Society | Fall Kuhn
Der Rückzieher des Maestros

Foto: Haydn Orchester
Markus Wilhelm nimmt es sportlich und verweist süffisant auf den Lebenslauf von Gustav Kuhn. „Der angebliche Segelweltmeister streicht die Segel“, meint der Nordtiroler Aufdecker. Die (Schaden)Freude ist durchaus verständlich. Denn Markus Wilhelm ist dabei einen Sieg auf ganzer Linie einzufahren.
Die Geschichte ist hinlänglich bekannt. Wilhelm hat mehrere Skandale um den Musiker und Dirigenten Gustav Kuhn und dessen Festspiele Erl aufgedeckt. Die Enthüllungen haben nicht nur Ermittlungen der Bezirkshauptmannschaft Kufstein und der Tiroler Staatsanwaltschaft mit sich gezogen, sondern auf Wilhelm ist auch eine Art Klage-Tsunami zurückschwappt. Fast 20 Klagen wurden gegen den Tiroler Aufdecker in den vergangenen dreieinhalb Jahren eingebracht. Dabei hat sich aber in allen Verfahren gezeigt, dass fast alle Beschuldigungen Wilhelms Substanz haben.
Auch deshalb kommt es jetzt zu einer durchaus unerwarteten Wende. „Der einst so streitsüchtige wie siegessichere Angreifer kommt mit der weißen Fahne angerannt“, meint Markus Wilhelm
In seinem Blog „die.tiwag.org“ schreibt er: „Gustav Kuhn, der zusammen mit seiner Frau insgesamt zehn heftige Klagen gegen mich eingebracht hat, hat nun über seinen Anwalt recht kleinlaut anfragen lassen, ob wir die drei noch laufenden Verfahren nicht bitte beenden, juristisch gesprochen: auf ewig ruhen lassen könnten.“ Und weiter: „Wie könnte ich da nein sagen, wenn der Rückzieher von ihm kommt?“
Gustav Kuhn ist sogar bereit, den von Markus Wilhelm geforderten pauschalen Kostenbeitrag für die Prozesseinstellung zu zahlen.
9:1
Bisher wurden zehn Prozesse verhandelt, die Gustav Kuhn und seine Frau gegen Markus Wilhelm angestrengt haben. Davon hat Kuhn nur einen gewonnen. Und das auf einem Nebenschauplatz.
Es geht dabei um die inzwischen durchaus nachgewiesenen Plagiate in Kuhns Dissertation. Markus Wilhelm hatte die Dissertation eingescannt und als Ganzes online gestellt. Was er nach dem Urheberrecht nicht hätte tun dürfen. „Dieses Verfahren ist das einzige, das Gustav Kuhn gegen mich gewonnen hat“, sagt der Ötztaler Publizist. Dazu kommt noch ein Vergleich in einer Streitsache, in dem es um einen Strafbescheid ging.
Alle anderen Verfahren haben Markus Wilhelm und „die.tiwag.org“ entweder gewonnen oder der Kläger hat die Strafanzeigen zurückgezogen. So wie im Hauptverfahren. Nach dem Vorwurf wegen sexueller Übergriffe gegen Kuhn und den gerichtlich protokollierten Aussagen zweier Opfer, hat der langjährige Leiter des Bozner Haydnorchesters kurz vor der Urteilsfindung des Gerichts seine Anzeigen zurückgezogen.
Mit einer weiteren Klage wollte Kuhn eine von Wilhelm nie geplante Veröffentlichung von Details aus dem Akt eines deutschen Familiengerichts verhindern. Diesen Prozess hat Gustav Kohn sowohl beim Landesgericht als auch beim Oberlandesgericht verloren. In diesen beiden Instanzen haben Gustav Kuhn und seine Frau Christin Kirn auch zwei weitere Strafanzeigen verloren, die sie gegen Wilhelm und seine Berichterstattung eingebracht haben.
Derzeit behängen demnach nur noch drei Zivilverfahren, die Kuhn gegen Wilhelm eingebracht hat. Es sind jene drei Verfahren, die Kuhn jetzt lieber eingestellt haben will.
Und auch dafür gibt es augenscheinliche Gründe.
Plagiate & Belästigung
In einem Verfahren geht es dabei um die Plagiate in Kuhns Dissertation (Streitwert: 50.000 Euro). Markus Wilhelm hat diesen Prozess sowohl beim Landesgericht als auch beim Oberlandesgericht gewonnen. Doch der Oberste Gerichtshof hat diese Entscheidungen aufgehoben und zur Neuverhandlung an das Landesgericht Innsbruck zurückverwiesen.
Dass der Kläger jetzt aber freiwillig einen Rückzieher macht, hat einen klaren Hintergrund.
Markus Wilhelm hat im laufenden Verfahren ein Gutachten des Plagiatsexperten Gerhard Dannemann von der Humboldt-Universität Berlin vorgelegt, der zum Schluss kommt, dass das Ausmaß der Plagiate in Kuhns Doktorarbeit mit denen in der Dissertation der früheren deutschen Bildungsministerin Annette Schavan vergleichbar ist. Schavan hat man bekanntlich den Doktortitel der Universität Düsseldorf entzogen.
Eine ähnliche Dynamik gibt es auch im zweiten noch laufenden Zivilverfahren, in dem es um den Vorwurf der sexueller Belästigung (Streitwert: 60.000 Euro) geht.
Nachdem die im Bundeskanzleramt angesiedelte Gleichbehandlungskommission des Bundes in allen fünf von ihr geprüften Fällen zum Schluss gekommen ist, dass es von Seiten Gustav Kuhns – zum Teil mehrfach – zu sexuellen Übergriffen gegenüber in Erl tätigen Künstlerinnen gekommen ist, will sich Gustav Kuhn einer öffentlichen Konfrontation mit diesen Frauen vor Gericht nicht mehr aussetzen.
Nachdem die im Bundeskanzleramt angesiedelte Gleichbehandlungskommission des Bundes in allen fünf von ihr geprüften Fällen zum Schluss gekommen ist, dass es von Seiten Gustav Kuhns – zum Teil mehrfach – zu sexuellen Übergriffen gegenüber in Erl tätigen Künstlerinnen gekommen ist, will sich Gustav Kuhn einer öffentlichen Konfrontation mit diesen Frauen vor Gericht nicht mehr aussetzen.
Die Geldstrafe
Auch im dritten und letzten Zivilverfahren hat Gustav Kühn äußerst schlechte Karten in der Hand. Es geht hier um den Vorwurf arbeitsrechtlicher und abgabenrechtlicher Verstöße bei den Festspielen Erl (Streitwert: 70.000 Euro).
Markus Wilhelm hatte eine massenhafte illegale Ausländerbeschäftigung bei den Festspielen in Erl aufgedeckt. Aufgrund dieser Veröffentlichung sind das landesamtliche „Arbeitsmarktservice“ (AMS) und die Finanzpolizei aktiv geworden und haben schließlich einen entsprechenden Strafantrag bei der Bezirkshauptmannschaft Kufstein eingebracht.
Die BH Kufstein hat nach einer langen Ermittlung in Sache eine Straferkenntis gegen Gustav Kuhn erlassen.
In dem Strafbescheid heißt es:
„Es entwickelte sich unter der Verantwortung des Beschuldigten bei der Beschäftigung drittstaatsangehöriger Künstler aus nicht (mehr) eruierbaren Gründen eine Praxis, die schlichtweg nicht mit den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes in Einklang zu bringen ist. (…)
Aus dem Umstand, dass die nicht den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes entsprechende Beschäftigung bzw. Inanspruchnahme ausländischer Künstler über einen längeren Zeitraum von den zuständigen Behörden unerkannt blieb, kann für den Beschuldigten nichts gewonnen werden. (…)
Aus dem Umstand, dass die nicht den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes entsprechende Beschäftigung bzw. Inanspruchnahme ausländischer Künstler über einen längeren Zeitraum von den zuständigen Behörden unerkannt blieb, kann für den Beschuldigten nichts gewonnen werden. (…)
In all diesen Jahren (d.i. seit 2005) vermochte der Beschuldigte hinsichtlich der Beschäftigung von drittstaatsangehörigen Künstlern und der Einhaltung der damit im Zusammenhang stehenden Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes kein wirksames Kontrollsystem zu etablieren.“
Die Behörde hat am Ende eine Geldstrafe von 177.100 Euro gegen Gustav Kuhn und die Festspiele Erl ausgestellt. Dabei wurden nur die Straftaten bei den Winterfestspielen 2017/2018. „Frühere Zeiträume sind von der Behörde gnädiger Weise gar nicht untersucht worden“, sagt Markus Wilhelm. Sollte die Geldstrafe uneinbringbar sein – so die Bezirkshauptmannschaft, tritt an deren Stelle eine Haftstrafe von dreieinhalb Monaten.
Sollte Gustav Kuhn nicht zahlen, muss die Tiroler Festspiele GmbH die Strafe berappen.
Der Rückzug
Gustav Kuhns Rechtsanwalt Michael Krüger hat jetzt in allen drei Fällen Ruhensanzeigen („Ruhen des Verfahrens unter Fortsetzungsverzicht“) vor Gericht deponiert.
Damit ist von den in der Causa Erl gegen Markus Wilhelm erhobenen achtzehn Klagen nur mehr eine anhängig.
„Es handelt sich dabei um jenes Zivilrechtsverfahren, das die Tiroler Festspiele Betriebsges.m.b.H., sprich Hans Peter Haselsteiner, wegen meiner Kritik an den arbeitsrechtlichen Zuständen und abgabenrechtlichen Missständen in Erl seit bald drei Jahren gegen mich führt und die inhaltlich völlig identisch mit der jetzt fallen gelassenen Klage Kuhns gegen mich ist“, erklärt Wilhelm.
In diesem Verfahren haben bisher sieben Verhandlungen ohne wesentlichen Fortschritt in der Sache stattgefunden. Diese Klage behängt derzeit noch. Für die nächste Verhandlung will das Gericht Gustav Kuhn vorladen. Markus Wilhelm hat den Maestro als Zeugen aufgerufen.
„Es handelt sich dabei um jenes Zivilrechtsverfahren, das die Tiroler Festspiele Betriebsges.m.b.H., sprich Hans Peter Haselsteiner, wegen meiner Kritik an den arbeitsrechtlichen Zuständen und abgabenrechtlichen Missständen in Erl seit bald drei Jahren gegen mich führt und die inhaltlich völlig identisch mit der jetzt fallen gelassenen Klage Kuhns gegen mich ist“, erklärt Wilhelm.
In diesem Verfahren haben bisher sieben Verhandlungen ohne wesentlichen Fortschritt in der Sache stattgefunden. Diese Klage behängt derzeit noch. Für die nächste Verhandlung will das Gericht Gustav Kuhn vorladen. Markus Wilhelm hat den Maestro als Zeugen aufgerufen.
Ob dazu aber kommen wird, ist mehr als fraglich. Gustav Kuhn lebt derzeit in seinem Kloster in der Toskana.
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