Society | Jugend

„Irgendwo zusammen abhängen“

Sozial- und Jugendarbeiter Besay Mayer warnt davor, die sozialen Folgen der Pandemie zu ignorieren. Um Jugendgewalt zu senken, brauche es gute Präventionsarbeit.
papaioannou-kostas-tysecum5hja-unsplash.jpg
Foto: Papaioannou Kostas on Unsplash
Der Skatepark im Jugendtreff Jungle hinter dem Bahnhof in Meran ist gut besucht. Im Hintergrund des Stimmengewirrs setzt sich Besay Mayer für ein Gespräch mit salto.bz zur Sitzecke auf der Terrasse des Gemeindegebäudes. Jugendgewalt ist der Anlass für das Treffen – ein Thema, das den ehemaligen Streetworker schon seit langem begleitet. Mayer arbeitete von 2009 bis 2017 als Streetworker im Burggrafenamt. „In den letzten Wochen ist wieder Einiges passiert“, sagt er. Phasen mit einer höheren Gewaltdichte gebe es immer wieder, etwa in den Jahren 2012/13 oder 2015/16.
In solchen Momenten berufe die Politik runde Tische ein, um das Problem zu diskutieren. „Es wurde viel in den letzten zehn Jahren debattiert, aber es wurden aus meiner Erfahrung keine konkreten Ansätze ausgearbeitet und umgesetzt“, kritisiert Mayer den Umgang mit Jugendgewalt auf politischer Ebene.

Der Streetworker ist der, der mehr oder weniger alles mitbekommt, wenn er seiner Arbeit leidenschaftlich und interessiert nachgeht - Besay Mayer

 

Streetwork

 
„Der Streetworker ist der, der mehr oder weniger alles mitbekommt, wenn er seiner Arbeit leidenschaftlich und interessiert nachgeht.“ Dadurch habe er die Möglichkeit, Situationen zu entschärfen und Momente der Gewalt zu verhindern. Um gutes Streetwork gewährleisten zu können, brauche es genügend Personalstellen, aber auch genügend Mittel für die Arbeit selbst.
„Wenn wir beispielsweise in den späten Nachtstunden unterwegs waren, konnten wir mit Wasserflaschen vielen Menschen bei Trunkenheit helfen. Auch eine Erste-Hilfe-Box ist von Vorteil“, erklärt Mayer. „Ich litt als Streetworker darunter, dass wir viele Ideen nicht umsetzen konnten, weil die finanziellen Mittel fehlten.“

 

 

Die Meraner Streetworker sind in der mobilen sozialen Jugendarbeit tätig. Zielgruppe sind Jugendliche im Alter von 12 bis 25 Jahren jeglicher Sprachgruppe, welche sich im Territorium der Bezirksgemeinschaft Burggrafenamt aufhalten, ein risikohaftes Verhalten wie Kriminalität, Gewaltbereitschaft, ideologische Radikalisierung und/oder Suchtmittelkonsum aufweisen und von sozialer Ausgrenzung und Verwahrlosung bedroht sind.

 

Risiken

 

Heute ist Besay Mayer lieber, wenn seine Frau abends wenig beleuchtete Gassen und sein Sohn das Einkaufszentrum ALGO meidet. Abends sei es auf Hauptstraßen weniger gefährlich. „In gewissen Zonen können zu gewissen Zeiten Gefahren lauern.“ Der Sozial- und Jugendarbeiter ist gut vernetzt und pflegt zu verschiedenen ethnischen Gruppen Kontakt. Wenn im Burggrafenamt ein Vorfall von Gewalt passiert, weiß er meist wenig später davon.

Wenn Menschen aus verschiedenen Kulturen und mit unterschiedlichen Interessen zusammenkommen, entstehen Konfliktfelder - Besay Mayer

Gerade heute sei unsere Gesellschaft mit mehreren Krisen konfrontiert – das belaste die Psyche und in vielen Fällen auch die finanzielle Situation. „Menschen werden tagtäglich von Ängsten begleitet und viele wissen nicht, wo sie sich Hilfe holen können. Die bürokratischen Wege dafür sind schwierig und die Ämter überlastet“, sagt Mayer. Aus dieser Situation heraus prognostiziert er einen Anstieg von Diebstählen und Gewalt.  

 

Investition in die Jugend

 
„Wenn Menschen aus verschiedenen Kulturen und mit unterschiedlichen Interessen zusammenkommen, entstehen Konfliktfelder. Hier braucht es Präventionsarbeit von geschultem Personal“, sagt Mayer. „Die dafür notwendigen finanziellen Mittel könnten in Meran theoretisch leichter zur Verfügung gestellt werden als in anderen Regionen Italiens.“

 

 

„Darüber hinaus haben zwei Jahre Pandemie Folgen, die im sozialen Bereich nicht ignoriert werden können“, so Mayer. Viele Menschen hätten eine viel schlechtere Ausgangslage als vor Ausbruch des Coronavirus. Auch die Situationen der Gewalt hätten sich stark verändert: „Heute feuern die Jugendlichen oft die in der Schlägerei verwickelten Jugendlichen an. Das erinnert mich an die Gladiatorenkämpfe, wo Zuschauer zu Gewalt aufrufen“, sagt er. Hier fehle die Zivilcourage für das Allgemeinwohl. Ein Grund dafür könnten etwa Kriegsspiele im Internet sein.
„Für Jugendliche ist wichtig, irgendwo zusammen abzuhängen, sich zu spüren, zu sehen, ein wenig aneinander zu reiben, um die Normen und Regeln unserer Gesellschaft kennenzulernen“, sagt der Meraner Sozial- und Jugendarbeiter. „Unsere Aufgabe muss es sein, den Jugendlichen einen so schönen Sommer wie möglich zu bieten.“