"Wenn man mein Herz befragen würde.."
SVP-Fraktionssprecher Oswald Schiefer: "Ja, eigentlich war die Abstimmung ein Spiel."
Der Südtiroler Landtag hat sich am 8. Oktober für das Recht auf Selbstbestimmung ausgesprochen. „So sinnlos wie ein Kropf“ urteilt Arno Kompatscher. Menschenrechte gelten in Südtirol und das Recht auf Selbstbestimmung steht in den Statuen der SVP. Was sagen Sie als SVP-Fraktionschef dazu?
Oswald Schiefer: Es stimmt natürlich, die gesamte Abstimmung ist, das haben wir grundsätzlich auch innerhalb der Partei gesagt, ein Spiel. Ich kann diese Aussage des Landeshauptmannes deshalb nachvollziehen, weil das so im Grunde nichts bringt. Wenn, dann müsste man es im Vorfeld anders absprechen und nicht nur im Landtag eine Mehrheit zusammenbringen. Wenn, dann muss man ja die Leute mitnehmen.
Und so weit sind wir noch nicht?
Nein, wir müssen Realpolitiker sein. Die Abstimmung haben wir mitgetragen, weil es sonst wieder ausschaut als ob die SVP total gegen die Selbstbestimmung ist. Und das stimmt einfach nicht, weil es eben auch in unseren Statuten steht. Aber eigentlich geht es darum, bei einer solchen Sache die Menschen mitzunehmen. Wenn wir der Meinung sind, dass unsere Zukunft nicht mehr bei diesem Staat ist, bei einem Staat, den wir nie freiwillig gewählt haben, dann kann das kein Alleingang der SVP oder der Südtiroler Freiheit sein. Das begünstigt einfach nicht die Stimmung im Land. Wenn, dann müssen wir die moderaten Italiener und die zweisprachigen Südtiroler mitnehmen.
Vorerst bleibt also alles beim Alten. Südtirol gehört zu Italien.
Wenn ich an die 60er und 70er Jahre zurückdenke, da hat uns noch der italienische Staat Angst gemacht, die Staatsmacht. Die Polizei war noch viel dominierender und viel präpotenter. Man kann jetzt nicht das Kind mit dem Bade ausschütten. Alle sehen momentan nur das Negative, weil bei der Autonomie herum gefeilscht wird. Aber Finanzverhandlungen gibt es ja auch in Österreich zwischen Bund und den Ländern. Da müssen ja auch die Länder die Sparmaßnahmen des Bundes mittragen.
Wir sollen zufrieden sein?
Ich sage so: Wenn wir jetzt noch mehr wollen, mehr Zuständigkeiten, dann müssen wir den Weg der Autonomie weiter beschreiten und weiter ausreizen. Und vergessen wir nicht, was wir haben. Die Chance auf eine Selbstbestimmung wird es vielleicht irgendwann geben, aber wir sehen die in der Europaregion Tirol. Dann ist es ja wurscht zu welchem Staatengebilde wir gehören, denn wenn wir eine noch stärkere Autonomie haben, werden wir die Zugehörigkeit zu einem Staat nicht mehr so spüren.
Die Sitzung gestern haben Sie als Fraktionssprecher für zehn Minuten unterbrochen. Warum?
Es galt die Mitglieder der SVP auf eine Linie zu bringen. Ja zum Recht auf Selbstbestimmung, Nein zur Durchführung der Selbstbestimmung. Das haben wir gesagt, verschieben wir auf einen günstigeren Zeitpunkt.
Thomas Widmann ist dann doch ausgeschert, und hat sich bei der Abstimmung über die Durchführung der Selbstbestimmung der Stimme enthalten.
Ich habe das Abstimmungsergebnis dann gar nicht mehr so genau angeschaut. Aber wenn er sich enthalten hat, dann ist das vielleicht ja ein erster Schritt in eine bestimmte Richtung. Im Herzen, muss ich sagen, denkt wohl die Hälfte der SVP Fraktion so. Ja, wenn man das Herz befragen täte, dann wäre ich auch auf diser Seite, wäre für eine Selbstbestimmung Südtirols. Aber wir sind Realpolitiker.
Alle sehen momentan nur das Negative, weil bei der Autonomie herum gefeilscht wird. Aber Finanzverhandlungen gibt es ja auch in Österreich zwischen Bund und den Ländern.
Die keine falschen Hoffnungen machen dürfen und deshalb auch nicht in die Geschichtsbücher eingehen werden, wie Sigmar Stocker stänkerte?
(lacht) Das ist ja klar. Solche Bemerkungen machen die Freiheitlichen und die Südtiroler Freiheit halt, um die SVP bloßzustellen.
Ja, wenn man das Herz befragen täte, dann wäre ich auch auf diser Seite, wäre für eine Selbstbestimmung Südtirols.
Sie werden in der Südtiroler Tageszeitung so zitiert: „Vielleicht machen wir, 2020, selbst eine Abstimmung.“ Die einen leisten die Vorarbeit und die SVP reitet dann das Pferd?
Das hab ich nicht so gemeint, das wurde mir so in den Mund gelegt. Wie gesagt, wer weiß, wann unsere Chance kommt. Die Selbstbestimmung werden wir nie aus den Augen verlieren. Aber jetzt ist die Zeit noch nicht reif. Denn gerade in dieser Situation, wo wir dabei sind in Form von Finanzverhandlungen mit dem italienische Staat Nägeln mit Köpfe zu machen, wäre es unklug in Richtung Selbstbestimmung zu gehen. Wir als SVP haben die Verantwortung für dieses Land.
Onorevole Karl Zeller wies in
Onorevole Karl Zeller wies in der Diskussion zur Selbstbestimmung am "Runden Tisch" (Rai Sdt:) u. a. auf die in der Verfassung festgeschriebene territoriale Einheit Spaniens hin und leitete daraus die völlige Unmöglichkeit der Abspaltung Kataloniens ab, es sei denn, Spanien würde einwilligen und die Katalonen, so sie es tatsächlich mit großer Mehrheit wünschten, freiwillig ziehen lassen.
Szenenwechsel: In der italienischen Verfassung steht Vergleichbares geschrieben: "La Repubblica è una e indivisibile". Was für Spanien gilt, dürfte wohl auch für Italien gelten. Oder vielleicht doch nicht, Herr Senator? Ergo: Wenn Italien Südtirol nicht freiwillig ziehen lässt, dürfte das territoriale "Los von Rom" nach politisch-menschlichem Ermessen auf lange Sicht nicht umsetzbar sein.
Dennoch: Zur Ebnung dieses Weges könnte Wien insofern beitragen, als dass es seinerseits auf den österreichischen Teil Tirols im Sinne einer Wiedervereinigung der beiden Landesteile verzichtet und gemeinsam mit Italien für ein neues Staatsgebilde von Kufstein bis Salurn (oder Riva) eintreten würde. Dieser Weg käme den Forderungen aller Südtiroler Parteien ein großes stückweit entgegen. Die Nord- und Osttiroler müsste man von der Güte dieser Option halt noch überzeugen. In Sachen Option sind wir ja erfahren.
wenn das so klar ist, dass
wenn das so klar ist, dass "Menschenrechte in Südtirol [gelten] und das Recht auf Selbstbestimmung in den Statuen der SVP [steht]", warum hat dann dieselbe SVP einen gleichlautenden beschlussantrag vor zwei jahren noch abgelehnt?
In reply to wenn das so klar ist, dass by Harald Knoflach
http://www
http://www.brennerbasisdemokratie.eu/?p=11256
Der Vergleich mit den
Der Vergleich mit den österreichischen Bundesländern fährt geradezu auf dem Rollstuhl. Denn erstens ist die Autonomie die Grundlage für den Verbleib Südtirols bei Italien — und zu dieser Autonomie gehört eine angemessene finanzielle Ausstattung. Ähnliches gilt für die österreichischen Bundesländer nicht. Zweitens wissen die österreichischen Bundesländer, wofür sie zahlen, nämlich für einen finanziell weitgehend gesunden Staat — während Südtirol Jahr für Jahr in ein schwarzes Loch einzahlt, das dennoch immer größer wird. Doch weitaus am wichtigsten ist drittens, dass es nicht sosehr um das Geld geht, sondern um Vertragstreue und Verlässlichkeit. Wenn österreichische Bundesländer mit Wien verhandeln, können sie sich auf Rechtssicherheit verlassen. Südtirol schließt mit Rom hingegen bald im Monatsrhythmus Abkommen, Memoranden und Vereinbarungen ab, die schon gebrochen werden, bevor sie überhaupt in Kraft sind. Nicht von ungefähr will ja Landeshauptmann Kompatscher, dass die neue Finanzvereinbarung mit Rom auch Wien unterzeichnet. Weiß denn jemand, wieviele Verfahren zwischen Wien und einem österreichischem Bundesland vor dem dortigen Verfassungsgericht hängig sind? Ich nehme an kein einziges.