„Unrecht legalisiert“

Salto.bz: Herr Insam, der Bürgermeister von St. Christina, Moritz Demetz und die SVP wollen die Tourismuszone Smarthotel Saslong mit allen Mitteln durchdrücken. Haben Sie eine Erklärung dafür?
Riccardo Insam: Ich kann das wirklich nicht verstehen. Diese Hartnäckigkeit ist mir absolut unverständlich. Ich verstehe nicht, warum man versucht, ein Unrecht um jeden Preis zu legalisieren.
Harte Vorwürfe?
Ja. Aber schauen Sie sich den letzten Beschluss des Gemeinderates an. Er wurde gestern (am Donnerstag, den 9. Juni 2016 – Anm. d. Red.) veröffentlicht. Da steht wörtlich drinnen, dass rechtlich alles in Ordnung ist und die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft am 12. Jänner 2016 archiviert wurden. Aber das ist vollkommen falsch. Archiviert wurde eine Korruptionsermittlungen gegen den ehemaligen Bürgermeister Eugen Hofer. Die Ermittlungen zu den eindeutigen Bauvergehen beim Smarthotel Saslong gehen aber weiter. Diese Ermittlungen wurden bereits 2014 nach einer Eingabe des Landeamtes für Urbanistik bei der Staatsanwaltschaft eingeleitet. Erst Mitte Jänner 2016 wurden dann die Gemeindetechniker und der Gemeindesekretär angehört. Der Staatsanwalt hat im Mai die Ermittlungen abgeschlossen und will Anklage erheben. Die Gemeinde tut aber so, als wisse sie von alledem nichts.
Gemeinderat und Wanderführer Riccardo Insam: „Dann werden wir sehen, wie sehr unsere Mehrheit im Gemeinderat auch die Bevölkerung vertritt.“
Sie sagen, dass es zudem Unregelmässigkeiten bei der Beschlussfassung im Gemeinderat gegeben hat?
Wir haben über die Ausweisung der Tourismuszone am 29. Dezember 2015 abgestimmt. Dabei hat der Bürgermeister nicht nur behauptet, dass alle Ermittlungen archiviert wurden, es wurde auch zweimal im Gemeinderat abgestimmt. Die erste Abstimmung ging 8 zu 7 gegen die Ausweisung der Tourismuszone aus. Danach hat man gesagt, da stimme es etwas nicht und wir müssten nochmals abstimmen....
Was eindeutig gesetzeswidrig ist?
Ja, aber ich kenne diese Taktik schon von anderen Abstimmungen. Das zweite Mal ist dann das Ergebnis herausgekommen, das man wollte. 8 zu 7 für die Tourismuszone. Allein hier sieht man, mit welchen Mitteln man die Tourismuszone durchboxen will.
„Man hat im Gemeinderat zweimal abgestimmt, damit das richtige Ergebnis herauskommt.“
Ein halbes Dutzend Anwohner haben gegen die Ausweisung rekurriert. Auch über diesen Rekurs musste zweimal abgestimmt werden, bis er vor zwei Wochen endgültig abgewiesen wurde.
Das ärgert mich am meisten. Im Gemeinderat würde überhaupt nicht über den Inhalt des Einwandes diskutiert. Im Rekurs sind ganz klar, alle kritischen Punkte aufgeführt, dokumentiert und begründet. Im Gemeinderat wurde aber nur über die Stellungnahme des Gemeindeausschusses geredet. Man ist überhaupt nicht auf die Ängste und Sorgen der Menschen eingegangen. Sollte diese Tourismuszone so wie geplant verwirklicht werden, dann werden die Anwohner zu Flüchtlingen in der eigenen Heimat. Das Existenzrisiko wäre für sie einfach zu groß. Dass hier ein Unrecht zu Recht gemacht wird und die Rechte der Anrainer so brutal niedergemetzelt werden, das ist völlig unverständlich. Ganz viele Menschen in St. Christina können das nicht verstehen.
„Dass hier ein Unrecht zu Recht gemacht wird und die Rechte der Anrainer so brutal niedergemetzelt werden, das ist völlig unverständlich. Ganz viele Menschen in St. Christina können das nicht verstehen.“
Es gibt vereinzelt aber auch in der SVP Widerstand gegen diese Gangart.
Ja. Bei der letzten Abstimmung haben sich auch der jungen SVP-Fraktionssprecher Dominik Insam und der SVP-Gemeinderat Armin Senoner von der Gangart ihrer Partei distanziert. Sie haben für die Annahme des Rekurses gestimmt. Sie haben offen gesagt, dass sie die Stellungnahme des Gemeindeausschusses nicht mittragen.
Trotzdem haben in der geheimen Abstimmung aber neun Gemeinderäte für die Tourismuszone gestimmt.
Ja und das macht mich traurig. Die SVP hatte damit nur sieben Stimmen. Das heißt, es hat mindestens zwei Abweichler in unserer Bürgerliste gegeben. Das ist traurig und ein Verrat gegenüber der gesamten Wählerschaft. Auch weil wir das ersten Mal geschlossen gegen das Vorhaben des Gemeindeausschusses gestimmt haben und damit durchgekommen sind. Zwei Gemeinderäte der Opposition sind aber anscheinend umgefallen. Die geheime Abstimmung sollte dafür die anonyme Tarnkappe sein. Nur hatte man nicht damit gerechnet, dass das Spiel aufkommt.
„Es hat mindestens zwei Abweichler in unserer Bürgerliste gegeben. Das ist traurig und ein Verrat gegenüber der gesamten Wählerschaft.
Es ist absehbar, dass Staatsanwalt Giancarlo Bramante Anklagen wegen der Bauvergehen am Smarthotel erheben wird. Was dann?
Dann werden wir noch einmal einen Beschlussantrag einreichen. Sollte auch dieser abgelehnt werden, werde ich persönlich – wie schon einmal – ein Referendum einleiten. Dann werden wir sehen, wie sehr unsere Mehrheit im Gemeinderat auch die Bevölkerung vertritt.