

    Wer wirklich Leistung für die Gesellschaf erbringt, zum Beispiel Pflegekräfte oder Lehrpersonen, wird im Vergleich zu anderen Berufen viel zu wenig wertgeschätzt. Andere kommen hingegen durch ein Studium, manchmal einfach durch Aussitzen oder durch Beziehungen in eine Position, wo sie richtig viel Kohle verdienen. Auch beim Investieren in Aktien frage ich mich, wo der Wert für die Gesellschaft bleibt. Dieses Streben nach Effizienz ist im Kapitalismus fest eingeschrieben, deswegen hat auch die Fast Fashion im Vergleich zu nachhaltigen Modelabels viel mehr Erfolg. 

    Was schlagen Sie vor?

    Ich will auf keinen Fall zurück zum Kommunismus! Ich bin ein Leistungstyp und in einer Zeit aufgewachsen, wo diese Leistungsbereitschaft extrem gefördert worden ist. Ich denke auch, dass der, der mehr Geld machen möchte, auch mehr bekommen sollte – das ist ganz klar, die Setzung der Prioritäten ist ja unterschiedlich. Aber wir müssen hinschauen auf dieses System, das weder gerecht noch zukunftsweisend ist. Es ist darauf ausgerichtet, sich für die Produktion von Waren irgendwo günstig Ressourcen zu beschaffen, und damit bluten wir den Planeten komplett aus.

     

    „Was ich nicht mag, ist diese Tendenz im Feminismus, gegen Männer zu kämpfen.“

     

    Verstehen Sie sich als Ökofeministin und wenn ja, was ist das?

    Nein, diesen Begriff habe ich noch nie gehört (lacht). Ich bin vor allem ein Mensch, dem es sehr stark um Gerechtigkeit geht. Dabei bietet die Ökologie einen guten Ansatz, weil sie den Haushalt der Natur beschreibt und darin wurzelt auch mein Trainingskonzept. Ich sehe das Charisma eines Menschen als Geschenk, das jeder Einzelne von uns bekommen hat. Wie in der Natur hat auch in der Gesellschaft jedes Element seinen Platz, wo es aus der eigenen Stärke heraus agieren kann. Wenn Menschen das tun können, wofür sie „geschaffen“ sind, ihre Talente ausleben und ihre Begeisterung einbringen können, dann haben wir diese Welt geschaffen, die ich mir wünsche. 

    Haben Sie Berührungsängste mit Feminismus?

    Gar nicht! Ich habe kein Problem damit, wenn sich jemand als Feministin bezeichnet. Was ich aber nicht mag, ist diese Tendenz im Feminismus, gegen Männer zu kämpfen. Ich befinde mich nicht im Kampf gegen Männer, ich liebe Männer. Ich liebe Menschen grundsätzlich, wenn sie sich respektvoll verhalten. Dann ist es egal, mit welchem Geschlecht sie sich identifizieren.  

  • Fashion For Future Bolzano

    Von Freitag, 11. bis Mittwoch, 16. April 2025 finden in Bozen die Aktionstage „Fashion For Future Bolzano“ statt, auf dem Programm stehen interaktive Ausstellungen, Workshops, Tauschpartys und Gesprächsrunden. Ein Highlight ist die Eröffnung der Ausstellung „HANDMADE“ am 11. April um 18 Uhr im Bibliotheksfoyer der Universität, die junge Kleidungshersteller*innen aus aller Welt vorstellt und die Hintergründe ihrer Arbeitsbedingungen beleuchtet. Beim Abschlussevent am 16. April um 18 Uhr im Waag Café spricht auch Martina Gleissenebner-Tesky. 

    Veranstalter: die Fakultät für Design und Künste der unibz, das Netzwerk der Südtiroler Weltläden, die OEW-Organisation für Eine solidarische Welt und die Slow Fashion Bloggerin Susanne Barta;

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