Politics | Aus dem Blog von Gerhard Mumelter

Silvio Berlusconi als Sozialhelfer

Am heutigen Donnerstag entscheidet ein Gericht in Mailand über den Hausarrest Silvio Berlusconis. Und darüber, ob er im EU-Wahlkampf mitmischen darf. Es zeichnet sich ein Sozialdienst von wenigen Stunden in einem Heim für Behinderte ab.

Tribunali di sorveglianza leisten in Italien Fließbandarbeit. 50 bis 60 Fälle täglich werden entschieden. Über 10.000 Häftlinge haben um Sozialarbeit angesucht, um den überfüllten Strafanstalten zu entkommen. Am Donnerstag werden in Mailand rund 60 Gesuche behandelt, deren Antragsteller mit B beginnen. B wie Berlusconi. Dass unter Dealern und Dieben auch der prominente Vorbestrafte B. mit 10-köpfiger Eskorte und gepanzertem Wagen vorfährt, gilt als unwahrscheinlich. Seine Anwälte haben ihm Schweigen auferlegt. Profilo basso. Das hindert ihn nicht daran, sich wie gewohnt als Opfer linker Richter darzustellen. Seit Wochen hat sich Berlusconi in seiner 114 Zimmer-Villa in Arcore eingebunkert. Wegen einer Entzündung am Knie muss er sich auf Krücken bewegen, wozu ihm die Kraft fehlt. Seine engen Mitarbeiter beschreiben ihn als resigniert und von düsteren Visionen geplagt.  Ein misstrauischer Monarch, der seinem Alter Tribut zollt und fürchtet, endgültig vom Thron gestoßen zu werden.

Der europäische Gerichtshof in Straßburg hat soeben seinen Dringlichkeitsantrag abgelehnt. So bleibt ihm für die kommenden sechs Jahre jede Kandidatur verwehrt. Den EU-Wahlkampf, in dem sein Name im Parteilogo steht, will der Ex-Premier unbedingt bestreiten, um eine Niederlage zu verhindern. Das könnte ihm das Gericht sogar erlauben und Maßnahmen verfügen, die erst am 26. Mai in Kraft treten. Nach Indiskretionen soll Berlusconi sechs Stunden wöchentlich in einem Behindertenheim für ältere Menschen bei Mailand "resozialisiert" werden. Eine Operette für dankbare Fernsehteams. Bei der Festsetzung der Auflagen verfügt das Gericht über breiten Handlungsspielraum - von der Verhaftung bis zu wenigen Stunden harmloser Sozialarbeit. Es kann dem 78-jährigen vorschreiben, wieviel Zeit er zuhause verbringen muss und wen er treffen darf.  Berlusconis Anwälte schlagen den Einsatz ihres Mandanten in einem neuen Therapiezentrum für Behinderte bei Arcore vor.

Drei der vier Mitglieder des Gerichts sind Frauen. Und auch Berlusconi schickt ausnahmsweise zwei Frauen ins Rennen. Die Anwältinnen Angela Odeschalchi und Michela Andresano vertreten Niccoló Ghedini und Franco Coppi, weil sie in Sachen Strafvollzug besser bewandert sind. Das Gericht hat fünf Tage Zeit, um seine Entscheidung mitzuteilen.  Die depressive Stimmung des  Ex-Cavaliere färbt auch auf seine Partei ab, die deutliche Auflösungserscheinungen zeigt. Einige Dutzend Parlamentarier scheinen bereit, zur Formation ihres ehemaligen Parteichefs Angelino Alfano abzuwandern. Ein Ultimatum, das Fraktionschef Renato Brunetta dem Premier Matteo Renzi stellte, wurde von Berlusconi wenig später dementiert - ein unübersehbares Indiz auf die hinter den Kulissen tobenden Grabenkämpfe.

Der Ex-Premier, dem parteiinterne Kritiker Handlungsunfähigkeit vorwerfen, steht zu den mit Renzi vereinbarten Reformen, fürchtet aber gleichzeitig dessen "abbraccio mortale". Berlusconi drängt darauf, das mit Renzi vereinbarte Wahlrecht endgültig zu verabschieden. Dabei ist es gerade dieses bizarre Gesetz, das ihm zum Verhängnis werden könnte. Erreicht keine Partei die vereinbarte Marke von 37 Prozent, ist eine Stichwahl zwischen den beiden stärksten Parteien vorgesehen. Und in allen Umfragen liegt Forza Italia deutlich hinter dem Partito Democratico und der Fünfsterne-Bewegung. Ein Albtraum, der Silvio Berlusconi den ohnedies unruhigen  Schlaf raubt.