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Schlusslicht

In Südtirol liegt die Zahl der freiwilligen Schwangerschaftsabbrüche hinter dem regionalen und nationalen Vergleich: Wertvorstellungen und andere mögliche Gründe.
Schlusslicht
Foto: Sheldon.studio

Pro 1.000 Frauen zwischen 15 und 49 Jahren - jene Zeitspanne, die das Landesstatistikinstitut ASTAT als "fruchtbares Alter" definiert - haben im Jahr 2020 in Südtirol vier bis fünf einen freiwilligen Schwangerschaftsabbruch vorgenommen. Diese Zahl liegt unter dem Wert der Provinz Trient (fünf pro 1.000 Frauen im fruchtbaren Alter) und auch unter dem nationalen Vergleich: In Italien liegt die Zahl der freiwilligen Schwangerschaftsabbrüche zwischen fünf und sechs pro 1.000 Frauen im fruchtbaren Alter.

Während die Zahl der freiwilligen Schwangerschaftsabbrüche in Südtirol über die letzten drei Jahre relativ stabil geblieben ist und sogar etwas zugenommen hat, ist dieselbe Zahl in der Provinz Trient und im restlichen Staatsgebiet rückläufig.

 

Die Gründe für die relativ niedrige Zahl an freiwilligen Schwangerschaftsabbrüchen in Südtirol können vielschichtig sein; angefangen bei einer besseren öffentlichen und privaten Unterstützung für Familien und alleinerziehende Mütter, über eine bessere wirtschaftliche und soziale Lage bis hin zu tief verwurzelten Wertvorstellungen. Wertvorstellungen der Mütter, die sich bewusst gegen eine Abtreibung entscheiden oder aber jene der Ärztinnen und Ärzte, die von ihrem Recht, eine Abtreibung zu verweigern ("obiezione di coscenza"), Gebrauch machen.

Vor allem Letzteres ist ein in Italien weitverbreitetes Phänomen, das Frauen ihr Recht, selbst über ihren Körper zu bestimmen, verweigert. Laut der Plattform "Obiezione respinta" führt Italien die Liste der Länder mit der höchsten Anzahl an Verweigerern in öffentlichen Krankenhäusern an. Zu dieser Statistik gesellen sich all jene Apotheker, die sich - auf heimliche und illegale Weise - weigern, die "Pille danach" zu verkaufen. Die Folge dieser Weigerungen sind zeitaufwendige und in manchen Fällen gesundheitsgefährdende Schwierigkeiten bei Schwangerschaftsabbrüchen, psychologische Traumen, aber auch ungewollte Schwangerschaften.

 

Ihr 'Gewissen' ist eine Last, die wir zu tragen haben, wenn Sie uns in der Apotheke nicht die 'Pille danach' geben, wenn Sie sich in den Krankenhäusern weigern, RU486 zu verschreiben, wenn Sie uns daran hindern, eine Abtreibung vorzunehmen, oder uns in unmenschliche Situationen zwingen, weil Sie eine Frau, die abtreibt, für unwürdig halten, als solche definiert zu werden, nachdem sie die Rolle und das 'Geschenk', das ihr gegeben wurde, nämlich Mutter zu sein, abgelehnt hat. - Obiezione Respinta

 

Um auf dieses Problem aufmerksam zu machen, wurde die Plattform "Obiezione respinta" ins Leben gerufen, wo Betroffene und Interessierte Informationen finden und eigene Erfahrungen teilen können. Auf einer Landkarte werden Informationen verortet und all jene Orte signalisiert, in denen man sich weigert, die Pille danach auszuhändigen oder einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen.

"Angesichts der zunehmenden Fälle von Verweigerung, Gewalt bei der Geburtshilfe und allgemeiner Fehlinformationen über medizinische/ gesundheitliche Praktiken, die sich gegen Frauen und LGBT-Personen richten, sahen wir die Notwendigkeit, eine selbstverwaltete Plattform zu schaffen, die es uns ermöglicht, jene Orte anzuprangern, an denen Verweigerung aus Gewissensgründen praktiziert wird und gleichzeitig einen kostenlosen Dienst anzubieten, um Zugang zu Informationen zu erhalten, die nur schwer zugänglich sind", so die Plattformbetreiber.

Und weiter: "Es besteht ein Bedarf an mehr Information und Selbsterziehung von unten, aus der Konfrontation zwischen uns allen." Für Südtirol wurden diesbezüglich noch keine Daten registriert.

 

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