Society | SALTO change

Der Weg in den Autoritarismus

Mit „Radikalisierter Konservativismus“ hat die Politologin Natascha Strobl ein Standardwerk zu aktuellen politischen Entwicklungen geschrieben. Sie ist im Oktober zu Gast bei start.klar. im UFO Bruneck.
Natascha Strobl
Foto: Markus Lobis
  • Natascha Strobl gehört zu den markantesten politischen Intellektuellen des deutschsprachigen Raums. Sie ist Politikwissenschaftlerin, Autorin und eine der schärfsten Beobachterinnen jener Prozesse, in denen sich Sprache, Macht und Ideologie gegenseitig durchdringen. 

  • SALTO change im Oktober

     „Die Demokratie und die Gefahr von rechts“ lautet das Thema von SALTO change im Oktober:

    Alle Artikel der Reihe SALTO change findet ihr unter www.salto.bz/change

    Wenn ihr Ideen für weitere SALTO-change-Themen habt, schickt uns eure Vorschläge und Anregungen an [email protected].

  • In einer Zeit, in der sich demokratische Diskurse zunehmend verhärten und polarisieren, liefert Strobl präzise Begriffe und analytische Werkzeuge, um zu verstehen, wie Politik heute funktioniert – und wie sie sich gefährlich verändern kann.

    Ihren großen Durchbruch erlebte Strobl 2021 mit dem Buch Radikalisierter Konservatismus. Eine Analyse, das im Suhrkamp Verlag erschien und schnell zu einem Bestseller wurde.

  • Natascha Strobls Buch: Fachlich fundierte Diagnose unserer gegenwärtigen politischen Landschaft Foto: Screenshot, Markus Lobis
  • Strobls Buch wirkt auch heute noch weit über den akademischen Kontext hinaus, weil es eine sprachlich zugängliche und gleichzeitig fachlich fundierte Diagnose unserer gegenwärtigen politischen Landschaft liefert. Strobl legt darin dar, wie sich der klassische Konservatismus in vielen westlichen Demokratien schrittweise radikalisiert, ohne offen in den Bereich des Extremismus überzugehen. Gerade in dieser Zwischenzone, argumentiert sie, entstehe eine gefährliche politische Dynamik: autoritäre Tendenzen werden normalisiert, demokratische Diskurse verschoben, und die Grenze zwischen demokratischer Repräsentation und rechtspopulistischer Demagogie zunehmend verwischt. Wer in diesen Tagen den politischen Eiertanz der CDU und der CSU in Deutschland näher beobachtet, findet darin eine Bestätigung für Strobls viel diskutierte Thesen – und muss zudem noch zur Kenntnis nehmen, dass die AfD davon profitieren kann. 

     

    Die systematische Verschiebung des Sagbaren

     

    Der Schlüssel dazu liegt in der von Strobl beschriebenen „Radikalisierung der Normalität“. Sie legt dar, wie konservative Parteien in Reaktion auf rechtspopulistischen Druck Elemente jener Rhetorik, Strategie und Themenübernahme praktizieren, die ursprünglich von der extremen Rechten stammen. Der Radikalismus zeigt sich dabei nicht in offenen Gewaltaufrufen, sondern in der systematischen Verschiebung des Sagbaren, in der Entwertung politischer Gegner und im Einsatz emotionalisierter, polarisierender Kommunikation. Wem fällt in diesem Zusammenhang nicht das maßlose Herabwürdigen der Person von Robert Habeck und die systematische verbale Verprügelung der Grünen ein, die von konservativen PolitikerInnen in Deutschland betrieben wurde? 

  • Über die Autorin

    Geboren 1985 in Wien, studierte Natascha Strobl im norwegischen Bergen sowie an der Universität Wien. 2010 schloss sie ein Skandinavistik-Studium mit ihrer Diplomarbeit zu den Sozialsystemen in Norwegen und Österreich als Magistra ab, 2012 ihr Politologiestudium mit einer Diplomarbeit über Ideologie und Strategie der Neuen Rechten. Strobl spezialisierte sich früh auf Rechtsextremismusforschung und politische Ideologien. 

    Bereits in den 2010er Jahren machte sie sich mit Studien über die Neue Rechte und die Identitäre Bewegung einen Namen. Ihre gemeinsam mit Kathrin Glösel und Julian Bruns verfassten Bücher „Die Identitären“ (2014) und „Rechte Kulturrevolution“ (2015) gelten heute als grundlegende Arbeiten zur modernen europäischen Rechten. Darin verbindet sie ideengeschichtliche Analyse mit politischer Soziologie und Medienkritik – ein Stil, der zu ihrem Markenzeichen werden sollte.

  • Strobl analysiert auch Phänomene wie den „Opfermythos“ des politischen Establishments, das sich gegen angebliche moralische Eliten und gegen Medien wendet, oder den Missbrauch von Begriffen wie Freiheit und Sicherheit zur Legitimation von Ungleichheit und Ausgrenzung. Das Buch zeigt überzeugend, wie der politische Stil selbst – also Sprache, Medienstrategie, Emotionalisierung – zur Triebkraft der Radikalisierung wird. Diese Verschiebung beschreibt sie anhand zahlreicher Beispiele aus Europa und den USA, wobei sie vor allem die Politik Donald Trumps, Viktor Orbáns oder Sebastian Kurz’ als paradigmatisch versteht.

     

    Den Anschein von Normalität bewahren

     

    Strobls Analyse geht über eine reine Ideologiekritik hinaus. Sie richtet den Blick auf Strukturen und Dynamiken moderner Mediengesellschaften, auf Kommunikationsmechanismen und die Ökonomie der Aufmerksamkeit. Sie weist nach, dass der heutige radikalisierte Konservatismus kein Randphänomen mehr ist, sondern in den Zentren der Macht angekommen ist – und dass seine Stärke gerade darin liegt, den Anschein von Normalität zu bewahren. Ihre Sprache ist bewusst klar, zugänglich und ohne akademischen Jargon, was den großen Erfolg des Buches mitbegründet hat. Es war wochenlang auf Bestsellerlisten, wurde breit in Feuilletons diskutiert und 2021 mit dem Anerkennungspreis des Bruno-Kreisky-Preises für das politische Buch ausgezeichnet.

    Strobls Buch hat in den letzten Jahren nichts an Relevanz und Treffsicherheit eingebüßt – im Gegenteil: Die aktuellen Entwicklungen bestätigen Ihre Thesen und Aussagen auf beeindruckende Weise. 

  • „start.klar. im UFO Bruneck“

    Am 22.10. findet „start.klar. im UFO Bruneck“ statt. Das Thema lautet „Demokratie in Gefahr | Was macht den Rechtsextremismus so verführerisch?“. Zu Gast bei Moderator Markus Lobis sind die Wiener Politologin und Extremismusexpertin Natascha Strobl und der Sozialpädagoge und OstWestClub-Macher Thomas Kobler aus Meran. Der Livestream des start.klar.-Abends wird auf SALTO übertragen.