Politics | Wahlrecht

Kinder, wählt!

Junge Menschen interessieren sich nicht für Politik, hieß es vor Kurzem - aber umgekehrt? Zeit, sie für die Politik interessanter su machen.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
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Foto: Foundry Co./Pixabay

Angesichts der uns bevorstehenden Wahlen, bei denen wir, zur Abwechslung mal im September, zwischen den immer gleichen Gesichtern, den immer gleichen Parteien und den immer gleichen Themen wählen dürfen, gibt es diese eine Variable, die das Ganze etwas interessanter machen könnte: mehr Wähler*innen. Wie? Indem wir das das Alter für die Teilnahme an den Wahlen herabsetzen. Oh wow, was für ein Novum, höre ich Sie schon murmeln - seit Jahren diskutieren wir mehr oder weniger ernsthaft über die mögliche Teilnahme von Sechzehn- oder gar Vierzehnjährigen. Stimmt.

Nun, ich würde das Alter auf sechs Jahre herabsetzen, Einschulungsalter, damit auch Kinder ihre politischen Vertreter*innen wählen können. Wahrscheinlich starren Sie jetzt etwas ungläubig auf Ihren Bildschirm - aber welche stichhaltigen Gründe gibt es, Kinder vom Wahlrecht auszuschließen? Kann das Alter ein Ausschlusskriterium für die aktive Teilnahme an Gemeinschaftsentscheidungen sein? Während es keine Altersgrenze nach oben gibt, gibt es aber eine nach unten, was die "Universalität" des Wahlrechts eigentlich Lügen straft.

Sie sind nicht überzeugt? Schauen wir uns hier mal die Argumente gegen ein Kinderwahlrecht genauer an.

Politik ist nichts für Kinder

Die Politik ist ein Erwachsenenspielfeld, das aus Intrigen, Verrat, Eigeninteressen und Strategemen besteht und vielen Menschen ein Gräuel- wie viele Erwachsene kennen Sie, die sich nicht dafür interessieren wollen? Aber ist das etwas, wovor wir kleine Mädchen schützen müssen? Oder sind es immer die einflussreichen Leute, die Chefs, die Mächtigen, die behaupten, bestimmte Menschen schützen zu wollen, indem sie ihnen aber de facto die Selbstbestimmung entziehen? Das Wahlrecht macht uns zu aktiven Teilnehmer*innen an Entscheidungen, mit denen sich vor allem jüngere Menschen länger auseinandersetzen müssen. Ja, sowas betrifft nun mal Kinder. Außerdem könnte die Kommunikation politischer Inhalte an Kindern revolutionieren, wie diese Inhalte präsentiert und diskutiert werden. Hätten wir doch alle was von.

Kinder sind nicht informiert

Sind Kinder bei der Ausübung ihres Wahlrechts weniger informiert? Um diese neuen Wähler*innen zu erreichen, müssten natürlich die Informationskanäle erweitert oder angepasst werden, nicht zuletzt unter Einbeziehung der Schulen. Auch hier möchte ich erinnern, dass Ü18 -Wähler keiner wie auch immer gearteten Informationspflicht für das Ausüben des Wahlrechts unterliegen.

Kinder sind nicht kompetent

Kinder dürfen nicht wählen, weil ihnen die Kompetenz dafür fehlt, wobei ein Kriterium angewandt wird, das wir auf den Rest der Bevölkerung nicht anwenden. Während des letzten Referendums, während ich darauf wartete, mein Wahllokal zu betreten, fragte ein wartender, älterer Herr seinen knapp 50-jährigen Sohn, was er den nun wählen solle. Die Stimme dieses Herrn, sein unantastbares Recht, zählt genauso viel wie die Stimme eines jeden anderen Wählers, selbst eines*r Themen-Fachkundigen*r. Das vollständige Verständnis eines Referendumstextes ist streng genommen eigentlich keine notwendigen Fähigkeiten, um das Wahlrecht auszuüben; die Schwierigkeiten, die Kinder haben können, bestimmten Gesetzesinhalten zu folgen, können und haben bereits viele Erwachsene. Das Wahlrecht steht Ihnen nicht auf der Grundlage von Fähigkeiten zu, die Sie nachweisen müssen.

Kinder sind leicht zu beeinflussen

Als 1946 in Italien das Wahlrecht auf die gesamte weibliche Bevölkerung ausgedehnt wurde, gab es Zweifel an der Fähigkeit der Frauen, eine unabhängige Wahl zu treffen, da man davon ausging, dass sie von ihren Ehemännern, Vätern usw. beeinflusst würden. War dem so? Würden demnach auch Kinder nur das wählen, was ihre Eltern ihnen vorschreiben? Sicherlich nicht. Wären sie dem Druck von außen stärker ausgesetzt? Nein, sie wären in der Tat genauso manipulierbar wie Erwachsene durch ihr Umfeld, aber auch durch Medien, Parteien und Lobbys. Dies hat jedoch nichts mit der Ausübung des Wahlrechts selbst zu tun.

Das Kinderwahlrecht schadet unserer Demokratie

Unsere Gesellschaft altert schnell, und die älteren Wähler und Wählerinnen sind bereits in der Überzahl. Wie wir während der Pandemie beobachten konnten, sind in unserer Gesellschaft Menschen mittleren Alters und ältere Menschen der dominierende wirtschaftliche und damit auch politische Block, ihre Interessen überwiegen. Wie wir diesen September feststellen werden, spiegeln sowohl das Alter der Abgeordneten als auch ihre Themen die Prävalenz dieser Generationen wieder. Junge Menschen interessieren sich nicht für Politik, wie uns verschiedene Lokalzeitungen vor kurzem in großen Lettern mitteilten, als sie eine weitere Umfrage veröffentlichten. Aber vielleicht ist es die Politik, die sich nicht für junge Menschen interessiert, weil ihre geringe Zahl und schwache Wirtschaftskraft sowie ihr Ausschluss vom Wahlprozess sie nicht interessant genug machen? Es ist absurd zu glauben, dass wir durch die Herabsetzung des Wahlalters auf sechs oder acht oder neun Jahre von den Entscheidungen kleiner Jungen und Mädchen regiert werden. Sie werden auch in Zukunft eine Minderheit in der Gesellschaft sein und zwar aufgrund der demografischen Entwicklung.

Das allgemeine Wahlrecht ist nicht das, was es zu sein vorgibt, und nach 80 Jahren seit der letzten Erweiterung der Wählerbasis ist es an der Zeit, es als demokratisches System auf den neuesten Stand zu bringen. Alle sollten sich am Wahlprozess beteiligen können und bei Entscheidungen, die die Gemeinschaft und ihre zukünftige Entwicklung betreffen, mitreden und berücksichtigt werden. Vielleicht würde Politik dann auch längerfristig ausgelegt? Auf alle Fälle würde ein Kinderwahlrecht dazu beitragen, unsere Gesellschaften demokratischer zu machen.

Quellen bzw. zum Vertiefen:

"Why children should be allowed to vote", Maura Priest, Public Affairs Quarterly, Vol. 30, No. 3 (JULY 2016), pp. 215-238
https://fra.europa.eu/en/publication/2017/mapping-minimum-age-requirements/childrens-right-vote
https://www.nytimes.com/2021/09/01/opinion/politics/kids-right-to-vote.html
https://www.vox.com/future-perfect/2019/9/10/20835327/voting-age-youth-rights-kids-vote
https://www.theguardian.com/politics/2021/nov/16/reconstruction-after-covid-votes-for-children-age-six-david-runciman

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Profile picture for user Josef Fulterer
Josef Fulterer Thu, 08/25/2022 - 06:58

Wahlrecht für die Kinder!
Sie müssen die bitteren Folgen für die vielen Fehlentscheidungen tragen, die von den Politikern verbockt werden, die hilflos zappelnd an den Fäden der Marionetten-Kreuze der übermächtigen Verbände hängen.

Thu, 08/25/2022 - 06:58 Permalink