Irap: Neuer Einsatz für die Wunderwaffe
So schnell geht Gesetzgebung, wenn Wahlen vor der Haustür stehen: Gleich sechs Gesetzesentwürfe wurde am Montag in einer außerordentlichen Sitzung des Landtags über die Bühne gebracht: von der Wohnbauförderung bis zu Kraftwerkskonzessionen. Als würde das nicht reichen für einen Arbeitstag wurden am Tag vor dem Bozen-Besuch von Arbeitsminister Enrico Giovannini noch drei Maßnahmen des Mehrjahresplans für die Beschäftigung genehmigt: ein Förderbeitrag für Unternehmen, die arbeitslose Über-55-Jährige mit unbefristetem Vertrag anstellen, Fördermaßnahmen für Sozialgenossenschaften zur Unterstützung der Arbeitsintegration und eine Irap-Reduzierung für Unternehmen, die neue Arbeitsplätze schaffen.
Konkret wird der Irap-Abzug für drei Jahre angewandt, wenn Arbeitnehmer, die seit mehr als sechs Monaten arbeitslos waren, mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag eingestellt werden oder befristete Arbeitsverhältnisse von Mitarbeitern bis zu 29 Jahren bzw. mit mindestens 55 Jahren in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis umgewandelt werden.
Ob die Reaktionsgeschwindigkeit auf die unguten Meldungen vom Arbeitsmarkt ohne anstehenden Wahltermin genauso schnell gewesen wäre, sei dahingestellt. Die politische Botschaft dieser Tage ist in jedem Fall eindeutig: Wir setzten konkrete Schritte gegen die Krise – und ihre Auswirkungen auf die Bevölkerung. Nicht ohne Grund nimmt die Wertschöpfungssteuer Irap dabei einen zentrale Rolle ein: Sie ist nicht nur eine der wenigen Steuern, bei der Südtirol selbst Handlungsspielraum hat. Vor allem orientiert sich die Bemessungsgrundlage der bei Unternehmen verhassten Steuer an den Personalkosten. Sprich: Sie bestraft damit gewissermaßen Unternehmen, die Personal anstellen.
Nachdem die Südtiroler Volkspartei bereits versprochen hat, nach den Landtagswahlen das Problem der niederen Löhne über eine Irap-Senkung für den Abschluss von Zusatz- und Betriebsabkommen regulieren zu wollen, wird die Wunderwaffe nun bereits vor den Wahlen gegen die Arbeitslosigkeit eingesetzt werden.
Lanz: Auch jene belohnen, die zu Mitarbeitern gestanden sind
Standing Ovations erntete die Mehrheit am Montag dafür aber nicht. Unions-Abgeordneter Andreas Pöder bezeichnete die Maßnahme als völlig unzureichend sowie als regelrechte Anleitung zum Schwindeln. „Der von der Landesregierung vorgelegte und von der Mehrheit genehmigte Text ermöglicht es unseriösen Betrieben, Arbeitsplätze abzubauen und gleichzeitig durch fristgerechte Neueinstellungen Steuervergünstigungen zu kassieren“, kritisierte er.
Doch auch bei den Wirtschaftsverbänden selbst gab es nur verhaltenen Applaus. Gert Lanz, Präsident des Südtiroler Handwerkerverbands sprach zwar von einer prinzipiell guten Initiative. „Was uns aber wichtig wäre, dass auch Betriebe belohnt werden, die in den vergangenen Jahren nicht Mitarbeiter abgebaut, sondern auch in schweren Zeiten zu ihnen gestanden sind.“ Allem voran bräuchten Südtirols Betriebe jedoch keine Wahlzuckerlen, sondern langfristige Strukturmaßnahmen. „Das würde ihnen erlauben, sich aus eigener Kraft zu entwickeln statt dass die Politik wieder alle zwei Jahre auf Sondermaßnahmen oder -förderungen zurückgreifen muss.“ Für ihn stellt sich auf die Frage, wo die Mittel für die Steuersenkungen hergeholt werden soll. „Denn entweder muss woanders verzichtet werden, oder sonst frage ich mich, wieso man die Irap nicht bisher schon abgeschafft bzw. gesenkt hat.“
Pan: Versprechen an Unternehmen müssen gehalten werden
Eine ähnliches „Schön, aber...“ vom Unternehmerverband: Laut Präsident Stefan Pan setzt die Maßnahme zwar positive Akzente bei den hohen Arbeitskosten, einem der größten Wettbewerbsnachteile der Südtiroler Wirtschaft. Im selben Atemzug kritisierte der Pan aber Ungleichheiten gegenüber auswärtigen Unternehmen, die sich in Südtirol ansiedeln. „Denn diese Unternehmen sind fünf statt nur drei Jahre lang von der Irap befreit und zudem gilt die Befreiung in diesem Fall unabhängig davon, ob die Mitarbeiter davor arbeitslos waren oder nicht“, so Pan. Die paradoxe Folge sei, dass für die Einstellung ein und derselben Person unterschiedliche Regeln gelten: Werde diese von einem bereits bestehenden lokalen Unternehmen angestellt, ist Irap zu bezahlen, bei der Anstellung in einem neu angesiedelten Unternehmen nicht.
Der Unternehmerverband zeigt aber auch auf, dass bisherige Irap-Versprechen noch nicht eingelöst wurden. So greife wegen der fehlenden Genehmigung der Europäischen Kommission bislang weder die Irap-Reduzierung für exportorientierte Unternehmen noch jene für die sogenannten vorbildhaften Unternehmen – also Betriebe, die besonders produktiv sind, die Beschäftigung steigern oder in Forschung und Entwicklung investieren. Bis Ende September, wenn die Irap-Erklärungen vorgelegt werden müssen, will Pan Klarheit. „Und wir erwarten, dass gehalten wird, was den Betrieben versprochen wurde“. Wunderwaffen sollten eben auch Wirkung zeigen.