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Mehr Haltung, bitte!

Würden wir neben unserer Pose mehr an unserer Haltung arbeiten, wäre die gewünschte Anerkennung von außen nachhaltiger.
Frau am See
Foto: Pixabay

Es wird angestrengt posiert, damit dann stolz gepostet werden kann – vor allem im Urlaub, wenn Meer und Berge die schönsten Hintergründe für Selbstinszenierung bieten. Würden wir neben unserer Pose mehr an unserer Haltung arbeiten, wäre die gewünschte Anerkennung von außen nachhaltiger.


 

Wie stark ein Artikel den darauffolgenden kontrastieren kann, bemerkte ich letzthin belustigt, als ich nach dem Bad im seichten Meerwasser in ebenso seichter Strandlektüre schmökerte. Lehrt Seite 12 noch Selbstakzeptanz, gibt Seite 13 Tipps, wie man in nur zwei Wochen für die perfekte Bikinifigur acht Kilo verliert. Einmal umblättern und die Selbstliebe weicht dem gesellschaftlichen Anpassungsdruck. Da waren manche Influencerinnen im Sommer pädagogisch wertvoller unterwegs. Unter dem Motto „Instagram vs. Reality“ zeigten sich Frauen im Netz in unterschiedlichen Posen. Einmal vorteilhaft abgebildet: mit Körperspannung, Schultern nach hinten, Brust nach vorne, Bauch rein, Po raus. Auf Foto Nummer 2 ist Atmen dann wieder erlaubt, die Schultern fallen nach vorne, der Bauch quillt über den Hosenrand und an den Beinen zeichnet sich Cellulite ab. #notabefore und #notanafter werden diese Momentaufnahmen betitelt, um darauf hinzuweisen, dass es reine Inszenierung ist und es auf die Körperhaltung ankommt. Nichts Neues für Fotograf*innen, aber eine erleichternde Erkenntnis für von Selbstzweifeln gepeinigten Menschen. Die Psychologin Vera Birkenbihl brachte es mit, „Es kommt auf die Haltung an“, noch besser auf den Punkt. Gerät man aufgrund einer bewussten Entscheidung in eine Entwicklung, beispielsweise die Akzeptanz der eigenen „Querschlankheit“ – wie sie es süffisant nennt – wird die Umwelt diese Entscheidung akzeptieren. Keine Kommentare oder ungebetenen Ratschläge werden folgen, weil man ausstrahlt, dass man mit sich im Reinen ist. Meint man hingegen, mehr auf die Waage zu bringen, als man „eigentlich dürfte“, nimmt die Umwelt das wahr und fühlt sich frei, zu kritisieren. Das gilt übrigens auch für jede andere Lebensentscheidung. Die Erfahrung lehrte mich Ähnliches: Vor einigen Jahren besuchte ich einen Samba-Kurs. Als am Ende der Kurseinheit jede*r Teilnehmer*in einmal in der Mitte des Kreises das eigene Tanztalent zum Besten geben sollte, empfand ich ein gewisses Mitgefühl mit einem korpulenten Mädchen. Ich nahm an, dass ihr unbehaglich sei, sich so prominent tanzend zur Schau zu stellen. Doch sie legte mit ihrem ausgeprägten Rhythmus- und ihrem positiven Körpergefühl die mit Abstand beste Schlussperformance hin und strahlte dabei wie ein Honigkuchenpferd. Ich staunte und schämte mich, dass ich ihr unterstellt hatte, sie könne sich unwohl fühlen. Das beweist: Unser Empfinden hat oft mehr mit uns selbst als mit anderen zu tun. Das Problem lag bei mir, nicht bei ihr. Aus fälschlichem Mitgefühl wurde echte Bewunderung.

 


 

Tipps zur besseren Haltung

  • Der Vergleich ist der Tod des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit. Also lass’ es!
  • Versuche deinen Social-Media-Konsum zu reduzieren, wenn du zu oft in die Vergleich-Falle tappst.
  • Umgib dich online und offline mit Menschen, die mehr leben als sich inszenieren.