Politics | Für eine Dezibelsteuer auf schwere Motorräder

Die Schmerzgrenze längst erreicht

Wer sich an einem Sommerwochenende an tausenden „Bikern“ vorbei auf die Mendel, den Jaufen oder den Sellapass traut, braucht kein Rennen in Imola mehr live zu erleben. Wer sich gar durch das verlärmte Passeiertal auf die Timmelsjochstraße wagt, erfährt staunend, dass ganze Alpentäler zu einem Motodrom werden können. Das Ganze ist ein bizarrer Auswuchs des spätfossilen Zeitalters, eine irregeleitete Art, aufgestaute Energie mit Lärm und Geschwindigkeit abzureagieren. In einer liberalen Demokratie könnte man jedem sein Pläsierchen lassen, doch Motorradfahren belästigt in so wild befahrenen Tal-Landschaften wie unseren die ganze Bevölkerung und die übrigen Gäste. Dem zuständigen Landesrat ist in dieser Situation nichts Besseres eingefallen, als die Befahrung der Timmelsjochstraße und anderer Passstraßen zusätzlich zu bewerben. Besser wäre es, endlich nach Vorbild der Schweiz für Elektrotankstellen zu sorgen, damit zumindest einige Einsichtige auf E-Bikes umsteigen können, was technisch durchaus geht.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
2_harmlose_felspassage.jpeg
Foto: © Oswald Stimpfl

Hubschrauber, Flugverkehr und Schwerlastverkehr sind als Lärmquellen nicht zu unterschätzen, aber schwere Motorräder sind inzwischen zum lärmintensivsten Freizeitvergnügen überhaupt geworden: sie emittieren mehr Lärm als der Flug- und PKW-Verkehr, sie belasten die Luft und sind gefährlich. Ihre massenhafte Verbreitung hat dazu geführt, dass es Millionen Europäer als ihr Recht betrachten, auf allen Straßen mit maximalem Lärm rund um die Uhr in kürzester Zeit von 0 auf 180 kmh zu beschleunigen. Anscheinend verbinden viele Zeitgenossen mit Motorradfahren die ganz große Freiheit, sehen das Drehen am Gashebel als Selbstverwirklichung. Easy Rider im Stau am Grödner Joch. Dazu kommt die rätselhafte Lust am Lärm und das unsägliche Imponiergehabe mit Knattergeräten.

Auch in Südtirol ist die Schmerzgrenze bei der Verlärmung durch diese Art Maschinen längst erreicht. Dezibel-abhängige Steuerzuschläge auf schwere Motorräder wären allerdings nur ein ganz unvollständiger Ansatz, weil dann mit gutem Gewissen weiter geröhrt wird: "Was wollen Sie," hörte man dann, "wir zahlen ja für unseren Lärm!" Laute Motorräder zu verteuern wäre aber zumindest ein erster Schritt zur Bekämpfung der Biker-Lärmplage, gleichermaßen berechtigt wie Lärmschutzwände an Eisenbahnlinien und Autobahnen. Nicht nur Leute, die an Straßen wohnen, würden aufatmen. Schließlich sollte der Staat regulierend an der Quelle eingreifen: technische Geräte, die unnötig verlärmen, verschmutzen und ihre Fahrer zu unnötigen Risiken verleiten, müssen nicht auf den Markt gebracht werden. Es gibt kein Grundrecht auf Lärm.

Thomas Benedikter