Von der Schulbank auf die Leinwand
Es klingt wie der Traum eines jeden Jungschauspielers: Der Rittner Samuel Girardi spielt im Kinderfilm Amelie rennt, der auf der diesjährigen Berlinale vorgestellt wird, die Hauptrolle des Barts. Im salto.bz-Interview spricht er über Schauspielerdepressionen, berühmte Regisseure und Helikopterflüge.
Salto.bz: Wie wurdest du auf das Casting aufmerksam?
Samuel Girardi: Es begann damit, dass ich den Castingaufruf auf Facebook gelesen habe, mir aber auch gleichzeitig dachte Nein, dafür fahr ich doch nicht extra nach Meran. Freunde haben mich dann überredet und ich bin relativ spontan zum Casting gegangen, komplett ohne Erwartungen. Es lief überraschenderweise gut, weshalb ich nach München gerufen wurde, zu einem Recall mit dem Regisseur. Die meisten Anwärter waren jünger, zwischen 13 und 14 Jahren und somit auch ein ganzes Stück kleiner als ich. Auch meine potentiellen Spielpartnerinnen waren viel kleiner als ich. Da kam mir natürlich der Gedanke Ich bin wahrscheinlich in der falschen Altersklasse, aber hey, wenigstens war es eine coole Erfahrung. Dann erreichte mich aber der Anruf aus München und plötzlich hatte ich die Hauptrolle.
Weshalb wurdest du ausgewählt?
Das Team hatte keine genaue Vorstellung. Und es hat einfach alles gepasst.
Der Regisseur Tobias Wiemann beschreibt Samuel als „echte Erscheinung durch seine roten, lockigen Haaren, seine Größe und sein herzliches Lachen, aber absolut nicht der Bart, den ich mir vorgestellt hatte, sondern viel mehr als das.“
War „Amelie rennt“ dein erster Film?
Ich habe schon vorher im Film Fräulein von Caterina Carone mitgespielt. Das war allerdings eine kleine Nebenrolle. Ich habe einen lästigen Nachbarn gespielt, der mit Schnellbällen um sich wirft.
Wie war es für dich in einer so großen Produktion wie „Amelie rennt“ mitzuspielen und dann auch noch die Hauptrolle zu übernehmen?
Anfangs habe ich nicht wirklich realisiert, wie groß die Produktion ist, aber als ich zum Probenwochenende nach Berlin gefahren bin, dachte ich mir schon Okay, jetzt muss ich mich wirklich anstrengen. Man muss sich vor der Kamera nicht verstellen, sondern so natürlich wie möglich wirken. Das war am Anfang ziemlich schwierig, besonders, weil schon am ersten Tag die Schlussszene gedreht wurde und mein einziger Gedanke währenddessen war: Was? Sowas kann man doch in keinem Film zeigen! Aber mit der Zeit wächst man rein und es wird besser.
Wie hast du dich auf die Rolle vorbereitet?
Dadurch, dass ich die meiste Zeit in dem Hotel untergebracht war, in dem der Film spielt, war ich ununterbrochen im Ambiente des Films. Allerdings musste ich mich vor jeder Szenen immer wieder aufs Neue in den Charakter des Barts hineinversetzen. Das stand im krassen Gegensatz zu meiner Schauspielkollegin Mia, die die Rolle der Amelie spielt: Sie sprang herum, sang, konnte sich dann aber blitzschnell in ihre Rolle einfinden.
Was zeichnet deine Rolle aus?
Die Rolle des Bart zeichnet besonders aus, dass er seinen Vater in frühen Jahren verloren hat. Dadurch wurde er zu einem sehr verantwortungsbewussten Jugendlichen, der allerdings seine Fröhlichkeit behalten hat.
Kannst du dich mit Bart identifizieren?
Samuel und Bart haben ziemlich ähnliche Charakterzüge, aber es gab natürlich Momente, wo ich mir dachte Wieso sagt er sowas? Ich würde total anders reagieren! Aber wenn man einmal im Denken von Bart drinnen ist, versteht man, warum er so zurückgezogen ist und in einer gewissen Art und Weise handelt. Allerdings ist Bart manchmal übertrieben angespannt - etwas, was ich definitiv versuche zu vermeiden.
Du hast ja an der Seite von Schauspielern wie Denis Moschitto und Jasmin Tabatabai gespielt, die bereits in Kinofilmen wie Rubbeldiekatz und Fack ju Göhte 2 mitwirkten…
Alle waren sehr bodenständig und erst. Wenn man hört, wie bekannt deine Schauspielkollegen eigentlich sind, denkst du anders von ihnen. Aber ich konnte mich mit allen gut unterhalten, egal ob beim Frühstück oder beim Billard spielen. Die, die es kompliziert machen, sind die Medien, sie hypen jemanden extrem, einfach, weil er einen bestimmten Namen trägt und in irgendeinem Film mitgespielt hat. Das wurde mir auch klar, als ich in einem Film von Terence Malick mitspielte. Ich kannte ihn gar nicht und erst andere erklärten mir dann, wie berühmt er ist.
Wie waren die Dreharbeiten?
Als Hauptdarsteller wird man ziemlich verwöhnt. Am Anfang hat mich das genervt, ich kam mir unglaublich unselbstständig vor, weil mir in den Pausen sogar der Schirm gehalten wurde. Aber mit der Zeit versteht man, dass es schon Sinn macht: Jeder ist für etwas anderes zuständig und ich bin eben dafür zuständig in meiner Rolle zu bleiben und meine Leistung abzuliefern. Zudem konnte ich unglaublich viel erleben: Beispielsweise fuhren wir mit Quads oder folgen mit einem Helikopter zum Set. Das sind natürlich unglaubliche Momente, die man da erlebt, deshalb meinte der Regieassistent am letzten Tag zu mir: Pass auf, dass du nicht depressiv wirst! Anscheinend kommt es vor, dass Schauspieler in Depressionen verfallen, weil sie nach den Dreharbeiten eben nicht mehr im Mittelpunkt stehen.
War es schwierig, sich wieder in den normalen Alltag einzufügen?
Ich war ziemlich froh, wieder in der „normalen“ Welt anzukommen und meine Sommerferien mit meinen Freunden genießen zu können.
Ich bin immer noch der Samuel.
Strebst du jetzt eine Karriere als Schauspieler an?
Anfangs war ich sehr skeptisch, ich wusste nicht recht, ob ich so etwas professionell machen möchte. Der Druck, sich der Schauspielerei auszuiefern, ist sehr hoch, muss man sich doch immer wieder um Jobs bemühen. Aber prinzipiell würde mich eine Schauspielkarriere schon reizen.
„Amelie rennt“ wurde für die Berlinale in der Kategorie „Generation Kplus“ nominiert. Was erwartest du dir von der Berlinale?
Ehrlich gesagt, weiß ich nicht wirklich, was mich erwartet. Ich freue mich auf Berlin, weil es eine aufregende Stadt ist, und ich alle vom Set wiedersehen werde. Der rote Teppich ist natürlich ein besonderes Highlight.
Was sagen deine Freunde und Familie dazu, dass du jetzt auf der großen Leinwand zu bestaunen bist?
Als ich vom Dreh heimkam, war die erste Reaktion meiner Familie: So, Samuel, und du spülst jetzt ab!, sie erlaubten mir absolut keine Pause, was ich ganz gut fand. Ansonsten waren die Reaktionen unterschiedlich: Manche meiner Freunde wollten alles wissen, andere meinten nur: Und? Fühlst du dich jetzt als etwas Besseres? Aber prinzipiell haben sich alle gefreut. Und sonderlich verändert habe ich mich durch den Film ja nicht. Ich bin immer noch der Samuel.