Stage | Zoona Magnifique

„Schadenfroide“

„…felice di non essere come te“, singt Salvatore Cutrì beim Begrüßen des Publikums. Ein schadenfroher Abend auf den Spuren eines Gefühls mit Hintergedanken und Fäkalhumor. Wie könnte uns das nur zu besseren Menschen machen?
Schadenfreude, Zoon Magnifique
Foto: SALTO
  • In der Zoona Magnifique bringt der (Theater-)Autor und Schauspieler  Cutrì ein kurzweiliges Bühnenprogramm zur Zweitaufführung, die routiniert und mit viel Publikumsinteraktionen abläuft.  Bei diesen zeigt auch Cutrì Schadenfreude, gerade wenn es auf der Open-Air-Veranstaltung zu dunkel wird um von den ausgeteilten Zetteln abzulesen. Begleitet und mit Audio-Schnipseln, sowie eingespielten Lachern verziert wird der Abend von Francesco Ferrara über einen Laptop.

    Mit ein wenig sprachlicher Distanz nähert sich der italienische Muttersprachler einem ins Englische, Französische, Spanische, Portugiesische, Polnische und Italienische exportierten Wort, der Schadenfreude, die mit humorigen - recht krassen und vielleicht etwas zu oft fäkalen - Fallbeispielen erfolgt. Im Italienischen gibt’s übrigens auch das Synonym „aticofilia“, das auch nicht leichter von der italienischen Zunge geht als das „typisch deutsche“ Lehnwort. 

    Auch die Reaktionen aus dem Publikum zeigen, dass Schadenfreude etwas (fast) Universelles hat und nachdem wir es alle fühlen, beginnt Cutrì nach der Suche der Quelle. Nachdem mit dem Corona-Infekt des ehemaligen US-Präsidenten Trump ein Online-Boom beim Wort Schadenfreude verzeichnet wurde und auch Cutrì Linderung seiner Rückenschmerzen in einem schadenfrohen Moment bemerkt, ist sein Wissensdurst geweckt. Von Epic Fail Videos - am liebsten sind Salvatore Cutrì übrigens Bilder von Drohnen, die abstürzen - wird diese Neugier nur unbefriedigend gestillt. 

  • Nummer 23: Dieses Fallbeispiel für einen Moment der Schadenfreude hat der SALTO Redakteur zu Beginn des Abends aus einem Goldfischglas gezogen. Foto: SALTO, Testo Salvatore Cutrì

    So beschließt er zu tun, was jeder junge, eigenständige Autor mit intaktem Selbsterhaltungstrieb tun sollte: Er geht zum Psychiater. Die dort, von einem im Halbschatten sitzenden Gegenüber im Bühnenselbstgespräch errungenen Erkenntnisse, gibt Cutrì seinem Publikum in unterhaltsamer Weise weiter, bedient sich etwa dreier Papierbanner mit gekrakelten Hirndiagrammen. Beim Aufbau klappt das erste natürlich zusammen und ein Slapstick-Moment erwischt das schadenfroh gestimmte Publikum kalt. Cutrì weiß auch mit dem wenigen Leerlauf am kurzen und kurzweiligen Abend zu spielen und beginnt, auf Anraten seines Psychiaters, Momente der Schadenfreude zu katalogisieren, die Nummern im Publikum seien somit nur Schnipsel aus einem viel größeren Katalog. Gerade auch gegen Ende des Abends zeigt sich, dass der recht zwanglose Austausch (zumindest für eine Seite) mit dem Publikum System hat und bereits Klammern öffnete, die sich hier auf eine befriedigende Weise schließen und uns nachdenklich stimmen.

    Als gemeinsamen Nenner macht Cutrì bei der Schadenfreude vorangegangene Emotionen aus: Den Neid, aber auch den Hass findet er dem frohen Moment vorangegangen. Am Ende schlägt man sich auf keine Seite, man will weder Schadenfreude wirklich feiern oder hochhalten, als Positives oder Erstrebenswertes, sie aber auch nicht verbieten. Statt dessen wird Cutrì, wie auch wir, dazu angehalten, einen Moment in uns zu gehen. Warum wünschen wir dem Gegenüber Böses und wie ist die Situation aus dessen Sicht? Wie weit können wir uns auf den Standpunkt des jeweils anderen einlassen und wie fundiert ist damit diese, manchmal schöne, manchmal hässliche Schadenfreude? So könnte sie als Gefühl ein Schlüssel sein, der die Türe öffnet hin zu mehr Verständnis für uns selbst und unsere Gedankengänge, wie auch für unsere Mitmenschen.