Politics | Wahlen 2016

Baurs Sieg in Ezras Schatten

Christoph Baur lässt die SVP träumen. Der PD verliert. Die 5-Sterne-Bewegung wird zur dritten politischen Kraft. Die Rechtsaußen von Casapound überholen die Grünen.

Jahrzehntelang wurden sie politisch kaum ernstgenommen. Von vielen Italienern belächelt, können die meisten deutschsprachigen Südtiroler mit den Namen „Casapound“ kaum etwas anfangen.
Spätestens nach dem 8. Mai 2016 dürfte aber alles anders sein. Die Liste von Casapound hat bei den Bozner Gemeinderatswahlen  über 6% der Stimmen geholt. Die Liste aus der rechten Jugendbewegung um Andrea Bonazza konnte ihre Stimmen damit innerhalb eines Jahres mehr als verdoppeln und Casapound überholt sogar die Bozner Grünen.
Der eindeutige Wahlsieger ist aber die Bozner SVP. Die „Operation Baur“ ist aufgegangen. Der Neueinsteiger Christoph Baur war das Zugpferd, das die Volkspartei zu einem unerwarteten Erfolg geführt hat. Die SVP wurde zur stärksten Partei in der Landeshauptstadt.
Der Verlierer dieser Wahl ist der PD. Die Partei von Renzo Caramaschi hat deutlich verloren. Caramaschi selbst hat zwar die erste Runde der Bürgermeisterwahl mit 22,32 Prozent gegen den Mitte-Rechts-Herausforderer Mario Tagnin mit 18,39 Prozent gewonnen, doch für die Stichwahl am 22. Mai ist noch alles offen.
Auch die Grünen konnten etwas zulegen. Die Lega hingegen hat deutlich verloren. Minus 2,34 Prozent. Deutliche Zugewinne schaffte am Sonntag auch die 5-Sterne-Bewegung. Mit 12,7 Prozent ist sie jetzt die dritte politische Kraft in der Landeshauptstadt.

"Dass sich der PD in der Landeshauptstadt ausgerechnet vom Koalitionspartner SVP als stärkste politische Kraft verdrängen lässt, sagt viel über den Zustand der Südtiroler Linksdemokraten aus."

 

Sieger SVP

Die SVP hat alles auf die Karte Christoph Baur gesetzt. Es war ein Schachzug, der aufgegangen ist. Mit 16,98 Prozent wurde die SVP zur stärksten, politischen Kraft in Bozen. Es ist die Erfüllung eines lange gehegten Traumes.

Schaut man sich die Detailergebnisse an, so wird klar, wo die SVP und Christoph Baur diesen Erfolg eingefahren haben. In den Wahlsektionen im Zentrum und in Gries.
In der Wahlsektion 2 schaffte die Volkspartei mit 57,65 % einen Zugewinn von 5,32 %. Auch in den Sektionen 5 und 8 legte man jeweils um 3,55 % bzw. 3,71 % zu. Prozentsätze über 50 Prozent schaffte die SVP-Liste auch in einigen Sektionen in Rentsch und Haslach. Im Vergleich zu 2015 hat die Volkspartei dort aber Stimmen verloren.
Deutlich zugelegt hat die SVP hingegen in Gries. In der Sektion 29 kann man ein Plus von 3,21 Prozent verzeichnen, in der Sektion 31 ein Plus von 3,83 %. Den größten Zuwachs unterm Edelweiß gab es aber in der Sektion 33 in der Stifter-Schule. Plus 6,11 Prozent. Dass Luis Walcher zum meistgewählten SVP-Kandidaten aufsteigt, ist vor diesem Hintergrund keine Überraschung mehr.
Die SVP-Liste schaffte es trotz rückläufiger Wahlbeteiligung ihre Listenstimmen deutlich zu erhöhen. Im Mai 2015 machten 6.113 Boznerinnen und Bozner ihr Kreuz auf dem Edelweiß. Ein Jahr später, an diesem Sonntag, waren es 6.409 SVP-Wähler.

Verlierer PD

Der PD hat bei dieser Wahl eine ordentliche Watschen bekommen. Renzo Caramaschi ist zwar deutlich an der Spitze der Bürgermeisterkandidaten, doch das Abschneiden der regierenden Partei in Bozen ist äußert dürftig. Innerhalb eines Jahres hat man 561 Stimmen oder 0,87 Prozent verloren.
Dass sich der PD in der Landeshauptstadt ausgerechnet vom Koalitionspartner SVP als stärkste politische Kraft verdrängen lässt, sagt viel über den Zustand der Südtiroler Linksdemokraten aus.

Die Verluste des PD ziehen sich mehr oder weniger durch die gesamte Stadt. Wobei es zum Beispiel in der Wahlsektion 65 in Don Bosco zu einem dramatischen Einbruch gekommen ist. 13,2 Prozent verlor der PD dort.
Einer der wenigen Lichtblicke für die Linksdemokraten ist die Sektion 64 in der Drususstraße. Dort erreichte man immerhin 23,67 Prozent.

Grünes Unentschieden

Die Grünen haben sich im Vergleich zu 2015 etwas verbessern können. Von 5,1 Prozent auf 6,12 Prozent. Das dürfte durchaus auch am Bürgermeisterkandidaten Norbert Lantschner liegen, der ein deutlich besseres Ergebnis eingefahren hat als seine Liste.

Grüne Hochburgen finden sich vor allem im deutschen Zentrum, in Rentsch und in Gries. In der Zentrumssektion 5 fuhr die Ökopartei mit 13,20 %, in Sektion 6 mit 12,53 %, in Sektion 7 mit 14,41 % und in Sektion 8 mit 12,58 % ihre größten Wahlerfolge ein. Auch in Rentsch und in der Stifterschule in Gries liegen die Grünen über 10 Prozent.

Dritte Kraft

Eindeutig zu den Wahlsiegern gehört auch die Bozner 5-Sterne-Bewegung. Nach 2010 und 2015 hat die Grillo-Bewegung nicht nur ihre Stimmen konsolidiert, sondern sich gleichzeitig auch zur drittstärksten politischen Kraft in der Landeshauptstadt gemausert. Innerhalb von 12 Monaten konnte man die Zustimmung der Wähler immerhin auf 12,07 Prozent steigern.

In den meisten Sektionen ist man zweistellig. In einer Handvoll Wahlsprengeln schafft es die 5-Sterne-Bewegung mehr als 16 Prozent der Stimmen zu erhalten. Die Grillini-Hochburg ist die Wahlsektionen 55 in der Palermostraße mit 16,96 Prozent.

Rechte Überholspur

Die beunruhigendste Überraschung bei diesen Gemeinderatswahlen dürfte aber das Abschneiden von Casapound sein. Mit 6,70 Prozent hat man das Ergebnis innerhalb eines Jahres um rund 2,5 Mal steigern können.
Dass die jungen Faschisten zu einer ernstzunehmenden politischen Größe geworden sind, zeigen zwei Details.
Der Casapound-Bürgermeisterkandidat Maurizio Puglisi Ghizzi hat mehr Stimmen erhalten als der historische rechte Politiker und Mandatar Giorgio Holzmann. Und Casapound hat am Sonntag mehr Stimmen bekommen als die Bozner Grünen.

Die Hochburgen von Casapound liegen in und um die Parmastraße. Dort schaffte man in den Sektion 76, 15,75 % der Stimmen und in Sektion 75 14,16 %. In über einem Dutzend weiteren italienischen Wahlsektionen schafften die Rechtsaußen über 10 Prozent.

​"Der Casapound-Bürgermeisterkandidat Maurizio Puglisi Ghizzi hat mehr Stimmen erhalten als Giorgio Holzmann."

Erloschener Stern

Dass Matteo Salvini einiges an seiner Anziehungskraft verloren hat, wurde allein durch die schwindende Zuhöreranzahl bei der Abschlusskundgebung der Lega Nord in Bozen deutlich. Dieser Eindruck wurde in der Wahlurne bestätigt.
Die Lega Nord hat innerhalb eines Jahres über 2 Prozent der Stimmen wieder verloren.

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Mensch Ärgerdi… Mon, 05/09/2016 - 14:18

Auf linker Seite haben die Wähler endlich begonnen ein wenig auszumisten, dass ist auf alle Fälle nicht falsch. Genau so rechts und im deutschen Bereich, die STF wird völlig zu recht im Artikel nicht mal ansatzweise erwähnt.
Besorgniserregend ist auf jeden Fall das Ergebnis von Casapound, spätestens jetzt müssen alle anderen politischen Kräfte zugeben, dass man sich von den "cari fascisti della porta accanto" was abschauen sollte. Mehr Präsenz in den heruntergekommenen Viertel, selber mal Hand anlegen und vielleicht die eine oder andere "aus-Prinzip-Haltung" überdenken. Sonst wird der Wachstum dieser Bewegung kaum aufzuhalten sein.

Mon, 05/09/2016 - 14:18 Permalink