Die Begriffe Säkularität und Laizismus lassen erst mal aufhorchen. Dann erklärt er, Tenzin Gyatso, seine Heiligkeit: „In Indien bedeutet Laizismus  Respekt zwischen den Religionen, bedeutet Respekt auch vor denen, die nicht glauben. Immerhin eine Milliarde Menschen, 1/7 der Weltbevölkerung.“ Für den 14. Dalai Lama geht es darum, menschliche vor religiöse Werten zu stellen. „Liebe, Nähe, Vertrauen und Freundschaft. Wir müssen zurückfinden zu diesen inneren Werten, die uns alle als Menschen verbinden.“ Ob religiös gläubig oder nicht. Denn, so der 1935 in Tibet geborene Mönch, „die Religionen waren in den letzten 2.000 Jahren keine Hilfe bei den Problemen, die uns Menschen beschäftigen.“

Hunger, Klimawandel, Finanzkrise

Im Dialog mit Günther Cologna, einem profundem Tibetkenner, spricht der Dalai Lama auch über sein letztes Buch mit dem Titel „Rückkehr zur Menschlichkeit: Neue Werte in einer globalisierten Welt“. Das politische Oberhaupt Tibets, eingehüllt in die traditionelle karmesinrote Kutte, erzählt: „Ich habe einen guten Freund von mir gefragt, einen Wirtschaftler, wie ist die Weltwirtschaftskrise, von der wir alle sprechen, eigentlich entstanden? Er sagte mir, die Gier... die Habgier... Ein anderer Freund meinte, es ist die Ignoranz, die Unwissenheit.“ Zuwenig Nachhaltigkeit in den Wirtschaftssystemen, zu wenig Bewusstsein und Blick für die Gesamtheit, für das Ganze, ergänzt der Dalai Lama und meint: „Über die Wirtschaftskrise sprechen die, die am meisten Geld haben. Ihre Unsicherheit ist naturgemäß am größten.“

Mutterliebe und Gefühlsbewusstsein

Zu reduzieren sei dies auf das Aufwachsen der Menschen, auf das was uns vermittelt wird. Liebe im Kindesalter ist mit nichts aufzuwiegen, „Liebe als Kind lässt uns ruhig werden, gibt uns Sicherheit. Meine Mutter hat mich überall herumgetragen. Ich saß oben, auf ihren Schultern, wenn ich nach links wollte, zog ich an ihrem linken Ohr, wollte ich nach rechts, zog ich an ihrem rechten Ohr.“ Als Sohn einer Bauernfamilie gab es materiell „nichts“, wie der Dalai Lama erzählt, und so fordert er, reduzieren wir uns aufs Wesentliche: „Wir müssen den Kindern von klein auf, im Kindergarten, in den Schulen lehren über ihre Gefühle Bescheid zu wissen. Wir müssen unsere Ängste, unseren Zorn, unseren Neid kennen.“ Als Mathematik des Geistes bezeichnet der optimistische Friedensnobelpreisträger dieses Fach, das unbedingt einzuführen wäre. Nur so kann unsere „moralische Krise“ überwunden werden und - mit der Gewissheit „dass wir alle Menschen sind, alle gleich, mit den gleichen Gefühlen ausgestattet. Noch konzentrieren wir uns zu sehr auf die Unterschiede.“