Society | Soziales

Neue Stiftung in den Startlöchern

Die Lebenshilfe will im Sinne des Gesetzes „Dopo di noi“ individuelle Wohnprojekte für Behinderte verwirklichen. Finanzstarker Partner ist die Stiftung Sparkasse.
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Foto: Salto.bz
Die Idee dazu entstand bereits vor mehr als zehn Jahren, heute steht die Stiftung mit dem Arbeitstitel „Dopo di noi – Nach uns“ unmittelbar vor der Gründung: Die Lebenshilfe, der Dachverband für Soziales und Gesundheit und der AEB-Arbeitskreis Eltern Behinderter wollen es Angehörigen von Menschen mit Beeinträchtigung erleichtern, individuelle Lebensprojekte für sie zu verwirklichen.
Viele Angehörige sind im hohen Alter nicht mehr imstande, sich um die Person mit Beeinträchtigung ausreichend zu kümmern. Spätestens nach ihrem eigenen Ableben kommt die Frage hinzu, wer die Verantwortung für die oder den Behinderten trägt, beispielsweise bei finanziellen Fragen. Außerdem ist die öffentliche Hand nicht immer imstande, ausreichend Wohnplätze für Menschen mit Beeinträchtigung zu schaffen. Die Wartelisten sind bereits lang.
 
 
Vor diesem Hintergrund wollen die beiden Verbände den Angehörigen mit der Gründung einer Stiftung unter die Arme greifen. Beim zweiten von drei Informationsabenden am 8. Mai im Behindertenzentrum Pastor Angelicus in Meran stellt die Lebenshilfe das Projekt interessierten Angehörigen vor und beantwortet ihre Fragen. „Wir wollen gemeinsam mit den Familien kleine personenzentrierte Wohnprojekte schaffen“, sagt Wolfgang Obwexer, Geschäftsleiter der Lebenshilfe und Präsident des Dachverbands für Soziales und Gesundheit.
Die Details erklärt Franca Marchetto, Leiterin des Bereichs Wohnen der Lebenshilfe. Das Ziel der Stiftung sei es nicht, ein Konkurrenzangebot zu den Wohnstrukturen des Landes zu schaffen, sondern auf die individuellen Bedürfnisse der Familien einzugehen. In Zusammenarbeit mit Psycholog*innen und Pädagog*innen soll die Stiftung eine Erstberatung anbieten, um gemeinsam zu verstehen, welchen Bedarf und welche Möglichkeiten es gibt. In einem zweiten Schritt sollen rechtliche und finanzielle Fragen geklärt werden. Außerdem will die Stiftung zwischen betroffenen Angehörigen vermitteln und ein Netzwerk aufbauen.
 

Grundsätze der Stiftung

 
„Es ist für uns in der Zusammenarbeit mit Angehörigen wichtig, auf die Erfüllung von drei Grundsätzen zu achten“, sagt Marchetto zudem. Erstens muss es um ein selbstständiges Projekt gehen, das zweitens zum Ziel hat, ein Lebensprojekt für die Person mit Beeinträchtigung auch nach dem Ableben der eigenen Eltern zu sein. Und drittens muss die Bereitschaft der Angehörigen da sein, wenn eigene Ressourcen vorhanden sind, finanzielle Mittel oder Immobilen für das Projekt bereitzustellen.
Dass das Thema sensibel zu behandeln ist, zeige die langjährige Erfahrung der Lebenshilfe: Seitdem mit dem 2016 erlassenen Gesetz „Dopo di noi“ Rechtsgeschäfte zugunsten von Menschen mit Beeinträchtigung weniger Notargebühren und ohne Steuerabgaben abgeschlossen werden können, habe es mehrmals Gespräche mit betroffenen Familien gegeben. „Die Rechtsgeschäfte sind dann aber daran gescheitert, dass es für die Eltern sehr schwierig ist, sich vorzustellen, was sie sich für ihr eigenes Kind nach ihrem Tod wünschen“, erklärt Armin Reinstadler, Rechtsanwalt und Vizepräsident der Lebenshilfe.
 
 
Im Rahmen eines Workshops mit der Sozialgenossenschaft Sophia habe die Lebenshilfe daraufhin ihre Ziele für die Gründung einer Stiftung erarbeitet, um Angehörige nicht nur mit ihrem Know-how besser zu unterstützen, sondern auch Immobilien und finanzielle Mittel zur Verfügung zu haben. Gemeinsam mit der Stiftung Sparkasse als finanzstarker Partner wollen die Verbände und der AEB mit der neuen Stiftung eine Bewegung ins Rollen bringen, von der alle Beteiligten profitieren können.
Wichtig ist der Lebenshilfe dabei, nicht nur Ansprechpartner für wohlhabende Familien zu sein. Die Stiftung soll daher ein Angebot schaffen, das in die Leistungen der öffentlichen Hand integriert werden kann. Wie das persönliche Wohnprojekt dann aussieht, hänge von Fall zu Fall ab.
 

Arbeitsweise

 
Kommt es zu einer Zusammenarbeit zwischen Angehörigen und Stiftung wird ein Leistungsvertrag abgeschlossen. In diesem wird beispielsweise festgehalten, dass der Erbteil, der dem behinderten Kind zusteht, an die Stiftung übergeht und diese sich im Gegenzug um das Kind kümmert, wenn die Angehörigen verstorben sind. Der klassische Fall sei, dass die Wohnung der Eltern in den Besitz der Stiftung kommt und sie garantiert, dass das Kind weiter in der Wohnung leben kann und betreut wird.
Eine Herausforderung sei dabei, als glaubwürdiger Partner wahrgenommen zu werden: „Das Vertrauen in die Stiftung muss wachsen“, sagt Obwexer. „Für die Erarbeitung des individuellen Leistungsvertrages ist Individualität und Kreativität gefragt“, fügt Reinstadler hinzu. Dabei sei es auch möglich, sich mit anderen Familien zusammenzuschließen, um für die eigenen Kinder ein gemeinsames Wohnprojekt umzusetzen. Ob die Stiftung erfolgreich arbeiten kann, hänge deshalb nicht zuletzt von den Angehörigen ab.
Die Stiftung soll voraussichtlich im Herbst dieses Jahres gegründet werden. Der dritte Informationsabend findet am Dienstag, den 16. Mai um 20 Uhr im Mehrzwecksaal der Grund- und Mittelschule Vintl statt.