Economy | Teil 2

Nachhaltig Investieren – geht das?

Teil 1 der Artikelserie hat gezeigt: Hinter grünen Fonds stecken oft braune Portfolios. Teil 2 stellt sich die Frage: kann man überhaupt nachhaltig investieren?
Grüne Transformation
Foto: Pixabay

In ihrem Gutachten zu nachhaltigen Geldanlagen (siehe Teil 1) haben die Wirtschaftswissenschaftler Marco Wilkens und Christian Klein gezeigt: nachhaltige Geldanlagen, wie sie im Moment auf dem Finanzmarkt angeboten werden, sagen nichts darüber aus, ob ein*e Anleger*in tatsächlich einen positiven Beitrag zur Umwelt leisten kann.

Sie fordern daher eine Neuorientierung der Finanzwelt. Nachhaltige Investmentfonds sollen sich nicht bloß an formalen ESG-Kriterien orientieren, sondern sogenanntes „Impact-Investing“ betreiben, also wirkungsorientiertes Investieren. Dafür müssten Fondskonzepte entwickelt werden, die in der Realwirtschaft einen nachvollziehbaren Beitrag zu einem Nachhaltigkeitsziel leisten, also zum Beispiel der Reduktion von CO2.

 

Alternative Strategien: „Impact-Investing“ und „Engagement“

 

Als ersten Schritt braucht es dafür mehr Transparenz für die Anleger*innen, sagt Finance-Professor Marco Wilkens: „Die Fonds sollten kommunizieren, über welchen Weg sie eine nachhaltige Wirkung erzielen wollen. Dazu gehört auch die Frage, ob sie bereit sind, für das Ziel der Nachhaltigkeit auf Rendite zu verzichten.“

Hier liegt auch einer der Gründe, warum noch keine echte grüne Transformation in der Finanzwelt stattgefunden hat. Zwar sind marktübliche Renditen nicht ausgeschlossen, dennoch sagt das Gutachten von Klein und Wilkens: „Angebote der Finanzindustrie, die mit einem direkten Beitrag ihrer Anlageprodukte zu bestimmten Nachhaltigkeitszielen werben, und zugleich marktübliche Renditen versprechen, müssten kritisch hinterfragt werden.“

Die Bereitschaft auf Renditeverzicht ist bis zu einem gewissen Grad gegeben, wie eine Umfrage im Rahmen des Gutachtens zeigt. Die meisten Befragten wären bereit, auf einen kleinen Teil der Rendite zu verzichten. Wichtig dabei für den Großteil der Anleger*innen: Eine soziale und ökologische Wirkung muss nachgewiesen werden.

 

 

 

 

Die Verantwortung für eine grüne Transformation darf jedoch nicht den einzelnen Anleger*innen zugeschoben werden.

Einen Beitrag können Finanzinstitute mit dem „Shareholder-Engagement“ leisten. Dabei wirken Fonds auf die Unternehmensführung ein, um diese zu mehr Nachhaltigkeit zu bewegen. Das geht zum Beispiel durch Abstimmungen bei Hauptversammlungen oder man setzt sich regelmäßig mit dem Management zusammensetzen, um Nachhaltigkeitsstrategien auszuarbeiten, und schlussendlich auch zu überprüfen.

Angebote der Finanzindustrie, die mit einem direkten Beitrag ihrer Anlageprodukte zu bestimmten Nachhaltigkeitszielen werben, und zugleich marktübliche Renditen versprechen, müssten kritisch hinterfragt werden

Laut dem Leiter der Nachhaltigkeits-Abteilung bei Raiffeisen Capital Management Wolfgang Pinner verfolgt auch der Raiffeissen-Nachhaltigkeits-Mix diese Strategie: „Under Ziel ist es, aktiv auf die Unternehmen und Emittenten einzuwirken, um positive Veränderungen im Sinne der Nachhaltigkeit herbeizuführen.“

Dieses Engagement wird auch von Umweltsiegeln teilweise gemessen, so etwa vom Forum für Nachhaltige Geldanlagen (FNG). Doch beziehen sich die Beurteilung auf die eigenen Angaben der Fondsgesellschaften. Ein wirkliches System zur Überprüfung des Abstimmungsverhaltens der Finanzinstitute gibt es noch nicht. Finance Professor Wilkens fordert: „Wenn Fonds sagen, sie betreiben sogenanntes Engagement mit dem Ziel der Nachhaltigkeit, dann sollten sie dazu Daten liefern, die das auch belegen.“

 

Was kann ich tun?

 

Bis zu einem gewissen Grad ist Impact-Investing für Verbraucher*innen möglich. Wirkung nachvollziehen lässt sich am besten mit direkten Investitionen in ein Unternehmen, das der eigenen Vorstellung von Nachhaltigkeit entspricht. Dies setzt jedoch eine bestimmte Kenntnis der Börse voraus und erhöht das Risiko. Außerdem bilden Unternehmen mit grünem Kerngeschäft in der globalen Finanzwelt immer noch die Ausnahme. Viele nachhaltige Produkte werden von Startups und Unternehmen kreiert, die noch nicht an der Börse sind.

Den wichtigsten Beitrag zu einer grüneren Finanzwelt leisten Anleger*innen mit ihrer Stimme

Umweltbanken, wie die deutschen Triodos oder GLS, werben bei ihren Fonds damit, dass ein Teil der Renditen in Klimaschutz-Projekte und grüne Start-ups fließt. Auch dafür fehlt laut Wilkens aber aktuell eine angemessene Anzahl an Unternehmen, in die investiert werden könnte: „Selbst Nachhaltigkeitsbanken, die aufgrund der Umweltbewegung mehr Geld bekommen, wissen teilweise gar nicht, in welche nachhaltigen Projekte sie das Geld noch investieren sollen, weil es nicht genug gibt. Sie sind daher gezwungen, Teile des Geldes in klassische Finanztitel zu investieren.“ Was die Welt laut Wilkens dringend braucht, sind Unternehmer, die rentable, grüne Projekte entwickeln.

 

 

Bei klassischen Aktien- oder Mischfonds ist eine direkte Wirkung schwerer zu erkennen und zu messen. Wer sein Risiko dennoch streuen möchte, und gleichzeitig Wirkung erzielen, kann zum Beispiel in Mikro-Finanz-Fonds investieren, die seit wenigen Jahren auch für Privatanleger zugänglich sind. Diese vergeben Darlehen an Kleinstunternehmer in Schwellen- und Entwicklungsländern, die sich damit aus der Armut herausarbeiten können. Solche Geldanlagen haben eine starke soziale Wirkung, und somit eine hohe Nachhaltigkeit. Da sie nicht von Börsenkursen abhängen, weisen sie außerdem ein geringeres Risiko auf. Allerdings sind hier die Verwaltungskosten höher, denn Impact-Investing erfordert strengere Analysen der einzelnen Projekte, und auch die Renditen fallen geringer aus.

Den wichtigsten Beitrag zu einer grüneren Finanzwelt leisten Anleger*innen mit ihrer Stimme: Dadurch, dass sie auf ihr Recht auf Aufklärung pochen, und beim Beratungsgespräch genauer nachfragen, wie ein Fonds Wirkung erzielen will; Dadurch, dass sie signalisieren: Greenwashing reicht nicht, um Verbraucher*innen zu überzeugen.

Dass dies nicht immer so einfach ist, zeigt der Fall des grünen Stadtviertelrats Pascal Vullo und seiner Anlage in der ethischen Investitionslinie des Laborfonds: Als die Grünen Fraktion im Regionalrat anfragte, nach welchen Kriterien das Portfolio erstellt wird, erhielten sie keine Auskunft mit der Begründung, die Region Trentino Südtirol sei nicht zuständig für den unabhängigen Laborfonds. Kontaktversuche seitens Vullo mit dem Fonds führten ebenso zu keinem grünen Zweig.

Seine Hoffnung liegt nun bei den kürzlich neu gewählten Anlagevertretern des Laborfonds, dass diese stärker mitreden, und für mehr echte Nachhaltigkeit drängen. „In der Finanzbranche ist Nachhaltigkeit immer noch ein Nischenthema. Doch es muss nun langsam in den Fokus rücken,“ fordert Vullo.

 

Was macht die Politik?

 

Es wird deutlich: was im grünen Finanzsektor vor allem fehlt ist Transparenz. Die wenigsten Kunden wissen, was hinter nachhaltigen Fonds steckt – wer liest sich schon einen hundert-Seiten langen Geschäftsbericht durch, googelt die einzelnen Unternehmen nach ihren ökologisch-sozialen Standards oder ruft an, und fragt, wofür bei der letzten Hauptversammlung gestimmt wurde.

Selbst Finanzberater sind erschreckend wenig informiert, wenn es um nachhaltige Investitionen geht, denn noch gehören Umweltschutz und grüne Investments nicht zum klassischen Curriculum einer Ausbildung zum Bankfachmann oder zur Bankfachfrau. Genau das will die EU im Rahmen ihres Green New Deals ändern.

Künftig müssen Verbraucher*innen bei Anlageberatungen gefragt werden, ob sie nachhaltig Geld anlegen möchten

Die EU-Kommission erarbeitet zurzeit einen Maßnahmenkatalog für eine nachhaltige Finanzwirtschaft. Darunter der Plan: Künftig müssen Verbraucher*innen bei Anlageberatungen gefragt werden, ob sie nachhaltig Geld anlegen möchten. Ein erster guter Schritt hin zu mehr Sensibilisierung. Doch nachhaltige Beratungen bringen wenig, wenn es keine wirklich nachhaltigen Produkte zur Auswahl gibt.

Im Gutachten fordern Klein und Wilkens eine gesetzliche Definition von Impact-Investing. So sollten nur solche Geldanlagen bezeichnet werden dürfen, „deren Wirkung entlang wissenschaftlicher Erkenntnisse plausibel erklär– und im Nachhinein hinreichend überprüfbar ist.“

Der Weg hin zu einer grünen Finanzwirtschaft ist lang und schwer. Doch Corona hat gezeigt: Es ist politischer Wille vorhanden, ein System auch entgegen rein wirtschaftlicher Interessen umzukrempeln, wenn es im Namen der Gesundheit geschieht. Welch besseren Dienst können wir uns und der Gesundheit unserer Nachfahren erweisen als einen gesunden Planeten?