Politics | Direkte Demokratie

Der Lausch-Angriff

Stephan Lausch erzählte SALTO vor der Pressekonferenz zum aktuellen Vorhaben der Initiative für mehr Demokratie. Und über die Wendehälse Scarafoni und Galateo.
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Foto: SALTO
  • „Es geht um den größten Betrug in Südtirol an den Bürgerinnen und Bürgern“, ist Stephan Lausch überzeugt. „Ihnen werden Mitbestimmungsrechte vorenthalten!“ Seit 30 Jahren sei das nicht nur die Forderung von „irgendwelchen Spinnern und radikalen Demokraten“, sagt er, „sondern es ist ein Verfassungsauftrag.“ Zwar schreibt das Autonomiestatut ausdrücklich vor, dass direkte Demokratie gesetzlich geregelt werden muss – doch die bisher beschlossenen Gesetze sind bloßer Schein. Alles also nur Augenauswischerei? 
     

    Der offene Brief wird mittlerweile von 30 Organisationen mitgetragen.


    Hätte man die dringliche Angelegenheit nicht irgendwie anders politisch lösen können? Der Koordinator der Initiative für mehr Demokratie nickt und entgegnet: „Es hat den Anschein, als wollte man das offensichtlich nicht.“ Die Gesetze täuschen Mitbestimmung vor. „Wenn man versucht, diese Instrumente anzuwenden, dann funktioniert es nicht“, gibt sich Lausch ernüchtert und kommt auf die Verhinderungsstrategie zu sprechen, die in seinen Augen auf zwei Ebenen erfolgt. „Einmal bei der Zulassung, für die eine Kommission der Landesregierung zuständig ist, die Vorurteile gegenüber der direkten Demokratie hat und alle Anträge auf Volksabstimmung ablehnt. Auf der anderen Seite verhindert oder behindert man, indem man die Unterstützung von Volksinitiativen sehr schwierig macht.“ So wurde beispielsweise mehrmals gefordert, dass die Online-Unterschriftensammlung möglich gemacht wird, wie es bereits staatsweit gilt. 

    Es scheint aber, dass die aktuelle Regierungsmehrheit alles unternehme, um Mitbestimmung zu verhindern. „Wir sprechen davon, dass wir nur die halbe Demokratie haben“, sagt Lausch, „das gilt nicht nur für Südtirol, sondern auch für die meisten anderen Staaten, die sich demokratisch nennen. Halbe Demokratien laufen derzeit große Gefahr, beschädigt zu werden, nicht mehr zu funktionieren oder durch autoritäre Systeme abgelöst zu werden.“ Es ist wohl tatsächlich so, dass die Regierenden an allen Machthebeln (über-)tätig sein wollen, und so wenig wie möglich mit den Bürgerinnen und Bürgern zu teilen imstande sind. Als wäre mehr Demokratie eine Niederlage für sie. „Im Hintergrund stehen mächtige wirtschaftliche Interessen, die die bisherige Entwicklung weiter treiben wollen. Die Klimaproblematik zeigt uns, dass wir nicht so weitermachen können, wie wir bisher gewirtschaftet haben.“ 

  • Klares Ausrufezeichen: „In der Demokratie sollte der Wille des Volkes umgesetzt werden.“ Foto: SALTO

    Dabei würde die Politik doch gut daran tun, sich ausgiebig und nachhaltig um direkte Demokratie zu kümmern, interessieren sich doch immer weniger junge Menschen für politische Prozesse. Und Politikerinnen und Politiker geraten aufgrund bescheidener Wahlbeteiligungen deshalb bei Interviews regelmäßig in Atemnot. 
    Ist das von den Regierenden der letzten Jahrzehnte heruntergewirtschaftete politische Verständnis letztendlich auch ein großes Hindernis für die Initiative für mehr Demokratie? „Ja, aber das ist die große Enttäuschungsarbeit, die von den Mächtigen betrieben wird. Leider gehen gerade kritische Stimmen verloren.“ 

     

    Die Mächtigen profitieren vom Demokratievakuum.

     

    Für Regierende sei dies aber letztendlich gar kein Problem, so Lausch, da die an den Schalthebeln sitzenden Mächtigen vom Demokratievakuum profitieren. Aber wie lange noch? Und: Ist direkte Demokratie tatsächlich die beste Antwort auf dieses Ohnmachtsgefühl? „Die beste Antwort darauf ist Mitbestimmung, funktionierende Mitbestimmung“, gibt sich Lausch kämpferisch.
    Mit ihrer Aktion erhofft die Initiative für mehr Demokratie, dass die zunächst von acht Parteien eingebrachten zwei Gesetzentwürfe das geltende Gesetz zur direkten Demokratie in Ordnung bringen – und es dann auch wirklich anwendbar ist. Die zwei Gesetze werden im Oktober vom Landtag behandelt. „Die absolute Mehrheit, die es braucht“, gibt sich Lausch optimistisch, „ist in greifbarer Nähe.“ Aber was, wenn nicht? „Dann machen wir intensiv im Hinblick auf die nächsten Landtagswahlen weiter. In der Demokratie sollte der Wille des Volkes umgesetzt werden.“

  • Die Initiative für mehr Demokratie hat eine Online-Petition gestartet, mit der sie fordert, dass endlich die vom Autonomiestatut garantierten politischen Mitbestimmungsrechte zur Anwendung kommen.