Society | Gewalt

Dauerthema Vandalenakte

Kaputte Autospiegel, zerstörte Blumentröge und jede Menge Müll – in Brixen sind die Vandalenakte Dauerthema. Befürchtet wird auch eine zunehmende Gewaltbereitschaft.
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Foto: Jon Tyson on Unsplash
Nicht zum ersten Mal war das Problem von Vandalenakten Thema der Brixner Gemeinderatssitzung. Auch auf der jüngsten Sitzung wurde ausführlich darüber diskutiert. Gemeinderat Antonio Bova (Giorgia Meloni Fratelli d'Italia) hat diesbezüglich einen Beschlussantrag eingereicht, in welchem er Maßnahmen für eine bessere Überwachung des Bahnhofsgeländes und der Straßen forderte. Wie Bova erklärte, kommt es nach der Wiedereröffnung der Diskothek Max vor allem im Bahnhofsviertel wieder vermehrt zu Ruhestörungen und Vandalismus. Die Verursacher können unter anderem unter den Jugendlichen ausgemacht werden, die an den Wochenenden mit dem Zug aus dem Pustertal und Unterland nach Brixen kommen. Auf dem Weg zur Disco werden sie offenbar mehr oder weniger betrunken vom Verlangen heimgesucht, fremdes Eigentum zu zerstören. Darunter zu leiden haben unter anderem Blumentröge, Autos, deren Spiegel beschädigt und der Lack zerkratzt wird, und die Umgebung, die mit zerschlagenen Glasflaschen zugemüllt wird. Nicht zu vergessen die Lärmbelästigung und das Gegröle während der Nachtstunden. Ein weiteres Problem ist die Heimfahrt der Jugendlichen: Der Club Max schließt um 3.30 Uhr, zu einem Zeitpunkt, an dem keine öffentlichen Verkehrsmittel unterwegs sind. Die Jugendlichen treiben sich bis zur nächsten Abfahrt im Süden von Brixen herum und zerstören willkürlich fremdes Eigentum. Bova wies zudem auf Gefahrensituationen für die Jugendlichen selbst hin: Zahlreiche Videos in den sozialen Netzwerken belegen, dass etliche Jugendliche die Gleise überqueren, anstatt die Unterführung zu nutzen.
 
 
 
Wie den anschließenden Schilderungen des Stadtrates Thomas Schraffl und der Gemeinderäte zu entnehmen war, könnten die Ordnungskräfte aufgrund der Dienstzeiten nicht ständige Präsenz zeigen – vielfach seien ihnen auch die Hände aus Privacy-Gründen gebunden. Ein Problem sei weiters die fehlenden Unterhaltungsmöglichkeiten aufgrund der frühen Sperrstunden der Gastlokale und Barbetriebe. Wie Schraffl betonte, habe man einen zusätzlichen Nightliner-Bus organisieren können, der die Jugendlichen nach Hause bringt. Die Haltestelle habe man vom Zugbahnhof zum Busbahnhof verlegt, dort seien keine Klagen bekannt. Effektiv komme es aber vor, dass sich jene Jugendlichen, die den Nightliner verpassen, bis in die frühen Morgenstunden in Brixen aufhalten, sprich Unfug treiben.
 
Was passiert, wenn es soweit kommt?
 
Sorgen bereitete einigen Gemeinderäten jedoch die zunehmende Gewaltbereitschaft, man habe von verschiedenen „Gangs“ gehört, die aus anderen Bezirken nach Brixen kommen und die ansässigen Jugendlichen terrorisieren. Egon Gitzl von den Freiheitlichen brachte es auf den Punkt, als er erklärte, dass Vandalenakte das eine sind, Messerstechereien jedoch etwas vollkommen anderes. „Was passiert, wenn es soweit kommt?“, fragte Gitzl. Laut Aussagen der Anwesenden unternehmen die Ordnungskräfte zwar ihr Möglichstes, allerdings ist das Problem schwierig zu lösen. Einerseits kann keine ständige Polizei-Präsenz gewährleistet werden, andererseits ist eine Identifizierung der Vandalen – diese hauen nämlich rechtzeitig ab – nicht immer möglich. Es scheint beinahe so, als müsse man sich damit abfinden, dass Vandalenakte zum samstäglichen Bild gehören, dennoch sprach sich die Mehrheit parteiübergreifend dafür aus, dass in Zukunft mehr getan werden muss.
 

Einmal mehr und einmal weniger

 
„Ich bin jetzt seit sieben Jahren Stadtrat in Brixen. Das Thema Vandalenakte und Probleme mit Jugendlichen ist dabei einmal mehr und einmal weniger Thema“, erklärt Thomas Schraffl, zuständig unter anderem für die Zusammenarbeit mit der Ortspolizei, auf Nachfrage von Salto.bz. Wie auch in anderen Südtiroler Städten sei es allerdings ein Dauerthema – leider. Tendenziell ist es im Winter ruhiger als im Sommer, wo sich die Jugendlichen eher im Freien aufhalten.
 
 

 

Lösung Video-Überwachung?

 
Wie Schraffl erklärt, wurde das Thema gleich nach den Gemeinderatswahlen im Jahr 2015 im Stadtrat aufgegriffen. So wurden beispielsweise Sensibilisierungsprojekte gestartet und der Ratgeber „Sprich’s an“ sowie eine Publikation der Gemeinde Brixen und des Jugendrates zum Thema Sachbeschädigung im öffentlichen und privaten Raum herausgegeben. In Letzterer ging es darum, das Phänomen Vandalismus unter verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. So kamen Jugendliche genauso zu Wort wie Betroffene, die unter der blinden Zerstörungswut leiden. Mit der Broschüre in der Hand hat die Ortspolizei Sensibilisierungskampagnen in den Schulen gestartet und versucht, die Jugendlichen aufzuklären.
 
Wo die Augen eines Polizisten fehlen, können die Kameras diese Aufgabe übernehmen.
 
Um gegen die Vandalenakte vorzugehen und die Sicherheit im öffentlichen Raum zu gewährleisten, wurde weiters entschieden, auf Video-Überwachung zu setzen – obwohl –, wie Schraffl betonte, sich manche dagegen ausgesprochen haben. Seit 2015 wurden jährlich vier Video-Kameras an neuralgischen Punkten installiert. Aus Kapazitätsgründen musste der Ausbau der Überwachung zwar vor rund zwei Jahren ausgesetzt werden, in der Zwischenzeit arbeite man jedoch an einem umfassenderen System. „Wo die Augen eines Polizisten fehlen, können die Kameras diese Aufgabe übernehmen“, ist der Brixner Stadtrat überzeugt.
Anfangs konzentrierten sich die Beschwerden über Ruhestörungen und Sachbeschädigungen vor allem auf den Bereich Fischzuchtweg, Schwesternau in Richtung Stadtzentrum. Während der Corona-Pandemie, als die Diskotheken und Gastlokale geschlossen waren, kam es immer wieder an den öffentlichen Plätzen und in Schularealen zu Problemen bzw. wurden Gegenstände zerstört und die Plätze verdreckt hinterlassen.
 

Problembereich Bahnhofszone

 
„In letzter Zeit kommen zunehmend Beschwerden aus dem Bahnhofsareal“, erklärt Schraffl. Meistens handelt es sich dabei um Lärmbelästigungen, in einigen Fällen wurde jedoch auch öffentliches und privates Gut zerstört. Die Jugendlichen, die mit dem Zug nach Brixen kommen, versorgen sich offensichtlich bereits im Vorfeld mit alkoholischen Getränken, die auf dem Weg Richtung Disco Max konsumiert werden. Somit sind nicht so sehr die heimkehrenden Jugendlichen das Problem, diese werden vom Nightliner-Dienst nach Hause gebracht, sondern die ankommenden.
 
Die Ordnungskräfte können nicht Händchen haltend die Jugendlichen in die Disco Max lotsen und aufpassen, dass unterwegs nichts zu Bruch geht.
 
In der Gemeinderatssitzung wurde zwar die Forderung nach mehr Polizei-Präsenz erhoben, wie Schraffl betont, sei es jedoch nicht Aufgabe der Ordnungskräfte, die Jugendlichen Händchen haltend in die Disco Max zu lotsen und aufzupassen, dass unterwegs nichts zu Bruch geht. Ganz davon abgesehen seien wenige Bedienstete nicht in der Lage, das gesamte Gemeindegebiet abzudecken. Sicher habe die Anwesenheit von Einsatzfahrzeugen und Ordnungskräften einen gewissen abschreckenden Effekt. „Ich bin jedoch realistisch. Mit dem gegenwärtigen Personalstand können wir nur eine Präsenz in einem bestimmten Umfang gewährleisten“, so Schraffl.
 

Was sind das für Jugendliche und woher kommen sie?

 
Wie der Brixner Stadtrat erklärt, handelt es sich dabei vor allem Jugendliche in der Altersgruppe von 13 bis zur Volljährigkeit. Inzwischen scheint Brixen ein beliebtes Ziel für Jugendliche aus dem Raum Bozen und Pustertal zu sein, was anhand von Beobachtungen festgestellt werden konnte. Von regelrechten Baby-Gangs zu sprechen, die von auswärts nach Brixen kommen, um die einheimischen Jugendlichen zu tyrannisieren, sei jedoch überzogen. Im Zuge von Ermittlungen seitens der Polizei sind einige Namen bekannt geworden, die jedoch aus Privacy-Gründen nicht veröffentlicht werden dürfen. Hilfreich bei den Ermittlungen sind auch die Auswertungen der Video-Kameras, anhand derer einige Übeltäter ausgeforscht werden konnten und nicht zu vergessen jene Videos, die von den Jugendlichen selbst aufgenommen und – dummerweise – ins Netz gestellt wurden. Dass den Ordnungskräften somit die Hände gebunden sind, ist eine populistische Parole, betont Schraffl. Die Ordnungskräfte nehmen die jugendlichen Täter auf das Revier mit und für eine gewisse Zeit werden sie auch festgehalten, um die Personalien zu überprüfen. Die Polizeipräsenz alleine wird das Problem nicht lösen, ist der Brixner Stadtrat überzeugt, der weiterhin im Austausch mit den Jugendvereinen und Ordnungskräften auf Sensibilisierungskampagnen setzen möchte. „Wir möchten verstehen, wo das Problem liegt und etwas dagegen tun. Das ist allerdings nicht so einfach“, so Schraffl.