Politics | Landtagswahlen 2013

Vor dem grünen Wahlkampf-Karren

Was haben Hans Peter Stauder, Martin Daniel, Martina Goller und Klaus Schuster gemeinsam? Sie kämpfen bei den Landtagswahlen 2013 für die Grünen in den Bezirken um Stimmen. Warum sich die Bürgerlistler und Aktivisten vor den grünen Karren spannen ließen.

Grüner Wahlkampf in den Bezirken. „Territorial waren wir schon besser aufgestellt“, gibt sich Spitzenkandidatin Brigitte Foppa im salto.bz-Interview durchaus selbstkritisch. Dennoch: Nach den Vorwahlen, die in Sachen Peripherie recht karg ausfielen, hat man sich bei den Grünen noch einmal kräftig ins Zeug gelegt, um mehr Menschen jenseits der Zentren auf die Liste zu holen. Wichtige Figuren, die lokale Themen in das Wahlprogramm einbrachten und vor Ort vertreten, wie Foppa meint.

Eine, die buchstäblich in letzter Minute dafür gewonnen werden konnte, ist Martina Goller. Zwei Tage vor der Listenvorstellung wurde sie von Parlamentarier Florian Kronbichler überzeugt, erzählt die einzige Ladinerin im Grünen Team. Lehrerin, Mutter, seit acht Jahren für die Lista Urtijёi im Gemeinderat von St. Ulrich. „Dort sind wir sieben Leute, fünf davon Frauen“, so Goller. Der Hauptgrund für ihre Landtagskandidatur? Die Dolomitenpässe. „Eigentlich kandidiere ich hauptsächlich als Gegnerin vom Mussner“, sagt sie. Viele Worte über den schonenden Umgang mit der Natur, doch keine Taten, das ist es was ihr aufstößt. Seit zehn Jahren verspreche der ladinische Landesrat eine Lösung für die Pässe, doch St. Ulrich gehe immer mehr im Verkehr unter. „Wir brauchen hier zumindest ein paar Stunden Sperrung am Tag, auch für den Tourismus selbst“, sagt die Grödnerin.

Als weiteres Beispiel nennt sie die Aufnahme von Langkofel und Plattkofel in das Unesco-Weltnaturerbe. „Jetzt reden alle groß darüber, doch vor der Erweiterung des Naturparks soll noch klammheimlich die Verbindung Seiser Alm - St. Christina durchgeboxt werden.“ Mit einer Landespartei im Rücken lässt sich dagegen noch wirkungsvoller arbeiten, als es derzeit schon auf lokaler Ebene geschieht. Warum sie sich dafür ausgerechnet die Grünen ausgesucht hat? Weil sie bei den Themen, für die sie sich einsetzt, am glaubwürdigsten sind, sagt Martina Goller  – vom Umweltschutz bis zur mehrsprachige Schule. „Und vor allem findet sich dort die Vielfalt, die ich von der Bürgerliste gewohnt bin.“  

Der BBT-Gegner: Klaus Schuster

Das Thema Verkehr ist auch das Steckenpferd des einzigen Grünen Wipptaler Kandidaten. Immerhin wurde der Sportlehrer und Fußballtrainer Klaus Schuster als Wiesner Vorkämpfer der Bürgerinitiative Stop BBT politisch aktiv. Entsprechend maßgeblich hat der heutige Sprecher von Stopp BBT Wiesen auch an den Vorschlägen zu einer neuen Mobilität im 31-seitgen Wahlprogramm der Grünen mitgearbeitet: Mit Slogans wie Nein zum Brennerbasistunnnel oder der Forderung nach Sofortmaßnahmen wie Nachtfahrverbot und Mauterhöhung auf der Brennerautobahn will Schuster die Bürger im eigenen Bezirk noch einmal aufrütteln. „Ein gewisser Ermüdungseffekt ist beim Thema Verkehr schon eingetreten“, sagt er, „die Leute haben sich daran gewöhnt – und sie haben derzeit auch andere Probleme wie die Angst um den Arbeitsplatz.“

Vor allem fehlt bislang im Wipptal noch das Forum, wo die unterschiedlichen Ideen und Vorschläge der einzelnen Listen miteinander in Wettkampf treten können. „Die Mehrheitspartei hat offenbar Interesse daran, dass so wenig Diskussion wie möglich in Gang kommt“, meint er. Die einzige Podiumsdiskussion, bei der die KandidatInnen sämtlicher Listen antreten werden, hat Schuster selbst für den 16. Oktober in Wiesen organisiert. „Ursprünglich haben wir in Sterzing angefragt, aber der Chef des dortigen Bildungsausschuss ist SVP-Sekretär Martin Alber – und der zeigte kein Interesse.“

Dank guter Vorarbeit im Bozner Landtag macht Schuster der ruhige Wahlkampf in seinem Bezirk aber nicht einmal besonders zu schaffen. „Die Grünen haben vor allem beim Thema Energie bereits bewiesen, was sie können“, sagt er. Ein großer Bonus, wenn die Energiepolitik auch eines der heißesten Bezirksthemen ist; aufgeheizt durch private Kraftwerksbeteiligungen in Pfitsch, das Windkraftprojekt am Sattelberg oder nun die Kraftwerkspläne des Milchhofs Sterzing.

Von Pestiziden und Direkter Demokratie: Martin Daniel

Die gegenseitige Befruchtung von Landes- und Bezirkspolitik war auch für den einzigen Vinschger Kandidaten der Grünen Martin Daniel ein wesentlicher Antrieb bei den Landtagswahlen zu kandidieren. „Es ist wichtig, dass die Partei uns hier bei Themen wie Machtkontrolle, Rechtsstaatlichkeit und den klassischen Umweltthemen unterstützt“, sagt der Schlanderser Gemeinderat der Bürgerliste „Für Schlanders“. „Andererseits brauchen sie gerade bei spezifischen Themen wie den Pestiziden einen Vertreter, der von hier ist.“

Die zunehmende Verlagerung des intensiven Obstanbaus in den Obervinschgau und die damit einhergehende Bedrohung der wertvollen Kulturlandschaft und traditioneller wie biologischer Landwirte, die durch die Pestizide teilweise Ernteausfälle verzeichnen, ist für Daniel eindeutig das brennendste Wahlkampfthema – das auch in Bozen aufgegriffen wird. Nicht nur Spitzendkandidatin Brigitte Foppa sensibilisiert dafür, „auch Hans Heiss, dem die Kulturlandschaft ein großes Anliegen ist, war schon einige Male hier“, sagt Daniel.

Vor allem in Mals verwebt sich der Kampf gegen die Pestizide mit einem Urthema der Grünen, der Direkten Demokratie. Dass die Entscheidung über die Zulassung des dort geplanten Referendums erneut bis nach den Landtagswahlen verschoben wurde, schadet dem Stimmenpotential der Grünen wohl kaum. „Hier ist mittlerweile wirklich eine breite Bevölkerungsschicht sensibilisiert“, sagt Daniel, „und das sind nicht politisierte Leute, sondern denen geht es wirklich um die Sache.“ Mit dem Wahlprogramm der Grünen im Rücken lässt es sich in so einem Umfeld gut arbeiten. „Ja, ich fühle mich absolut gut aufgehoben bei den Grünen“, bestätigt  der Bürgerlister, „denn ihr Einsatz für Transparenz, Rechtsstaatlichkeit und Kontrolle gibt den Leuten das Gefühl, dass nicht immer über ihre Köpfe hinweg entschieden wird.“

Sextner Symbolfigur: Hans Peter Stauder

In der entgegengesetzten Landeshälfte hätte sich ein weiterer Bürgerlistler noch vor kurzem nicht einmal vorstellen können, nun für die Grünen zu kandidieren. Trotz 25 Jahren im Umweltschutz und  der fünften Legislaturperiode im Sextner Gemeinderat hat sich Hans Peter Stauder „nie von Parteien einlullen lassen“, wie er meint. Warum nun doch so weit gekommen ist, hat wesentlich mit der Zuspitzung des Konflikts um die Skiverbindung Helm-Rotwand zu tun. Nie zuvor hätte er das Demokratiedefizit in der „großen Partei“ so deutlich zu spüren bekommen, sagt Stauder. Und nie zuvor hat er wohl angesichts der massiven Anfeindungen seiner Person so stark Unterstützung benötigt. „Die Grünen sind mir in der ganzen Sache sehr zur Seite gestanden“, meint er, „und als Hans Heiss mich dann gebeten hat, für sie zu kandidieren, war für mich ihr Einsatz für Demokratie und Umwelt ausschlaggebend.“  

Dass die Grünen am 27. Oktober von der Symbolfigur eines mittlerweile symbolischen Kampfes profitieren werden, ist abzusehen. Doch sieht Stauder auch eine reale Chance, über die Rolle eines Stimmenfängers hinauszuwachsen – und in jene eines Landtagsabgeordneten hineinzuwachsen? Eine Frage, die sich wohl jeder der 31 KandidatInnen jenseits des Spitzentrios stellen muss. „Bei drei Mandaten ist es unwahrscheinlich“, antwortet Stauder, „sollte ein viertes herausschauen, hat darauf jeder mehr oder weniger gleiche Chancen“: Und: „Wir wären schlechte Kandidaten, wenn das Wahlziel nicht dahin gehen würde.“

Wie viele Stimmen er im zerstrittenen Sexten tatsächlich für sich gewinnen kann, davon lässt sich der Pusterer Kandidat selbst überraschen. Die Hoffnung geht aber natürlich über sein Heimatdort hinaus. „Denn wofür ich stehe, wissen die Leute bis hinauf zum Reschen“, sagt er, „und ich hoffe schon, dass der große Aufschrei im Land auch einen Niederschlag im Votum findet.“ Egal wie groß der tatsächlich werden wird: Zumindest einen Beitrag zu seinem zweiten Wahlziel wird er damit geleistet haben. Und das heißt laut Stauder: Die Mehrheitspartei unter die Absolute zu drücken.