Society | Journalismuspreis

Gatterer in Südtiroler Händen

Nach jahrelangem Streit hat der ÖJC die Marke “Claus Gatterer Preis” der Michael Gaismair Gesellschaft übergeben. Ein Ende, über das sich auch Philipp Achammer freut.
Stöger, Pallaver, Welzl
Foto: Salto.bz

Es ist ein Schlussstrich, der am Freitag unter einer Geschichte gezogen wird, die Landesrat Philipp Achammer knapp als eine “sehr ungute” bezeichnet. Mit einer Unterschrift wurde am Vormittag ein Streit beigelegt, der vor vier Jahren ausgebrochen war – nachdem zunächst der Tiroler Blogger Markus Wilhelm und dann salto.bz von den “aufgeblasenen” Spesenabrechnungen des Österreichischen Journalist*innen Clubs ÖJC berichtet hatten.

Nun hat der ÖJC den Namen und die Marke “Prof. Claus Gatterer Preis” an die Michael Gaismair Gesellschaft übergeben. “Die Diskussion hat niemandem gut getan”, meint Norbert Welzl, der seit einem Jahr Präsident des ÖJC ist. Mit seinem Stellvertreter Christian Stöger ist er nach Bozen gekommen, um die Übergabe gemeinsam mit dem Vorsitzenden der Michael Gaismair Gesellschaft Günther Pallaver zu besiegeln.

 

Abrechnung mit Abrechnungen

 

Der “Prof. Claus Gatterer Preis” wurde 1986 erstmals vom ÖJC vergeben. Der Preis erinnert an den Journalisten Claus Gatterer, der 1924 in Sexten geboren wurde und bis zu seinem Tod 1984 in Südtirol und Österreich tätig war. Die mit 5.000 Euro dotierte Auszeichnung für sozial engagierten Journalismus wurde jahrelang vom Land Südtirol gesponsert. 2019 hätte der Nordtiroler Publizist Markus Wilhelm den Gatterer-Preis erhalten sollen. Er lehnte die Auszeichnung aber ab. “Ich hab mit dem Journalistenbetrieb nichts zu tun, noch weniger mit dem Österreichischen Journalisten Club, der den Preis vergibt, am allerwenigsten mit den Herrschaften, die ihn neuerdings finanzieren.” Mit “den Herrschaften” meinte Wilhelm das Land Burgenland und die Esterházy-Stiftung, die ab 2018 den Gatterer-Preis sponserten. Denn das Land Südtirol hatte die Finanzierung im selben Jahr eingestellt – weil der ÖJC unter seinem Langzeitpräsidenten Fred Turnheim – Zitat Wilhelm – “immer absurdere finanzielle Forderungen” gestellt hatte. Ein Beispiel: 5.000 Euro für das Verschicken von drei E-Mails stellte der ÖJC 2018 dem Kulturamt des Landes Südtirol in Rechnung.

Doch nicht nur das Land zog die Reißleine. Nach Bekanntwerden der finanziellen Hintergründe der Preisvergabe distanzierten sich 28 ehemalige Preisträger und Preisträgerinnen vom ÖJC. Zugleich baute man einen neuen Gatterer-Preis auf. Die “Auszeichnung für hervorragenden Journalismus im Gedenken an Claus Gatterer” wurde Ende Jänner 2021 vorgestellt. Organisatorisch und inhaltlich getragen vom Presseclub Concordia und der Michael Gaismair Gesellschaft Bozen werden damit journalistische Leistungen ausgezeichnet, die sich im Sinne Claus Gatterers durch kritisches Fragen, soziales Engagement und hohes stilistisches Niveau auszeichnen. Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert, wird vom Land Südtirol finanziert und auch von Gatterers Heimatgemeinde Sexten unterstützt. Am 1. Juni 2023 wurde der Preis zum dritten Mal in Sexten verliehen. Nach Ed Moschitz (2021) und Lukas Matzinger (2022) ging er heuer an die gebürtige Olangerin Daniela Prugger für ihre Berichterstattung aus der Ukraine.

Daniela Prugger
Dritte Preisträgerin: die freie Journalistin Daniela Prugger war am 1. Juni in Sexten zugegen – und berichtete von ihrer Arbeit in der Ukraine (Foto: Presseclub Concordia)

 

 

Weitere finanzielle Forderungen

 

Auch der ÖJC, der sich jegliche Rechte an der Marke “Prof. Claus Gatterer Preis” sicherte und die Marke 2019 in Italien und Österreich markenrechtlich schützen ließ, vergab seinen Preis weiterhin – und sah auch nicht davon ab, die Verwendung des Namens im Zusammenhang mit der neu ins Leben gerufenen Auszeichnung zu untersagen. Wegen “Markenverletzung” verlangte der ÖJC 2021 von der Gaismair Gesellschaft und der Gemeinde Sexten jeweils knapp 1.500 Euro. Beide hatten zuvor auf ihrer Homepage einen Link zum neuen “Claus Gatterer Preis” publiziert.

Mit der personellen Erneuerung im Vorjahr hat sich der Wind im ÖJC allerdings gedreht.

Stöger, Pallaver, Welzl
Streit beigelegt: (v.l.) Christian Stöger, Günther Pallaver und Norbert Welzl bei der Unterzeichnung der Übertragungserklärung am Freitag in Bozen

 

 

Marke und Name nun in Südtirol

 

Im Juni 2022 hat der ÖJC einen neuen Vorstand und mit Norbert Welzl einen neuen Präsidenten gewählt “und wir haben uns bewusst und kritisch mit dem Thema auseinander gesetzt”, erklärt Welzl. Die Kontroverse um die Sponsorengelder und die Namensnutzung habe “niemandem gut getan”. Deshalb und auch weil der ÖJC “einen Neustart mit strategischer und inhaltlicher Neupositionierung” wagen will, habe man beschlossen, “ein Zeichen zu setzen”, meint ÖJC-Vizepräsident Christian Stöger. Fred Turnheim, der dem ÖJC über 30 Jahre lang vorgestanden und den Gatterer-Preis mit ins Leben gerufen hatte, spielt im Journalisten Club inzwischen “keine Rolle” mehr – “er hat keine Ämter oder Organfunktionen mehr inne”, sagt Welzl. Das “Zeichen” aber, das Stöger meint, ist die Übertragung der Marke “Claus Gatterer Preis” und die Abtretung sämtlicher Rechte daran an die Michael Gaismair Gesellschaft, die ein “historisches Naheverhältnis” mit Gatterer verbindet und mit dem Presseclub Concordia weiterhin zu den Trägern des “neuen” Gatterer-Preises zählt.

Übertragungserklärung Gatterer
Schlussstrich per Unterschrift: die Erklärung, mit der der ÖJC die Marke “Prof. Claus Gatterer Preis” an die Michael Gaismair Gesellschaft überträgt

 

Günther Pallaver nimmt die Marke am Freitag Vormittag “herzlich dankend” vom ÖJC entgegen. Während Welzl und Stöger darauf wert legen zu betonen, dass “diese Streitigkeit nun aus der Welt geschafft ist” und es ihnen wichtig sei, “dass der Preis in Zukunft würdig weitergeführt” und in Südtirol vergeben werde. Der ÖJC stelle keinerlei Forderungen und auch die 2021 eingeforderten knapp 1.500 Euro wegen “Markenverletzungen” seien “vom Tisch”. Wie Pallaver berichtet, hat die Gaismair Gesellschaft zur Befriedung der Auseinandersetzung bereits 1.000 Euro an den ÖJC bezahlt. “Aber wir sind nicht nachtragend, das ist für uns Geschichte”, so Pallaver.

 

“Gatterer hätte sich im Grab umgedreht”

 

Der ÖJC wird also künftig keinerlei Preise oder sonstige Veranstaltungen mehr im Namen von Claus Gatterer ausrichten. Aber man unterstütze alles, wofür die Unterstützung des ÖJC gewollt sei, bieten Welzl und Stöger am Freitag an. Bleibt abzuwarten, ob der Journalist*innen Club etwa kommendes Jahr, wenn 2024 der 100. Geburts- und der 40. Todestag von Claus Gatterer begangen wird, bei den geplanten Initiativen mit von der Partie sein wird. Näher darauf eingehen will Günther Pallaver vorerst nicht. 

Fix ist hingegen: Unterstützung wird es auch weiterhin vom Land Südtirol geben. “Dieser Schritt ist voll in unserem Sinne”, kommentiert Kulturlandesrat Philipp Achammer, selbst Protagonist in der zehrenden Kontroverse mit dem ÖJC, die Unterzeichnung der Übertragungserklärung am Freitag. Nochmals aufrollen will er das Geschehene nicht. “Nur so viel: Das Vorgehen des ÖJC war zum Teil sehr unrühmlich.” Alles in allem “eine sehr ungute Geschichte – so ungut, dass sich Claus Gatterer wohl phasenweise im Grab umgedreht hätte”. Umso erfreuter sei er jetzt, dass “sich der Kreis schließt und die Arbeit des Presseclub Concordia und der Gaismair Gesellschaft anerkannt wird”. Das Land Südtirol wird den Gatterer-Preis “unterstützen, wo es nur geht”, sichert Achammer zu.

 

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△rtim post Sat, 06/10/2023 - 13:19

Claus Gatterer hatte zwar Südtirol-Hintergrund, war aber vor allem österreichischer Journalist und zwar in besten Sinne, der aufgrund eigener Erfahrungen, dem Geist aufgeklärter Toleranz, der besonderen Sorge um soziale und ethnische Minderheiten und dem Zusammenleben in einer offenen Gesellschaft verpflichtet war.
Die Gründe für die posthume Ausbürgerung und Ausschaffung Claus Gatterers aus Österreich nun gilt es klar zu benennen. Es ist die Fortsetzung/Fortschreibung einer beispiellosen Skandalgeschichte, des Abputzens von Verantwortung und eines unwürdige Umgang mit seinem Namen und Erbe. Es gilt die Würde Claus Gatterers zu achten und zu schützen.
Für das (kritische) Aufarbeiten im Umgang mit Claus Gatterer sollte es nach dem sog. Heim ins Südtirol zeitgleich eine journalistische Auslobung in Österreich und in Südtirol geben. Das wäre das Mindeste an Wiedergutmachung.

Sat, 06/10/2023 - 13:19 Permalink