Bildhafte Wortverspieltheit
Er hat es wieder getan: Matthias Schönweger hat ein (Ge)Buch(t) gemacht. Erneut ein Schwergewicht. Mit reichlich Lesestoff. Für den Allesmögliche-Künstler Schönweger ist eben dieses Wort – Lesestoff –, nicht nur eine leere Worthülse, er macht daraus ein Kunstwerk, setzt an den oberen Rand der Buchseite das LESE und ergänzt am unteren Ende den STOFF. In typisch typografisiertem Schönweger-Style majuskelt und mäandert er sich von Seite zu Seite, von Wort zu Wort, von Silbe zu Silbe und klettert free solo und mit einem hohen Suchtpotential an Wortklauberei durch die Gegend, schlängelt sich wie ein geübter Slalomfahrer kantig und rasch und in zwei Durchgängen durch sein Doppelbuch Gebucht, samt BUCHDREH. Diesen verdrehten Umstand, den man hierzulande vor allem von der zweisprachigen Broschüren-Publizei kennt, wo Information in einer und der anderen Sprache serviert werden, nutzt Schönweger nach seinem verqueren Sinn. Wie die letzten vier Bücher, ist auch das aktuelle Buch in der Edition Raetia erschienen und gibt Einblicke in das Archiv eines (Wortspiel)-Sammlers.
In seinem Buch mit Wendecharakter hat Matthias Schönweger zwei Bücher zu einem vereint, Buch 1 folgt dem Schlagwort Tunwort, Buch 2 nennt sich Ein Imperativ. In beiden gibt der Autor lebenskünstlerische Aufforderungen oder poetische Anweisungen, indem er wie eine Maschine ein Wort-Bild nach dem anderen schafft, sie in ihrer Gesamtheit zelebriert wie ein Zauberer, sie verkehrt oder ausschmückt wie ein Designer und sie markiert wie ein Hund seine Reviere. Das mag dann auch ein wenig nach Industrie riechen, nach Fließband, nach Massenware, nach Konservendose. Aber es war schon immer die Menge, die Schönweger faszinierte und die er produzierte, diese ausufernde Quantität im Dies und Das, die etwas aufdringlich Unerschöpfliches mit sich zieht.
Die chaotische Zusammensetzung und Widersprüchlichkeit, die man im Buch zunächst erkennen möchte, verdichtet sich zu einer präzise auserkorenen höchsten Ordnung des literarischen Hohepriesters, der mit seinen sezierenden Sentenzen hausieren geht und wie ein spielfreudiges Kind nicht mehr genug bekommen kann, von dem wunderbaren Spiel mit den BUCH und den STABEN. Wer den stimmgewaltigen Künstler schon mal zu Ohren bekommen hat, hört beim lesen auch seine Stimme tönen, seine abgehakten mit Pathos aufgeladenen Betonungen, die wie nicht zu bändige Ohrwürmer des Lautmalers daherfliegen.
Im Deutschen, Italienischen und im Südtiroler Dialekt: Schönweger schreibt mit dem Auge und liest mit dem Ohr. Zwischen seinen zu Papier gebrachten Gedanken, kleksen sich gemalte Bilder, Fotos aus vergangenen Zeiten, die er zu Collagen verwurstet. Er geht:
BUCHSTÄBLICH
AUF REISEN
SCHWARZ WEIß
UND WEIß AUF SCHWARZ
GEHT DIE FAHRT
INS BLAUE GELBE ROTE GRÜNE
IN DIE BUNTE BILDERWELT
DER WELTBILDER
DA FOLGT EINE LETTER
DER ANDEREN
UND DORT
EIN WORT
EIN SATZ EIN TEXT
DEM EINEN.
Die vielen Variationen an Spielereien sind im Wiederholungstäterstil gehalten unendlich, unerhört und unaufhörlich. Sie fließen wie ein (be)rauschender Bach in öde, sprachlose Tallandschaften, überschwemmen sie mit Poesie, Kunst und Manie. Matthias Schönweger begegnet der zur Floskel verkommen Sprachwelt mit ebendieser, entlarvt sie wie ein Narr. Man kann sein Buch drehen und wenden, man wird es beginnen, aber nie wirklich (be)enden.