Society | Verkehr

Ja kein Stau!

Das eigentlich Problem ist nicht der Verkehrsstau, sondern der Stau im Kopf
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LKW-Stau
Foto: wiki

Mit dem Verkehr ist es in Südtirol wahrlich ein Fluch: Auf der einen Seite sind jedes Auto und jeder LKW, die durchs Land rollen, bares Geld für das Land. Ob Autobahnmaut, Tanken, Kaufkraft oder Touristen: Für Südtirol rollt das Geld im wahrsten Sinne des Wortes. Auf der anderen Seite ist diese Verkehrslawine ein handfestes Problem, das blöderweise nur jene erkennen, die nicht gerade an den Schaltern der Macht sitzen und die auch nicht unbedingt die Lobbys hinter sich haben, sondern in der öffentlichen Wahrnehmung - wie so oft - eher als die Hinterwädler gelten.

Ja kein Stau...

Das größtmögliche Schreckensszenario in dieser Idylle ist der Stau, also jene Situation, wenn scheinbar nichts mehr geht und alles still steht. Besonders die Geschäfte. Das Perfide daran ist: Denjenigen, die effektiv nichts von diesem ganzen Verkehrsaufkommen haben, jagt man das Schreckengespenst Stau auch noch dadurch ein, indem man unterstelt, dass ein Stau umwelttechnisch sogar noch schlimmer sei als der rollende Verkehr. Schön wenn das denn nur so wäre. Fakt ist: Natürlich zieht jede Kapazitätserhöhung durch Abbau der verkehrstechnischen Widerstände entlang einer Verkehrsader den Verkehr drastisch an. Und dass dann, wenn mehr Verkehr rollt, plötzlich weniger Emissionen der Fall sein sollen, ist ein Fall für die Märchenstunde.

Am schlimmsten ist allerdings der Stau im Kopf. Also der Gedankenstau. Wenn man alles glauben muss und sich auch noch selbst einredet, dass ein Stau durchwegs schlecht sei. Da weiß man nämlich, dass 55% des Verkehrs über den Brenner Mehrweg- und Umwegverkehr ist. Und dann soll auch noch alles dafür getan werden, damit dieser Verkehrs schnell durchrollt, sich ja keine Alternativroute sucht und man ja auch weiterhin daran verdient.

Warten auf bessere Zeiten?

Auf Nordtiroler Seite will man sich inzwischen nicht mehr mit dem Warten auf bessere Zeiten oder anders gesagt mit dem Warten auf den Brennerbaistunnel begnügen. Da werden mitunter auch drastische Schritte gegen diese Dynamik unternommen, die uns einreden will, wir müssten uns alle damit begnügen, dass es ständig mehr Verkehr wird und wir nichts dagegen tun könnten.

Und selbst auf Südtiroler Seite, wo man verkehrspolitisch Jahrzehnte hinten nach ist, wird aufseiten der Landesregierung der zögerliche und äußerst vorsichtige Versuch unternommen, eine Mauterhöhung zumindest ab Fertigstellung des Brennerbasistunnels in den Raum zu stellen. Das ist die eigentliche Revolution im Kopf in Südtirol, also der Punkt, an dem man sich endlich selbst eingesteht, dass ein Tunnel durch den Berg alleine noch gar kein Problem löst, sondern, dass verkehrstechnische Rahmenbedingungen nötig sind, die den Verkehr auf die Schiene zwingen und die heute - wieso auch immer - bewusst ausbleiben. So als ob die Schiene heute an ihrer Kapazitätsgrenze stehen würde.

Gegen den Stau im Kopf!

Natürlich wäre es ein Problem, wenn Südtirol den Anschluss an die Welt verlieren würde, weil nur noch Stau herrscht. Das wäre gleichzeitig auch eine Menschheitsentwicklung, an die man nicht glauben wil. Dass nämlich 55% der Durchreisenden, die eigentlich besser andere Routen wählen sollten, auch weiterhin aus purer Gewohnheit über den Brenner fahren und zu dumm sind, sich eine andere Routen zu suchen, ist wohl wieder ein Fall für das Märchenbuch. Dass prinzipiell jene, die an den Schaltern der Macht sitzen, gar nichts anderes können, als sich täglich vor den Umständen zu ergeben. Dass die geistige Beweglichkeit ausbleibt, sich Alternativen auszudenken.

Fakt ist doch: Das Verkehrsaufkommen ist ein Problem für Mensch, Tier, Pflanzenwelt, Gewässer, Gesundheit, Luft, Lärm, Boden, Nahrungsmittelversorgung, Landwirtschaft, Lebensqualität, Attraktivität, Eros und und und. Fakt ist auch: Die Schiene ist heute wirtschaftlich gegenüber der Straße nicht annähernd konkurrenzfähig. Eine Politik, die das weiß, die dabei ohne schlechtes Gewissen tatenlos zusieht und sich damit begnügt, auf bessere Zeiten zu warten, kommt erstens ihrem ureigensten Auftrag nicht mehr nach und ist zweitens auch nicht mehr im Besitz ihrer politischen Kräfte.