Politics | Sterzing

Gute Nachrichten für das Krankenhaus

Werden die Leistungen der chirurgischen Abteilung am Krankenhaus Sterzing abgebaut? Ganz im Gegenteil, sagt Landeshauptmann Arno Kompatscher im Interview mit Salto.bz.
lh_arno_kompatscher_13.jpg
Foto: Othmar Seehauser
Die Umwandlung des Primariats für Chirurgie in ein Primariat für Orthopädie und Traumatologie am Krankenhaus Sterzing bzw. die Zusammenlegung des chirurgischen Dienstes mit Brixen hat im Wipptal einigen Staub aufgewirbelt. Diese Maßnahme wurde im Hinlick auf die anstehende Pensionierung von Robert Pfitscher, Primar der Chirurgie, getroffen, der sich mit Anfang September in den Ruhestand verabschiedet hat.
Von einem Abbau der Leistungen war in der Folge die Rede, insbesondere der ehemalige ärztliche Leiter und nunmehrige Abgeordnete des Team K, Franz Ploner, befürchtet, dass ein 24-Stunden-Dienst bei den chirurgischen Leistungen nicht mehr aufrecht erhalten werden kann. Salto.bz hat bei Landeshauptmann Arno Kompatscher, der seit einigen Monaten auch für den Bereich Sanität zuständig ist, nachgefragt.
 
Salto.bz: Herr Landeshauptmann Kompatscher, was waren die Gründe für diese Entscheidung?
 
Arno Kompatscher: Es hat bereits im Vorfeld sehr viele Gespräche und Diskussionen über die Umwandlung des Primariats gegeben. Die Mehrzahl der chirurgischen Leistungen war bereits vor der Pensionierung von Professor Pfitscher orthopädischer Natur. Wie in den anderen Krankenhäusern wird auch in Sterzing auf Spezialisierung gesetzt, und zwar in diesem Fall auf die orthopädischen Eingriffe. Durch die Pensionierung von Professor Pfitscher hat sich eine Neu-Definition des Primariats angeboten. Die Überlegung war: Schreiben wir das Primariat genauso wieder aus? Oder tragen wir der Realität Rechnung?
 
Schreiben wir das Primariat genauso wieder aus? Oder tragen wir der Realität Rechnung?
 
Wir haben also – ich betone – kein Primariat abgeschaffen. Dann tauchte allerdings die Frage auf, ob in Sterzing effektiv noch Operationen der Allgemeinchirurgie durchgeführt werden können und ob wir überhaupt das Personal dafür haben.
 
 
 
Wie lautete die Antwort?
 
Fakt ist, dass bereits vor der Pensionierung von Primar Pfitscher bei den chirurgischen Eingriffen kein 24-Stunden-Dienst in Sterzing garantiert werden konnte, und zwar aus dem einfachen Grund, weil das notwendige Personal dafür nicht zur Verfügung stand. Daher wurde in Sterzing nicht nur die Umwandlung des Primariats beantragt, sondern auch die Schaffung zweier neuer Vollzeitäquivalente im chirurgischen Bereich.
 
Zu den derzeit bestehenden 2,75 Vollzeitstellen kommen also noch zwei weitere hinzu?
 
Ja, diese wurden auch bereits genehmigt und auch die Finanzierung steht. Damit wollen wir künftig den 24-Stunden Dienst gewährleisten.
Leider herrscht ein allgemeines Misstrauen und die Befürchtung, dass in Sterzing Leistungen abgebaut werden könnten. Dieses Misstrauen müssen wir überwinden und das Vertrauen letztendlich durch das Aufzeigen von Fakten wiedergewinnen. Bedauerlicherweise steht bei jeder Entscheidung, welche das Krankenhaus Sterzing betrifft, sofort der Verdacht im Raum, dass ein Abbau stattfindet. Das soll keine Schuldzuweisung sein und ich verstehe sehr wohl, dass hier eine hohe Sensibilität herrscht.
 
Bedauerlicherweise steht bei jeder Entscheidung, welche das Krankenhaus Sterzing betrifft, sofort der Verdacht im Raum, dass ein Abbau stattfindet.
 
Was passiert in der Zwischenzeit, bis die Stellen besetzt sind?
 
Natürlich müssen wir die Ärzte für die beiden Stellen erst finden und wir versuchen, so schnell wie möglich die Anstellungen vorzunehmen. Es muss aber auch klar sein, dass das nicht von heute auf morgen passieren kann. In der Zwischenzeit greifen wir auf die Protokolle zurück, die ebenfalls noch aus der Zeit von Primar Pfitscher stammen und tun das, was bereits unter seiner Leitung praktiziert wurde. Wenn festgestellt wird, dass bei einem notwendigen Eingriff die spezifische Qualifikation des Arztes fehlt, erfolgt die Überstellung nach Brixen.
Sobald die Stellen besetzt sind, sollen jedoch wieder jene Leistungen, die im Leistungskatalog vorgesehen sind, im 24-Stunden-Dienst angeboten werden. In Brixen sind 5,75 Vollzeitäquivalente im chirurgischen Bereich tätig, die den 24-Stunden-Dienst gewährleisten können. Die Möglichkeit, Überstellungen vornehmen zu können, bedeutet also eine Absicherung für Sterzing.
Dass Operationen aufgrund des Personalmangels in Brixen durchgeführt werden mussten, ist nichts Neues. Deshalb waren wir auch sehr überrascht darüber, dass hier wieder der Verdacht von einem Abbau in den Raum gestellt wurde. Das Problem des Fachkräftemangels – nicht so sehr des Ärztemangels, sondern vielmehr fehlen die Pfleger und Pflegerinnen – betrifft nämlich nicht nur das Krankenhaus Sterzing, sondern das ganze Land – sogar in Bozen können wir derzeit nicht alle Leistungen anbieten, die wir gerne anbieten würden, weil die Pflegekräfte fehlen.
 
Dass Operationen aufgrund des Personalmangels in Brixen durchgeführt werden mussten, ist nichts Neues.
 
In Sterzing gab es jedoch einen Aufschrei.
 
In Sterzing wurde es – leider – schon wieder so interpretiert, als wollte die Landesregierung irgendetwas wegnehmen. Es wird kein Bett abgebaut! Wir können die Betten schlichtweg aufgrund des Pflegemangels nicht belegen. Natürlich bemühen wir uns so schnell wie möglich, die benötigten Fachkräfte, beispielsweise durch aktives Recruiting, zu gewinnen.
Uns wird immer wieder vorgeworfen, dass wir die kleinen Krankenhäuser in der Peripherie abwürgen wollen. Niemand hat ein Interesse daran, etwas abzubauen – ganz im Gegenteil: Sogar die nationale Strategie ist nach der Erfahrung mit der Corona-Pandemie darauf ausgerichtet, das Territorium zu stärken.
 
Gibt es Themen, die in Sterzing besonders relevant sind?
 
In Sterzing hat das Thema Wohnen einen großen Einfluss darauf, ob sich jemand für diesen Standort entscheidet. Inzwischen haben wir auch eine Übergangslösung finden können, für den Fall, dass  Wohnungen fehlen, und mittlerweile haben wir uns entschieden, eine Immobilie zu erwerben. Darin werden in erster Linie Wohnungen für das ärztliche und pflegerische Personal errichtet, daneben sollen aber noch weitere Dienste Platz darin finden. Das große Problem von Schlanders, Innichen und insbesondere Sterzing ist die periphere Lage.
 
Unser Ziel ist es deshalb, in der Peripherie andere Benefits anzubieten wie Wohnungen oder eine gute Kinderbetreuung.
 
Wir stehen vor einer Situation, dass sich die Pfleger und Pflegerinnen die Stellen aussuchen können und besonders junge Leute sich eher für größere Zentren wie Brixen, Bruneck, Meran oder Bozen entscheiden. Unser Ziel ist es deshalb, in der Peripherie andere Benefits anzubieten wie eben Wohnungen oder eine Kinderbetreuung, die den Mitarbeitern des Krankenhauses entgegen kommt. Der offizielle Auftrag lautet somit, den Standort der Grundversorgungskrankenhäuser attraktiver zu gestalten, indem den Mitarbeitern eine Wohnung und ein gutes Umfeld für die Familie geboten werden. Ich bin überzeugt, dass wir so neue Fachkräfte gewinnen werden. Das ist auch dringend notwendig, weil wir im Wettbewerb stehen.
 
 
 
Ein Teil der Ärzteschaft hat in einem offenem Brief nicht nur die Umwandlung des Primariats kritisiert, sondern auch die Berichterstattung in den Medien, die - sinngemäß - nicht der Realität entspricht. Nachfragen ergeben ein unglaublich zwiespältiges Bild, das schwer einzuordnen ist.
 
Es kommen hier mehrere Faktoren zum Tragen. Zum einen ist in den vergangenen Jahren nicht alles optimal abgelaufen, sprich die Art und Weise wie Entscheidungen kommuniziert wurden, war nicht unbedingt vertrauensbildend. In der Öffentlichkeit ist der Eindruck entstanden, dass das eine gesagt wird und etwas vollkommen anderes entschieden wird. Zum anderen gibt es von einigen Seiten immer wieder das Bestreben, politisches Kapital daraus zu schlagen, ungefähr nach dem Motto: „Die wollen uns das Krankenhaus zusperren, deshalb müsst ihr uns wählen, wir werden es verhindern.“
 
Diese Strategie ist deshalb so erfolgreich, weil wir effektiv Fehler gemacht haben und die interne Kommunikation suboptimal ist.
 
Diese Strategie ist deshalb so erfolgreich, weil wir effektiv Fehler gemacht haben und die interne Kommunikation suboptimal ist. Für die Ärzte und Ärztinnen, Pfleger und Pfegerinnen sowie die Mitarbeiter insgesamt im Gesundheitsbetrieb ist es unglaublich wichtig, gerade über jene Bereiche informiert zu werden, die sie betreffen – das ist nicht passiert. Deshalb habe ich die Unternehmenskultur, die Kommunikationskultur und das Miteinander ganz oben auf die Tagesordnung gesetzt. Wir beschäftigen uns tagtäglich mit technischen Fragen wie beispielsweise den Ablauf der nächsten Impfkampagne, daneben müssen wir uns aber ganz dringend mit einer anderen Ebene beschäftigen, und zwar müssen wir das Verständnis für einen gemeinsamen Südtiroler Gesundheitsbetrieb schaffen. Jeder muss das Gefühl haben, Teil eines Teams zu sein. Dazu gehört auch, dass die Mitarbeitenden zumindest in jenen Bereichen involviert werden, die sie betreffen bzw. sie darüber informiert werden. Informieren bedeutet dabei nicht das Weiterleiten eines Beschlusses – ansonsten fühlt sich die betreffende Person überfahren und ausgeschlossen. Eine unzureichende Kommunikations-Kultur ist natürlich ein Defizit, aus dem politisches Kapital geschlagen wird. Das ist ungut und führt zu sehr großen Verunsicherungen.
 
Wie entzieht man dem den Boden?
 
Indem man viel transparenter, viel früher und viel besser mögliche Entscheidungen diskutiert und kommuniziert. Wir müssen eine Kultur der Offenheit schaffen. Natürlich hat beispielsweise jeder Mediziner seine Vorstellungen darüber, welche Operationen er gerne an einem bestimmten Krankenhaus durchführen möchte. In einem Gespräch kann man die verschiedenen Möglichkeiten aufzeigen, aber auch das, was an einem bestimmten Standort nicht möglich sein wird. Auf diese Transparenz und Offenheit lege ich sehr viel Wert. Teil dieses Problems ist aber auch, wenn sich  Mitarbeiter in Gesprächen mit Entscheidungen wie beispielsweise der Verlegung von Diensten nicht nur einverstanden zeigen, sondern diese sogar Willkommen heißen – schlichtweg weil es ihr Arbeitspensum nicht mehr zulässt – sich aber aus einem Zwang heraus öffentlich anders äußern, um nicht als Gegner des Standortes abgestempelt zu werden. Im Sanitätsbetrieb herrscht leider immer noch dieses Konkurrenz-Denken vor, wo jeder glaubt, sich beweisen und den eigenen Standort verteidigt zu müssen. Dabei muss etwas ganz anderes verteidigt werden, und zwar der gesamte Sanitätsapparat. Wenn das System gut funktioniert, dann funktioniert auch der eigene Standort. Um diese Verteidigungshaltung zu überwinden, müssen wir auch in der Bevölkerung mehr Vertrauen fassen und es schaffen zu vermitteln, dass wir den Bürgern nichts wegnehmen wollen, sondern dass die Entscheidungen in ihrem Sinne sind.

 

Bild
Profile picture for user Karl Trojer
Karl Trojer Tue, 10/11/2022 - 18:25

Sehr gut ! Dezentrale Krankenhäuser sind patientennah und beschleunigen die Abwicklung der Dienste beachtlich.

Tue, 10/11/2022 - 18:25 Permalink