Der Heilige Martin und das Engele Bengele
Regelmäßig geistern zugleich die Rechtspopulisten mit ihrer Panikmache durch die Medien. Es drohe der Verlust unserer Bräuche und Traditionen, warnen sie.
Insbesondere die Freiheitlichen, schwer angeschlagen nach dem Rentenskandal, nehmen nun jeden Anlass wahr, um mit xenophoben Sprüchen wieder in die Gänge zu kommen. Im Landtag nimmt das manchmal unerträgliche Ausmaße an. So behandelten wir vor Kurzem einen Beschlussantrag, der ein schreckliches Sammelsurium an Integrationshürden zusammenfasste, von der Unterbringung von Ausländern in separaten Gastarbeiterwohnheimen über das Gebetsraumverbot für Muslime bis hin zu verpflichtenden Sprachtests für die Einschreibung in den deutschen Kindergarten.
Auch heuer wieder bot kurioserweise gerade St. Martin, das Fest des Mannes, der seinen eigenen Mantel mit einem Armen geteilt hatte, Gelegenheit, um darauf hinzuweisen, dass wir es ihm auf keinen Fall gleichtun sollen. Dabei gibt es klare Zahlen, die besagen, dass die Südtiroler Bräuche in den Schulen keineswegs in Gefahr sind. Wenn schon, könnte man die Frage stellen, inwieweit konfessionelle Rituale überhaupt in den Schulalltag hineinspielen sollen. Aber die Martinslegende als für Kinder gut begreifbare Metapher der Solidarität mit Ärmeren will ich ungern in Frage stellen.
Was ich erzählen möchte, ist indessen eine Erfahrung, die ich selbst in meinen Jahren als Lehrerin gemacht habe. Ich unterrichtete in einer ersten Klasse Mittelschule, und „wegen der einfacheren Organisation“ waren alle Kinder mit Migrationshintergrund in einer einzigen Klasse, meiner ersten Klasse, zusammengelegt worden. Es war damals noch eher selten, mehrere Migrantenkinder in der Klasse zu haben und die Herausforderung war groß. Für uns Lehrpersonen, insbesondere. Die Kinder hingegen, die entwickelten sehr schnell eine besondere Sensibilität.
Mir wurde das bewusst, als ich Ende November in der Klasse das Thema aufwarf, ob die Klasse denn traditionsgemäß im Advent das „Engele-Bengele-Spiel“ spielen wollte. Sogleich kam von den SchülerInnen die Frage, ob das denn für die Muslimen unter ihnen passen würde. Ich hatte gar nicht daran gedacht, sie aber schon. Es entspann sich aus dieser Frage eine interessante Unterrichtseinheit, in der wir über Bräuche und Traditionen sprachen, Unterschiede und Gemeinsamkeiten herausfanden, den tiefen Sinn von manchen Ritualen analysierten – und vor allem aber feststellten, dass die Vielfalt in dieser Klasse nicht nur einen komplizierteren Alltag bedeutete, sondern auch einen besonderen Reichtum. Diesen Reichtum habe ich dann noch öfters genutzt und die Expertise der Migrantenkinder bei anderen Themen eingeholt. So erfuhr diese Klasse, wie die Toten in Albanien, Makedonien, Pakistan und Marokko bestattet werden, wie die Sonntage gefeiert werden, wie unterschiedlich Familienbeziehungen sein können oder auch warum einige Wochen lang manche von ihnen am Morgen schon nach Essen rochen.
Mir ist geblieben, dass das Auskommen miteinander in erster Linie eine Frage des Erfahrens ist, der Übung, der Neugier und des Aushandelns. Konflikt, Schwierigkeit, Auseinandersetzung, das alles ist Teil dieses Aushandelprozesses. Er wird nicht stattfinden, wenn es keine Begegnung gibt, sondern Ausgrenzung und Ablehnung. Das mag kurzfristig vielleicht sogar der leichtere Weg sein, aber wo immer er in Europa begangen wurde, hat er sich schlimm gerächt. Daher will ich weiterhin auf Begegnung setzen.
In meiner Klasse hat man sich übrigens damals, am Ende der Stunde, einstimmig für das Engele-Bengele entschieden. Dabei haben auch die muslimischen Kinder Geschenke mitgebracht und eingeholt. Das Christkind hat eben auch seine Vorteile, fanden sie.
"Wenn schon, könnte man die
"Wenn schon, könnte man die Frage stellen, inwieweit konfessionelle Rituale überhaupt in den Schulalltag hineinspielen sollen. Aber die Martinslegende als für Kinder gut begreifbare Metapher der Solidarität mit Ärmeren will ich ungern in Frage stellen."
Solche Aussagen sind zwar mit denen der Freiheitlichen nicht zu vergleichen, aber irgendwie kommen links gesinnte Politiker auch nie drum rum sich solche Sätze zu sparen... Der heilige Martin (der nach dem Beispiel Jesu) gehandelt hat ist ja an sich schön und gut, wäre da nur nicht diese Sache mit den Glauben dazwischen. Natürlich kann man ein guter Mensch und Bürger (Stichwort Schulerziehung zum selben) komplett ohne Religion sein, aber ist wirklich etwas schlechtes daran wenn man (zu mindest) auf diese Art über Glauben in der Schule spricht?
Von mir aus gesehen nicht!
In reply to "Wenn schon, könnte man die by Mensch Ärgerdi…
Hab ein + vergeben, hatte die
Hab ein + vergeben, hatte die Antwort nicht richtig interpretiert. Möchte schon hinterfragen, ob Staat und Glaube, Schule und Religion zusammengehören. Würde eine klare Trennung nicht, weltweit, viel Leid ersparen? Könnte Religion etwas ganz Persönliches sein und unter der Symbolik verstanden werden? Würde eine einfache, klare Erziehung zur (Mit)menschlichkeit, ohne wenn und aber, unter Berücksichtigung der eigenen Würde und Liebenswürdigkeit nicht transparenter sein?
In reply to Hab ein + vergeben, hatte die by Oskar Egger
Religion ist nicht (nur!)
Religion ist nicht (nur!) etwas ganz persönliches, sie setzt eine Gemeinschaft von Menschen voraus, die sie untereinander teilen. Staat und Glaube gehören klar getrennt, überhaupt in Hinsicht auf mögliche direkte oder indirekte Diskriminierungen von Leuten die keinen oder einen anderen Glauben haben, aber das bedeutet nicht, dass man zwangsweise diesen Teil des gesellschaftlichen Lebens komplett ausblenden sollte. Warum eigentlich?
Ich hatte als Kind immer eine große Freude bei den Umzügen und die Geschichte von heiligen Martin hab ich im Religionsunterricht gehört und erklärt bekommen, was ist falsch daran auf dieser Weise etwas über Altruismus zu lernen?
In reply to Religion ist nicht (nur!) by Mensch Ärgerdi…
P.S. Man kann aus den + immer
P.S. Man kann aus den + immer noch ein - machen.
In reply to P.S. Man kann aus den + immer by Mensch Ärgerdi…
Nein, kein - :). Ich hab eben
Nein, kein - :). Ich hab eben bei der "Gemeinschaft, die die religiöse Überzeugung teilt" echt Probleme. Auch ich hab Martin, vor allem bei den Kindern genossen, zu meiner Zeit, gab es so Heiteres auch im Religionsunterricht nicht und vielleicht kommt meine Skepsis gerade aus dem Rückblick. Dennoch ist die strukturelle und psychische Vereinnahmung gerade in Fragen der Transzendenz und des Glaubens Fakt. Eugen Drewermann erklärt das wunderbar auch im Hinblick auf die Dogmen. Er wurde der Predigt enthoben, obwohl er einer der intelligentesten, weisesten, belesendsten Christen ist und genau das meine ich.
In reply to Nein, kein - :). Ich hab eben by Oskar Egger
Wieso hast du mit der Idee
Wieso hast du mit der Idee der Gemeinschaft Probleme?