Der verwundete Löwe von Ankara
Noch immer schweigt der türkische Staatspräsident Erdogan, der sich wie ein verwundeter Löwe in seiner Luxushöhle mit 1000 Zimmern in Ankara verborgen hält. Zu sehen war bisher nur sein Ministerpräsident Davutoglu, der mit einem süffisant-mysteriösen Lächeln den Rücktritt angeboten hat. Er respektiere und verstehe das türkische Volk, sagte Davutoglu. So, als ob er den Dämpfer, den seine Partei bei den Parlamentswahlen bekommen hat, als Trumpf gegen den übermächtigen Staatspräsidenten ausspielen möchte.
Die Allmachtsphantasien Erdogans waren es letztendlich gewesen, die seine Anhängerschaft zum Schrumpfen gebracht haben. Dass sich Erdogan schon als Herrscher eines neuen ottomanischen Reiches sah, das alle Sunniten im kriegsgeschüttelten Nahen und Mittleren Osten vereinte, machte vielen AKP-Wählern Angst. Seine Nähe zur Terrororganisation Islamischer Staat, verstärkte diese Sorgen – auch international. Dazu kamen die Rachefeldzüge gegen die unabhängige Justiz und kritische Medien, die sogar innerhalb der Regierungspartei AKP für Unmut sorgten.
Jetzt hat Erdogan zwei Möglichkeiten: Er kann sich dem Wählerwillen beugen und eine gemäßigtere Politik einschlagen, oder erst recht seinen Herrscherallüren nachgehen und das Land weiter terrorisieren.
Vorerst aber muss der Staatspräsident das tun, was seine Hauptaufgabe wäre, nämliche eine regierungsfähige Mehrheit im Parlament ausfindig machen, um eine instabile AKP-Alleinregierung zu vermeiden. Die konservativ-islamisch-soziale AKP hat nur noch knapp 40 Prozent der Wählerstimmen bekommen. Damit ist sie zwar weiterhin die stärkste Partei, aber sie ist nicht regierungsfähig.
Die große Wahlgewinnerin, die Kurdenpartei HDP, hat eine Regierungsbeteiligung ausgeschossen.
Die laizistisch-liberale CHP, zweitstärkste Kraft im Parlament, lehnt eine Zusammenarbeit mit der AKP ebenfalls ab. Sie plädiert für eine Regierungskoalition ohne die AKP Erdogans.
Bliebe noch die rechtsnationalistische MHP, die aber im selben Wählerbecken fischt wie die AKP und deshalb ebenfalls eine Koalition scheut. Also wären Neuwahlen in den kommenden Monaten der einzige Ausweg.
Erste wirtschaftliche Auswirkung der Wahlniederlage Erdogans ist die Schwächung der türkischen Lira. Gegenüber Dollar und Euro musste die türkische Währung herbe Kursverluste hinnehmen. Für EU-Bürger aus der Eurozone, wie mich, bringt der neue Wechselkurs nur Vorteile. Für einen Euro bekomme ich jetzt erstmals drei Türkische Lira, noch im Sommer gab es 2,6 bis 2,8 TL.
An dieser Stelle ein wichtiger Rat für Türkei-Reisende: niemals im eigenen Heimatland Geld wechseln. Der Wechselkurs Euro-TL ist in der Türkei wesentlich günstiger als in Italien. Außerdem gibt es günstige Wechselstuben bereits bei der Ankunft an den Flughäfen. In den Grosstädten finden sich Geldwechsel-Stellen an jeder Ecke.
In Istanbul existieren im Bereich Taksim-Galata mindestens 30 Wechselstuben. Weil es der Islam verbietet, für Geldwechsel Gebühren zu fordern, ist auch keine "Kommission" zu zahlen. Also empfiehlt es sich, Euro in Bargeld mitzunehmen und in der Türkei umzuwechseln.
Denn auch Kredit- und EC-Karten werden von den heimischen Banken durch einen relativ ungünstigen Wechselkurs und Kommissionen belastet , wenn in der Türkei Einkäufe getätigt werden. Und einzukaufen gibt es in der Türkei sehr viel, nicht nur Teppiche.