Schlapfen
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Society | fritto misto

Die Schlapfen des Grauens

Seit dem Schlappen-Gate im Landtag ist unsere Kolumnistin um den Schlapp, äh Schlaf gebracht: So viele Fragen!

Beginnen wir gleich mit einem seichten Witz, um angemessen in das Thema einzusteigen: Was haben Landtagspräsident Josef „Sepp“ Noggler und der Prinz aus „Aschenputtel“ gemeinsam? Nun, ob beide gleichermaßen umschwärmt sind, weiß ich nicht, aber zweifellos ähneln sich beide in ihrem beharrlichen Vorhaben, zarte Frauenfüße in enges Schuhwerk pressen zu wollen. Nicht schon wieder die olle Schlapfengeschichte, stöhnen Sie?
Obacht: Noch wurde nicht alles dazu gesagt, glauben Sie mir. Zudem würde mich interessieren (gerne in den Kommentaren mitteilen), in welchem Zustand sich Ihre Füße während dieser Lektüre befinden: Scharren sie irgendwo, nackt und von Zwängen befreit im warmen Sand? Haben sie sich heimlich unter dem Tisch einer Cafeteria von ihren ledernen Fesseln befreit und erfreuen sich am kühlen Abendhauch? Oder müffeln sie lustlos in beklemmender Verpackung, womöglich sogar noch in Socken unter einem Schreibtisch vor sich hin und werden ihres Daseins nimmer froh? Dann fordere ich Sie hiermit auf: Befreien Sie sich! Streifen Sie die Folterknechte ab, und Sie werden merken, dass nicht nur Ihre Füße befreit aufatmen werden (nun ja, Ihre Nase und die Ihres etwaigen Gegenübers tun es vielleicht nicht, aber man gewöhnt sich an alles), auch Ihre Gedanken werden freier fließen. Aber zurück zum Eigentlichen:  

Jedenfalls bin ich seit etwas über einer Woche um den Schlapp, pardon, Schlaf gebracht, seit nämlich Sepp Noggler im Landtag Damen ob ihres unangemessenen Schuhwerks rügte und bei den Betroffenen für gerötete Gesichter sorgte. Von „Grenzfällen“ war die Reden, von „über die Stränge schlagen“, und Grünen-Lady Brigitte Foppa musste sich gar anhören, dass die Wahl ihrer Fußbekleidung „völlig unpassend“ war. Seither, Sie können es sich vorstellen, kreisen meine Gedanken, die sich ja stets nur mit den intellektuellsten aller Themen befassen, unablässig darum, welcher Gestalt diese Un-Schuhe, die Frau Foppa da unbedacht ins Hohe Haus spazieren geführt hat, waren. Sepp „Ich habe heute leider kein Foto für dich“ hat es ja leider verabsäumt, das Corpus Delicti näher zu spezifizieren bzw. eilfertig eine Pressemitteilung samt Foto hinauszuschicken, auf dass die ganze Bevölkerung wisse, womit man, oder besser frau sich nun auf keinen Fall in gehobenen Räumlichkeiten wie es der Landtag offenbar eine ist, sehen lassen darf.

Werter Herr Noggler, seien Sie unbesorgt: Sie schlappen das!

Ich kann nur mutmaßen, und winde mich seither unter der Last der Bilder, die mir so durch den Kopf gehen: Waren es Plateauschuhe nach Art der auf Kuben tanzenden Damen, womöglich bis zum Knie geschnürt und mit Geldscheinen garniert? Ich würde seine Entrüstung verstehen. Oder aber waren es, am anderen  Ende des Schuhspektrums stehend, jene umgangssprachlich „Crocs“ genannten Ungetüme, vielleicht sogar ein gefälschtes Fabrikat, ausgelatscht und unappetitlich verfärbt von Straßenschmutz und Fußschweiß? In meiner Familie gibt es ein gefürchtetes Paar, das nur noch bei den allerniedrigsten Gartenarbeiten zum Einsatz kommt, einst grellgrün, nun gelblich ausgebleicht, verwittert, verformt, mit üppigem Loch an der großen Zehe links, und wenn mein Vater aus Gründen der Bequemlichkeit und sommerlichen Laschheit hineinschlüpft, um kurz die Grenzen unseres Grundstücks zu verlassen, stößt meine Mutter schrille Schreie des Entsetzens aus und pfeift ihn sogleich zurück. War es sowas, Frau Foppa? Waren es löchrige Gummitreter, mehr Brei als Schuh, mit denen sie die heiligen Hallen betreten haben, in einem Moment der Verwirrung oder Vergesslichkeit vielleicht (die Hitze setzt uns allen zu)? Ich appelliere inständig an Sie, uns zeitnah ein Abbild der Schlapfen des Grauens zukommen zu lassen, auf dass unsere quälende Unwissenheit endlich eine Ende habe und wir beruhigt und versichert unseren Alltag fortsetzen können.

 

Sepp Noggler ist ja kein Vorwurf zu machen, sondern man muss ganz klar sagen, Schlappeau, dass da endlich einer die Bravado aufbringt, dafür zu sorgen, dass die Herren und Damen Abgeordneten so zivilisiert und gesittet im Landtag erscheinen, wie es auch sonst dort zugeht. Es war an der Zeit, dass sich jemand darum kümmert, wie es um Kleidung und, man muss es leider sagen, auch Hygiene (in der heißen Jahreszeit ja ein besonders dringliches Thema) der Gewählten bestellt ist, denn ein solches Amt lässt fürwahr keine Unzulänglichkeiten zu, die seinem Ansehen schaden könnten. Darum, Herr Landtagspräsident, halten Sie nicht inne, Ihr Werk hat gerade erst begonnen! Vielmehr, weiten Sie ihre akribischen Inspektionen aus und scheuen Sie sich nicht davor, auf Ihr Stil- und Reinlichkeitsgefühl zu hören, das Ihnen mutmaßlich auch bei der Maßregelung der Damen Amhof, Ladurner und Foppa eindringlich ins Ohr geflüstert hat: „Sei kein Schlappi, Sepp, sag was!“

Stellen Sie Kragenspeck und zu starkes Make-up an den Pranger, weisen Sie unerschrocken auf den nötigen Gebrauch von „Head and Shoulders“ hin, prüfen Sie Socken auf Duftnote und Verschmutzungsgrad (diese, zugegeben, etwas niedrige Aufgabe könnte man eventuell auch an einen Praktikanten oder willigen Lega-Abgeordneten auslagern), fordern Sie zu regelmäßigem Zähneputzen und Friseurbesuchen auf (Stichproben!), weisen Sie auf die Vorteile sauberer Unterwäsche hin (von einer Kontrolle der selbigen würde ich aus Gründen des Selbstschutzes und der Gefahr, Opfer von physischer Gewalt zu werden, abraten, belassen Sie es hier bei bona fide), bekritteln Sie gnadenlos aus der Mode gekommene, schlecht sitzende Anzüge und waghalsige Krawatten, die zu kurz oder zu lang sind, und weiten Sie Ihre rühmliche Knigge-Herrschaft natürlich auch auf das Verhalten der werten Abgeordneten aus: Hantieren sie mit dem Handy, während jemand spricht? Fallen sie einander ungehobelt ins Wort? Treten sie unangemessen oft aus, womöglich gar nicht, um einem dringenden Bedürfnis nachzukommen? Bedienen sie sich einer dem Hohen Haus angemessenen Ausdrucksweise (gepflegte Hochsprache in beiden Landessprachen!), sitzen sie aufrecht und aufmerksam in den Bänken oder lümmeln sie flegelhaft darin herum?

 

All das, werter Herr Noggler, gilt es nun im Auge zu behalten, da Sie Ihren Kreuzzug gegen die Liederlichkeit begonnen haben, und es ist kein leichter angesichts der Fülle an Umständen, die es nun zu observieren gilt neben Ihren eigentlichen Amtsgeschäften, aber seien Sie unbesorgt: Sie schlappen das! Sie könnten ja die allergrößte, am meisten Unbehagen und Abscheu hervorrufende  Unangemessenheit als Erstes bekämpfen, nämlich, dass Ihre Partei eine Koalition mit einer Vereinigung eingegangen ist, deren Anführer mit seinen sexistischen, rassistischen und menschenverachtenden Äußerungen ein Ausmaß an Garstigkeit und Würdelosigkeit erreicht, dass ein entblößter Frauenfuß, mag er auch eventuell verschwitzt und behornhautet und vielleicht sogar behühneraugt sein, dagegen so verlockend wie ein Eis am Stil an einem Lidotag wirkt.

Bedenken Sie dies, Herr Noggler, bevor Sie das nächste Mal rügen: Es könnte alles noch viel, viel schlimmer sein.

Zudem präsentiert sich „Il Capitano“ auch optisch nicht immer seines Amtes als Innenminister entsprechend: Stichwort „Unterhose“, Stichwort „Kauen mit offenem Mund“, Stichwort „Stinkefinger“. Mit den entsprechenden Bildern möchte ich Sie an dieser Stelle nicht behelligen. Bedenken Sie dies, Herr Noggler, bevor Sie das nächste Mal rügen: Es könnte alles noch viel, viel schlimmer sein. Und falls Ihre Rüge einem Gefühl des, sagen wir, Neides entsprang, der absolut nachzuvollziehen ist, da die Herren in Anzügen und langen Hemden sowie geschlossenen Schuhen schweigend in ihrem Saft gären müssen, während sich die Damen fröhlich in leichte Sommerkleider und luftiges Schuhwerk hüllen: Machen Sie etwas dagegen! Die Sommer werden nur noch heißer, handeln Sie nachhaltig und schonen Sie die Klimaanlage, indem Sie die offenbar in der Eiszeit erdachte Kleiderordnung über den Haufen schmeißen und sich an Ländern orientieren, in denen man sich längst mit der Hitze arrangiert hat und trotzdem ordentlich aussieht: Die Kurta etwa ist kleidsam, luftig und bequem, kaschiert etwaige Figurprobleme und kann, aus edlen Materialien hergestellt und prunkvoll bestickt, durchaus der Eleganz des Amtes gerecht werden. Dazu ein paar Flipflops von YSL, bei deren Preis wohl niemand auf die Idee käme, sie als Badeciabatte zu bezeichnen, und schon sitzt auch Mann gut gekleidet und gutgelaunt im Landtag. Denn, geben Sie zu, liebe LeserInnen, haben Sie nicht an Lebensqualität gewonnen, seit Sie sich vor etwa 7.500 Zeichen Ihrer Schuhe entledigt haben? Gönnen wir es doch auch unseren Abgeordneten, bevor sie sommers vollends schlappmachen.