Culture | Salto Afternoon

Die Deutung neuer Zeichen

Den Stil von Gábor Takács-Nagy kann man getrost als enthusiastisch bezeichnen. Das erste Aufeinandertreffen mit dem Haydn Orchester war von seinem starken Gestus geprägt.
Haydn/Takács-Nagy
Foto: Stiftung Haydn von Bozen und Trient
Den Anfang des Symphoniekonzerts im Bozner Auditorium machte Felix Mendelssohn Bartholdys Ouvertüre „Die Hebriden“. Es waren ausgelassene Schönwetterhebriden, in welchen der Stil des Dirigenten - ohne Taktstock, dafür mit Beinarbeit auf die Musiker zu, starker Gestik und stetem Blick - das wiederkehrende, absteigende Wellenmotiv des Stückes, erst an den Bläsern, dann, gegen Ende, für die Streicher adaptiert, kontrastreich beschwor. Fordernd und regulierend war der Dirigent, welcher auch als Geiger tätig ist, in direktem Dialog mit den Musikern. Eine Fremdheit oder ein Kennenlernen war nicht zu sehen und zu hören. Die klare Sprache Takács-Nagys führte zu einer klaren Sprache des Orchesters.
Joseph Haydns „Symphonie Nr. 99 in Es-Dur“ zeigte den Dirigenten im Auftakt von tänzerischer, fast schauspielerischer Seite: Nach kraftvoller Pauke weckte er behutsam nach und nach die Orchestersegmente und zeigte, wie dessen Musik in seinen Körper überging: Keine praktische Funktion und kein Signal nach außen konnte der, nur an der Ferse aufsitzende, fast unmerklich wippender Fuß sein, der den Übergang vom „Adagio“ ins „Vivace assai“ zelebrierte. Freude strahlendes Spiel auf beiden Seiten konnte man beobachten. Den zweiten „Adagio“ Satz, dessen große Zärtlichkeit vor allem den glasklaren Bläsern geschuldet war - man orchestriert Haydn beim Haydn mit Klarinette - beging man mit punktuellen, kraftvollen Kontrasten. Das „Menuette“ des dritten Satzes, auf welches ein Rondo im „Finale“ und ein weiteres Menuette im 3. Satz von Mozarts Symphonie Nr. 39 passte wie die Faust aufs Auge zum Stil des Dirigenten. Dabei gab er sich auch verspielt: Den Einsatz der Hörner wippte er mit vor den Armen verschränkter Brust mit. Das ausgesprochen freudige Finale im Rondo wiegelte sich schließlich zum Triumph auf, der Dirigent forderte im direkten, wortlosen Dialog Feinheiten in der Spielweise der Streicher ein. Beim Zwischenapplaus gab es - auch das ist Kommunikation - Daumen nach oben nach links und rechts und einen Post-it an die zweite Cellistin.
 
 
Die Freude wirkte etwas getrübt bei der bereits angekündigten und mit der Klarinetten-Besetzung angenäherten „Symphonie Nr. 39 in Es-Dur“ Wolfgang Amadeus Mozarts, aus dem Spätwerk. Die „Adagio“ Einleitung die zum „Allegro“ überging (ein spätes Zugeständnis an die Haydnsche Praxis des Symphonieaufbaus), lies bereits in einigen Punkten etwas von den verarmten Umständen, unter welchen sie entstanden war, erhorchen. Beginnend mit einem bombastischen Paukenschlag, sind minimale Tremoli an den Geigen, etwas vom Wenigen, womit der maximalistische Stil des Dirigenten nicht zusammenpasste. Kleine Feinheiten bei Mozart kamen in der Aufführung etwas zu beiläufig zu Ton. Im zweiten, „Andante con moto“ getakteten Satz, eine schwelgerisch-nostalgische Emotion, die erst exklusiv von Streichern getragen, dann, fast zögerlich mit Fagotten und Oboen ergänzt wurde. Dem plötzlich einsetzenden „con moto“, griff ein Stampfen des Dirigenten um einen Moment vorweg. „Menuette“ Nummer zwei des Abends war verhaltener als das erste, doch auch von rhythmischer Klarheit: Der Klang wurde von den Streichern mehr und mehr aus der Hand gegeben und von den Flöten weitergetragen. War vorher, bei Haydn, noch der Anklang eines Kontertanzes zu hören, war es bei Mozart ein Ländler, den man heraushörte und der im Vergleich schwerfälliger klang. Das „Allegro“, welches den Abend beschloss wurde zwar mit Anklängen eines Rondos aufgetragen, wandelte aber seine Form, Takács-Nagys forderte mit schulmeisterlichem Fingerzeig letztmalig Feuer bei den Streichern ein, Lippenbewegungen für ein, zwei Worte ans Orchester waren zu sehen. Das Ende der Symphonie ein für den Abend ausgesprochen schlichten Ausklang, ein schwindender Ton, klein und kleiner gespielt, direkt nach einem letzten Umblättern.
Großzügiger Applaus aus dem voll besetzten Auditorium schloß das für den Hörfunk aufgezeichnete Konzert ab. Zu Sehen wird die sportliche Performance des 66-jährigen Ungarn dabei nicht sein.