Culture | Umwelt und Ästhetik

Schöne Umgebung, glückliche Touristen?

Um unser Land sollen wir uns kümmern, nicht in dem wir es bebauen, sondern in dem wir es funktionell und ästhetisch gestalten. Türmchen, Erker uns Säulen sind das nicht.
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Foto: The Skolz

Der Tourismus in der Region Trentino-Südtirol kennte keine Krise. Oder, um es etwas genauer zu formulieren: In Gegenden, wo es ohnehin schon gut läuft, nimmt die Zahl der Übernachtungen weiterhin zu, was jedoch nicht unbedingt gleichbedeutend ist mit größerem Wohlstand für die Einheimischen. Gegenden wiederum, denen es nicht so gut geht, tun sich schwer, mitzuhalten. Ich denke hier vor allem in jene Bergregionen, wo es viel Abwanderung gibt. Ohne jetzt auf einzelne Gebiete eingehen zu wollen, möchte ich hier wieder einmal darauf pochen, wie wichtig es ist, dass wir uns um unser Land kümmern. Sich kümmern heißt nicht, durch jeden Berg einen Tunnel zu graben, jede Straße zu verbreitern und die Bequemlichkeit des Touristen bedingungslos über alles andere zu stellen.  Ein solcher aus den Fugen geratener Stierhunger bekommt, wenn man nicht aufpasst, schnell selbstmörderische Züge. Wir wissen ja längst, dass sich das Auge an alles gewöhnt, auch an das Verschwinden von Schönheit und Anmut. Wir gewöhnen uns an das Schlimmste, und das Schlimmste führt früher oder später zur Zerstörung. Und ich frage mich: Fehlt es unserer Bevölkerung einfach nur an Sensibilität, oder müsste die Provinzial- und Gemeindepolitik stärker eingreifen? Vielleicht ist beides richtig. Tatsache jedenfalls ist, dass gewisse Entwicklungen im privaten und kommunalen Bereich allen Grund zu Sorge bieten. Es geht mir hier nicht nur um Ästhetik, Modernität oder Tradition. Wenn zum Beispiel die Grundlage einer bestimmten Maßnahme nicht Kultur ist, mit einer scharf umrissenen Vision, dann kann es keine sensible Herangehensweise geben, die aber bei immer und in jedem Fall nötig ist, wenn etwas Gutes und Richtiges geschaffen werden soll. Aufgrund der vielen Schlupflöcher in den städtebaulichen Verordnungen folgt auf den Schaden dann auch noch der Spott: Denn selbst das grässlichste Bauvorhaben kann von niemandem und erst recht nicht von der Provinz gestoppt werden, die Gesetze und der kommunale Bebauungsplan eingehalten werden. Zugegeben: Viel ist schon getan und verbessert worden, Bauten und Bauvorhaben sind heute definitiv besser als noch vor ein paar Jahren. Doch immer noch gibt es in Sachen Makro- und Mikromaßnahmen jede Menge zu tun. Mir geht es hier vor allem um die einzelnen Gemeinden, die einiges mehr tun könnten. Nehmen wir als Beispiel nur das Gesetz zum Ensembleschutz, das vorsieht, dass jede Gemeinde eine Liste mit derartigen schützenswerten Gesamtanlagen aufstellt. Warum aber tun die meisten Gemeinden so, als hätten sie davon nie etwas gehört?
Der Tourist ist nicht nur ein Konsument, und obwohl Fremdenverkehr ein Geschäft ist, darf der Gast nicht schlicht als Geldesel betrachtet werden. Schönheit ist nicht das Ergebnis einer romantischen Vergangenheit, und wenn wir eine Zukunft wollen, dann müssen wir sie uns auch unter kulturellen Aspekten gründlich überlegen. Diese Architektur, in der Türmchen und Erker, Säulen und „Schlössl“ triumphieren, wurde am Zeichentisch entworfen, um unserer Einkommensquelle „Tourist“ etwas zu bieten. Doch was ist mit uns, die wir hier leben? Gefällt uns das? Ich denke zum Beispiel an die Dorfplätze. In touristisch hoch entwickelten Orten haben diese Dorfplätze ihren Sozialisierungscharakter eingebüßt. Es gibt dort kaum noch echte Begegnungsmöglichkeiten zwischen den Menschen, die dort leben. Zwischen Gästen und Gastgebern. Und zwischen den Gästen selbst. Eigentlich müsste ein Architekt heute auch Psychologe und Soziologe sein: einfach nur einen Leerraum zu möblieren, ist nicht genug, und Spekulationsinteressen dürften ohnehin keinen Platz in seinen Gedanken haben. Klar, auch in diesem Bereich gibt es einige gelungene Beispiele. Mir fallen zum Beispiel der dem Schriftsteller Norbert C. Kaser gewidmete Platz in Bruneck ein und einige wirklich lobenswerte Hotels und öffentliche Bauten.
Gut zu bauen tut not: Ein Bau muss mit seiner Umgebung interagieren und sich darin integrieren. Nur so wird jenes Gleichgewicht geschaffen zwischen den Menschen und dem Raum, in dem sich bewegen, welches für das Zusammenleben so fundamental bedeutend ist. Als Beispiel dafür kann uns der Architekt Caminada dienen, der aus dem Bergdorf Vrin im Engadin eine echte Perle gemacht hat, in dem sich Funktionalität und Ästhetik perfekt miteinander verbinden. Es stimmt, dass besonders angesagte Tourismusgebiete einen immer größeren wirtschaftlichen Erfolg haben. Doch welcher Art ist dieser Erfolg? Oder wer profitiert wirklich davon? Wenn dieser Erfolg auf Kosten eines gemeinsamen Schönheitsempfindens geht, welchen Nutzen kann er dann der Gemeinschaft, den Menschen, die dort das ganze Jahr über leben, überhaupt noch bringen? Ob ein Mensch glücklich ist, hängt auch von der Umgebung ab, in der er lebt. Eine gute Planung sowie das gute Erhalten dessen, was wir bereits haben, muss alle interessieren, nicht nur Architekten, Unternehmer und Politiker. Wenn wir keine Schönheit bieten, wird auch die Schönheit rings um uns herum ganz eindeutig leiden.
 

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kurt duschek Wed, 01/11/2017 - 07:34

Lieber Michil Costa, ein großes Kompliment für Deine Dedanken und Überlegungen. Es freut mich, wenn ein Hotelier nachdenkt, überlegt,Vorschläge unterbreitet und vor allem selbst handelt und nicht jammert! Der Hotelier und Touristiker sollte wieder viel mehr kundenorientiertes Denken im Alltag einsetzen, Unternehmer sein und nicht bei jedem Problemchen nach Hilfe durch das Land rufen. Habe mich über Deinen Artikel gefreut und teile absolut Deine Ansichten!

Wed, 01/11/2017 - 07:34 Permalink