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Politics | Gemeindewahlen

10 Millionen Italiener wählen am Sonntag

Die Gemeindewahlen in zahlreichen Städten Italiens gelten als wichtiger politischer Stimmungstest

Mitten in das endlose Dauergeplänkel um Wahlmodus und Neuwahlen platzt am Sonntag eine wirkliche Wahl: fast 10 Millionen Italiener sind zur Kür neuer Gemeinderäte und Bürgermeister an die Urnen gerufen.  Es handelt sich um einen wichtigen politischen Stimmungstest. Denn obwohl bei Gemeindewahlen naturgemäss lokale Probleme im Vordergrund stehen, kann der Urnengang Aufschluss geben über wichtige politische Fragen. Etwa darüber, ob der der Partito Democratico nach der Spaltung der Partei und der Rückkehr Renzis an die Spitze von den Wählern abgestraft oder belohnt wird.  Oder darüber, wie die zur nationalen Partei gewandelte Lega in den Gemeinden des Südens abschneidet. Oder über den Stellenwert der Fünfsterne-Bewegung, deren innere Konfllikte bedrohlich zunehmen. Von Interesse auch das Abschneiden der vom PD abgespaltenen Linken.   Es handelt sich um den  ersten wichtigen Wahlgang seit dem Verfassungsreferendum im vergangenen November, dessen desaströses Ergebnis Matteo Renzi zum Rücktritt gezwungen hatte.

Gewählt wird in über 1000 Gemeinden. Darunter befinden sich  wichtige Grosstädte wie Genua, Palermo und Verona sowie zahlreiche Provinzhauptstädte wie  Padua, Parma, Taranto, Lecce und L'Aquila. Gewählt wird auch in der Hauptstadt unserer Nachbarprovinz Belluno. Zwar scheint die Zeit der grossen Bürgermeister wie Illy, Cacciari, Rutelli, Bassolino und Veltroni endgültig vorüber. Nur Leoluca Orlando will es in Palermo fast 30 Jahre nach der Gründung seiner Bürgerliste La Rete nochmals versuchen - mit ungewissem Ausgang. Hoch gesteckt sind vor allem die Erwartungen der Cinque stelle, denen Beppe Grillo einen "durchschlagenden Erfolg" prophezeit. Freilich könnte er sich dabei täuschen - wie so oft. Vor allem in seiner Heimatstadt Genua, wo Grillo die von der Basis gewählte Kandidatin Marika Cassimatis kurzerhand abgesetzt hat, droht der Bewegung eine empfindliche Niederlage. Der offizielle Kandidat Luca Pirondini liegt in Umfragen deutlich hinter den Bewerbern des PD und des Rechtsbündnisses um den ligurischen Präsidenten Giovanni Toti, der gute Chancen sieht, die jahrzehntelange Vorherrschaft der Linken in der Hafenstadt zu beenden. 

In Parma - Italiens erster Grossstadt mit einem M5S-Bürgermeister - hat der von Grillo aus der Bewegung ausgeschlossene Federico Pizzarotti gute Chancen auf eine Bestätigung.  In Palermo sieht die Lage nach dem Skandal um die gefälschten Unterschriften bei Einbringung der Liste für die Grillini keineswegs rosig aus. Der Spitzenkandidat Ugo Forello ist wegen seiner vielfältigen Geschäfte ins Gerede gekommen. Der Partito Democratico unterstützt nach seinen zahlreichen Skandalen auf der Insel Leoluca Orlando und verzichtet auf  eigene Kandidatur. Auch in Verona und Padua dürften die Bürgermeister in der Stichwahl zwischen Links- und Rechtsbündnis bzw. Lega ermittelt werden. Veronas  amtierender Bürgermeister Flavio Tosi, der nach zwei Amtsperioden ausscheiden muss, hat sich zur umstrittenen Entscheidung durchgerungen, seine Lebensgefährtin Patrizia Bisinelli ins Rennen zu schicken. Vieles wird von der Wahlbeteiligung abhängen, die angesichts  wachsender Politikmüdigkeit weiter sinken dürfte.  In Genua etwa könnten nach Schätzung der Demoskopen kaum mehr als die Hälfte der Bürger an die Urnen gehen. Bei diesem Wahlgang ist besonders auf die vielen Bürgerlisten zu achten, deren Zahl deutlich zugenommen hat und die den traditionellen Parteien in vielen Gemeinden den Sieg streitig machen dürften.

90 Kandidaten haben sich italienweit an der Transparenz-Kampagne Sai chi voti beteiligt und neben ihrem Curriculum auch die Einkommensverhältnisse, mögliche Interessenkonflikte, ihren Immobilienbesitz und eventuelle Ermittlungverfahren offengelegt.  Vor allem in den grossen Städten wird die endgültige Entscheidung über die Bürgermeister erst in der Stichwahl am 25. Juni erwartet.