Politics | Wahlen 18

Fehlende Nummer

Die Grünen haben vor dem Verwaltungsgericht Bozen gegen den Ausschluss ihrer Kandidatin Patrizia Gozzi Buca rekurriert. Die Richter müssen heute entscheiden.
Gozzi, Patrizia
Foto: Grüne Verdi Verc
Es ist ein besonderer Fall. Das Gesetz sieht vor, dass die Richter noch am selben Tag ein Urteil fällen müssen. Derzeit hat sich der dreiköpfige Senat am Bozner Verwaltungsgericht zur Beratung zurückgezogen. Mit dem Urteil wird am späten Nachmittag oder am Abend gerechnet. „Wir sind durchaus zuversichtlich“, sagt Anwalt Christoph Senoner.
Es geht in dem Fall um die Frage, ob eine Kandidatin der Südtiroler Grünen zu den Landtagswahlen antreten kann oder nicht. Denn am vergangenen Mittwoch hat die Landesbehörde die Kandidatin Patrizia Gozzi Buca wegen eines Formfehlers von der grünen Landtagsliste gestrichen.
 


Der Ausschluss

 
Die Landeswahlkommission, der die Richterin am Rechnungshof Irene Thomaseth als Präsidentin vorsteht und der die Verwaltungsrichterin Lorenza Pantozzi, sowie der Bozner Jurist Massimiliano Segarizzi angehören, war zum Schluss gekommen, dass die Dokumentation zur Kandidatur Gozzis fehlerhaft sei.
Konkret: Als Dokument sei zwar eine Kopie der Identitätskarte Gozzis beigelegt, doch man hätte vergessen die Nummer der Identitätskarte in das Beglaubigungsformular zu übertragen. Demnach seien die Unterlagen - laut Kommission - nicht vollständig und die Bozner Landtagskandidatin wurde von der Grünen Liste gestrichen.
 
Patrizia Gozzi hat vor dem Verwaltungsgericht Bozen Rekurs gegen diese Ausschluss eingereicht. Die Südtiroler Grünen unterstützen diesen Rekurs. „Während gegen andere Ausgeschlossene weit schwerer wiegende Gründe vorliegen, ging es bei unserer Kandidatin einzig um die fehlende Übertragung der Nummer des Personalausweises im Beglaubigungsformular – wobei die Kopie des Ausweises beigelegt war“, schreiben die Grünen in einer Aussendung. Und weiter: „Da es sich ganz offensichtlich um ein reines Versehen handelte und unserer Meinung nach das verfassungsrechtlich verbriefte Recht auf das passive Wahlrecht Vorrang haben müsste, unterstützen wir den Rekurs von Frau Gozzi.
 

Der Formfehler

 
Ausgearbeitet wurde der Rekurs von Christoph Senoner, Partner und Sozius in der Kanzlei des SVP-Kammerabgeordneten Manfred Schullian. Dabei werfen die Rekurssteller eine für das Land mehr als peinliche Frage auf.
Die Landeswahlkommission hat sich bei ihrem Ausschluss auf eine Verletzung des Landesgesetzes Nr. 14 vom 19. September 2017 berufen. Es handelt sich dabei um das Südtiroler Wahlgesetz für die Landtagswahlen. In diesem Gesetz sind auch die technischen Vorgaben zur Listenerstellung und zur Vorlegung der Kandidaturen enthalten. Bei der Beglaubigung der Unterschriften verweist das Landeswahlgesetz auf ein Dekret aus dem Jahr 1990. Das Problem dabei: Diese Bestimmungen wurde durch ein anderes Dekret (D.P.R. 445/2000) bereits im Jahr 2000 abgeschafft.
Demnach hat jenes Gesetz, mit dem man der grünen Kandidatin einen Formfehler nachweisen will, selbst einen eklatanten Formfehler.
 

Die Beglaubigung

 
Aber auch inhaltlich weist der Rekurs eine klare Argumentation auf. Nach den neuen staatlichen Regeln, die im Landeswahlgesetz übernommen wurden, ist ein Landtagsabgeordneter befugt, die Unterschriften zu beglaubigen.
Im Fall von Patrizia Gozzi war das Brigitte Foppa. Die Grüne Landtagsabgeordnete hat nicht nur die Unterschrift Gozzis beglaubigt, sondern auch erklärt, dass die Kandidatin die Dokumente in ihrer Anwesenheit unterzeichnet hat. Für die Rekurssteller hat man damit genau jene Vorgaben erfüllt, die das Gesetz vorsieht.
Das Problem dabei: Im Formular zur Beglaubigung der Unterschrift gibt es keine konkrete Angabe, wie diese erfolgt ist. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten: Man schreibt per Personalausweis und die dazugehörige Nummer hinein oder Birgitte Foppa hätte - als pubblico ufficiale - auch genauso in das vorgesehene Kästchen „durch direkte Bekanntschaft“ schreiben können.
 
Da Gozzi die Dokumente vor der grünen Landtagsabgeordneten unterzeichnet hat, ist zwingend Letzteres der Fall. Weil man aber auch eine Kopie der Identitätskarte beigelegt hat, ging die Wahlkommission von der Beglaubigung per Personalausweis aus. Und dort fehlte die Nummer im Formular. Deshalb der Ausschluss.
„Diese Interpretation widerspricht der Ratio des Gesetzes völlig, denn es geht bei diesen Bestimmungen darum einen Schwindel zu verhindert“, argumentieren die Rekurssteller. Gerade die Kopie des Ausweises würde aber deutlich machen, dass die Grünen genau das Gegenteil gemacht hätten.
 

Das Urteil

 
Noch im Laufe des heutigen Tages oder spätestens am Dienstag wird sich zeigen, ob die Richter am Bozner Verwaltungsgericht diese Argumentation folgen werden und Patrizia Gozzi Buca als Kandidatin wieder zulassen werden. 
Keineswegs erleichtert wird die Entscheidung durch einen vorbestimmten institutionellen Interessenkonflikt. Mit Lorenza Pantozzi als Mitglied der Landeswahlkommission hat eine von sieben amtierenden Verwaltungsrichtern am vergangenen Mittwoch den Ausschluss gutgeheißen. Nimmt das Verwaltungsgericht jetzt den Rekurs an, sprechen sich die drei Richter indirekt auch gegen die Entscheidung einer Kollegin aus.
Keine ideale Voraussetzung für ein neutrales, wertfreies Urteil.
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Martin B. Mon, 09/10/2018 - 19:27

Genauso wie das aktive sollte auch das passive Wahlrecht eine hohe Priorität haben, besonders in politikmüden Zeiten. Gozzi mag keine Chancen auf Ereichung eines Sitzes haben, aber die beamtische Paragrafenreiterei ist wirklich nicht einzusehen. Welcher Schaden entsteht laut dem Gesetz, wenn die Dame trotz nichtigen Einreich-Unstimmigkeiten kandidiert? Wenn das nicht im Ermessen der Wahldemokratie von den Verantwortlichen zugunsten ausgelegt werden kann, dann sind wir wahrhaft Geiseln der Doktores iuris, die diese ganzen verschachtelten Landes- und Staatsgesetze verschriftlicht haben und dann eben auch noch gegen die Interessen der Gesellschaft interpretieren.

Mon, 09/10/2018 - 19:27 Permalink
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△rtim post Tue, 09/11/2018 - 02:06

"Birgitte Foppa hätte - als pubblico ufficiale - auch genauso in das vorgesehene Kästchen „durch direkte Bekanntschaft“ schreiben können" Das hat sie aber eben nicht getan. Da gilt: Hätte, hätte Fahrradkette.
Zur Aussage, "da Gozzi die Dokumente vor der grünen Landtagsabgeordneten unterzeichnet hat, ist zwingend Letzteres der Fall" Folgendes: Wieso sollte das zwingend sein? Vor dem Notar, Gemeindebeamten, Gerichtsbeamten .... , kurzum vor der jeweils zuständigen Amtsperson wird ständig unterschrieben ohne dass deshalb zwingend auf eine identitätsbezeugende Bekanntschaft geschlossen werden kann.
Der ratio legis folgend kann man annehmen, dass allein der fehlenden Übertragung der Ausweisnummer wegen im Beglaubigungsformular dies keinen zwingenden Ausschlussgrund darstellt. Aber wie heißt es: Vor Gericht und auf hoher See ist man in Gottes Hand.
Und selbst Gottes Menschensohn hat es bekanntermaßen nicht unbeschadet überstanden.

Tue, 09/11/2018 - 02:06 Permalink