Society | Promemoria_Auschwitz

Die Reise der Erinnerung.

Gedanken - Eindrücke
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Vorbereitung auf den großen Tag

Am Tag nach der Ankunft in Krakau besichtigten die Teilnehmer am Projekt „Promemoria_Auschwitz“ das jüdische Viertel Kazimierz, das Ghetto, sowie das Museum bei der Fabrik von Oskar Schindler.

In der Früh ging es los: Eine deutsche Führung erklärte den Jugendlichen, die in Gruppen aufgeteilt wurden, Wissenswertes und Interessantes über das Judentum in Krakau. Kazimierz war früher eine selbständige Stadt und durch den Fluss Weichsel von Krakau getrennt. Die Einwohner waren vorwiegend Juden. 1941 wurden diese jedoch von den Nazis in das Krakauer Ghetto getrieben. Alle Juden mussten sich bis zum 20. März dieses Jahres in den eigens für ihnen abgetrennten Bereich befinden. Dadurch mussten 15000 Personen auf engstem Raum zusammenleben, da dieser eigentlich nur für 3000 Leute vorgesehen war.

Die meisten Deutschen wollten mit den Juden nichts zu tun haben, da dies auch mit großen Schwierigkeiten und Strafen verbunden war. Es gab aber auch Ausnahmen: Tadeusz Pankiewicz und Oskar Schindler zählen zu ihnen. Tadeusz besaß eine Apotheke im Krakauer Ghetto und konnte durch seinen Einsatz  - er wehrte sich gegen eine Umsiedelung - vielen dort helfen. Oskar Schindler hingegen war ein sudetendeutscher Unternehmer, der eine Emaillewarenfabrik besaß. Dort stellte er vorwiegend Juden an, auch weil sie billigere Arbeitskräfte waren. Dadurch konnte er rund 1200 Juden vor dem Tod bewahren. Heute befindet sich in der ehemaligen Fabrik ein Museum zur deutschen Besatzungszeit Polens, die von 1939 bis 1945 dauerte. Auch dieses besichtigten die Teilnehmer und dank einer Führung erfuhren sie viel über diese Zeit.

Den Nachmittag konnten die Teilnehmer auf eigener Faust gestalten und dabei zum Beispiel die Stadt genauer erkunden. Am Abend hingegen besuchten sie zusammen eine Theatervorstellung, die sie zusammen mit dem Programm am Vormittag auf die Besichtigung des Konzentrations- und Vernichtungslager am folgenden Tag vorbereiten soll.

 

Es ist soweit!

Der traurige Höhepunkt der Reise „Promemoria_Auschwitz“ stand vor der Tür: der Besuch des Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz.

Hunger, Kälte, Schikanen: all dies mussten die Häftlinge des Lagers ertragen. 1,5 Millionen: Juden, Sintis, Homosexuelle, Romas, … Die Zahl? Unvorstellbar. Um das Leiden der unzähligen Gefangenen besser begreifen zu können, sollten die Jugendlichen deshalb das Lager in den Augen eines ehemaligen Häftlings sehen und seiner gedenken.

Am Vormittag besichtigten die Teilnehmer das Stammlager Auschwitz I und betraten Räume, die mit Schuhen, Brillen, Koffern und anderen persönlichen Dingen gefüllt waren. Gegenstände, die in Auschwitz Ermordeten gehörten; insgesamt über eine Million. Auch hier wieder: fassungslose Gesichter und leere Blicke. Viele Jugendliche sind in sich gekehrt und versuchen das Gesehene auf sich wirken zu lassen.

Beeindruckt sind sie auch von der Größe des Arbeitslagers Birkenau. Es erstreckt sich in einer Länge von zwei Kilometern und einer Breite von einem Kilometer. Die Häftlinge mussten in Baracken hausen, die eigentlich für Pferde vorgesehen waren. Hygiene? Nicht vorhanden. Lebensmittel? Zu wenig; max. 1700 Kalorien pro Tag und Person. Ein Schwerarbeiter bräuchte jedoch das Doppelte. Viele waren deshalb unterernährt und litten an Durchfall. Nach der Befreiung von Auschwitz wogen manche Insassen bei einer Größe von 1,70m nicht einmal mehr 30kg. Und wieder: Betroffenheit.

Emotional wird es noch einmal zum Schluss: bei der Gedenkfeier. Die Namen der Deportierten aus Bozen und Meran werden vorgelesen. Der Ermordungstag der kleinen Olimpia Carpi jährt sich morgen. Für sie und für alle anderen Verstorbenen betet und singt Laura, Mitglied der jüdischen Gemeinde Meran, auf deutsch und hebräisch. Tränen kullern manchen Jugendlichen über das Gesicht. Die Eindrücke des Tages müssen erst langsam und mit Nachbereitung verarbeitet werden. Und auch danach wird den Teilnehmer diese Besichtigung in Erinnerung bleiben und besondere Spuren hinterlassen.

 

Nur Hitler verantwortlich für Shoah?

Mit der heutigen Abschlussveranstaltung und der morgigen Heimfahrt endet die Reise der Erinnerung in Polen.

Am Vormittag diskutierten die Jugendlichen in Gruppen über die Ereignisse der letzten Tage. Sie sprachen über ihre Gefühle, Gedanken und Erfahrungen. Besonders Auschwitz hinterließ einen bleibenden Eindruck bei ihnen.

Am Nachmittag hingegen trafen sich alle Teilnehmer, rund 600, in Krakau um das Projekt gebührend abzuschließen. Einige Texte und Gedanken, die von Jugendlichen nach der Besichtigung des Ghettos und des Lagers festgehalten wurden, wurden vorgelesen. Ein Teilnehmer schrieb zum Beispiel folgendes: „Heute habe ich nicht die Vergangenheit kennengelernt, sondern die Gegenwart.“ Um nochmal zu betonen dass die Teilnehmer in dieser Woche zu einer Gruppe zusammengewachsen und neue Freundschaften entstanden sind, schenkten sich die Jugendlichen eine Umarmung.

Bevor allen Organisatoren und Mitwirkenden mit einem kräftigen Applaus gedankt wurde, entstand eine Diskussionsrunde. Alle Teilnehmer bekamen zwei verschiedenfarbige Zettel anhand denen sie auf verschiedene Fragen bei einer Abstimmung mit ja oder nein antworten sollten. Daraufhin bestand die Möglichkeit seine eigene Meinung vor den anderen zu begründen. Dadurch entstand eine rege Diskussion zwischen den Jugendlichen und für und wider wurde bei jeder einzelner Frage abgewogen. Sie betrafen die unterschiedlichsten Themen des täglichen Lebens und der Geschichte, z.B. Sollen homosexuelle Paare Kinder adoptieren dürfen? Soll das Kreuz aus den Klassenzimmern entfernt werden? Ist die Anwendung von Gewalt gerechtfertigt, wenn man dabei jemand anderes beschützt? Ist nur Hitler für die Shoah verantwortlich? … Wie würden sie abstimmen?