Politics | Aus dem Blog von Brigitte Foppa

Neue Wege - vie nuove...? Rede zur Wahl des neuen Landeshauptmanns

In meinem Leben habe ich 4 Südtiroler Bischöfe erlebt, Päpste sogar 5. Heute, es ist wirklich historisch in so einer Südtiroler Biografie, tritt der 3. Südtiroler Landeshauptmann in mein Leben. In 45 Jahren!
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Der neue LH ist ein Mann meiner Generation, er versprach und verspricht Erneuerung. 
Man spürte in unsrem Land vor einigen Wochen einen ganz besonderen Wind, einen ganz neuen. Eine kleine Zeitlang, nach dem Verlust der absoluten Mehrheit der SVP glaubte man, dass es in Südtirol genau wie in ganz Europa, eine ganz normale Koalition geben würde. Die auf Grund einer programmatischen Ausrichtung und demokratiepolitischen Notwendigkeit entsteht und die Kräfte der Parteien widerspiegelt. 
 
In Europa haben die Koalitionen nicht umsonst immer einen Namen (Rot-grün, Schwarz gelb...). In Südtirol war es doch kurios, ist euch aufgefallen, dass erstmals über ähnliche Kombinationen spekuliert wurde (wobei alle sich schwer taten, die passenden Etiketten zu finden – insbesondere für den PD. Sollte man ihn Rot nennen? Die SVP schwarz?) So oder so: Das war ein bunter Wind in Südtirol! Ein laues Lüftchen echter Demokratie! 

Es war bald zu Ende. Am Abend, wo offiziell wurde, was alles schon wussten, da ging – ich war an dem Abend in der Bozner Innenstadt unterwegs – ein Seufzer der Enttäuschung durch die Stadt. Mich hat das damals richtig beeindruckt und ich wollte das in diesem Haus hier erzählen, denn vielleicht ist dieser Seufzer nicht in die SVP-Machtzentrale vorgedrungen. 

Ab dem Moment hat sich ein grauer Schleier über die gesamte Regierungsbildung gelegt. Die Erneuerung, das sind wir! so drang der Ruf aus den Zentralen in der Brennerstraße und am Dominikanerplatz. Die Biologie lehrt uns etwas anderes. Nämlich dass das Neue nicht in der ungeschlechtlichen Fortpflanzung entsteht, sondern wenn sich Fremdes, aber aneinander Interessiertes zusammentut, das Erbmaterial austauscht – und so etwas entstehen lässt, dass es niemals vorher gab und das es auch niemals nachher geben wird. Das wäre der Sinn einer echten Koalition, die Fremdes aber aneinander Interessiertes zusammenführt und Neues generiert. 

Das wäre der Sinn einer echten Koalition, die Fremdes aber aneinander Interessiertes zusammenführt und Neues generiert. 

Aus diesem Grund braucht es auch, damit Neues entstehen kann, Männer und Frauen. Eines sind die Quoten, aber das ist eine rationale, oft emotional nur schwer tragbare Entscheidung, die wir aus einem Gerechtigkeitssinn heraus treffen. Etwas anderes ist der echte Glaube dran, dass man nur mit einer starken gemeinsamen Arbeit etwas wirklich Neues entstehen lassen kann. 
Von Arno Kompatscher, der sicher auch von vielen Frauen gewählt worden ist, konnten wir und hierzu etwas erwarten. 
Er hat uns enttäuscht. 
Eine einzige Frau zählt etwas in der neuen Landesregierung. 
 
Alle wichtigen Agenden werden beim LH selber liegen. Die Rollenaufteilung ist fast noch traditioneller als unter dem abgetretenen Monarchen, unter dem zumindest Barbara Repetto, bevor sie von ihren Parteikollegen aus dem Landtag prozessiert wurde, einige interessante, nicht a priori weiblich besetzte Agenden inne hatte. 

Die Rollenaufteilung ist fast noch traditioneller als unter dem abgetretenen Monarchen,

Für die Regionalregierung scharren ebenfalls nur Hengste in ihren Boxen. Ich erwarte mir, dass zumindest eine Frau die LH-Vizepräsidentschaft übernimmt. Arno Kompatscher, wir Frauen haben hier Erwartungen an Deine nächsten Entscheidungen! Versucht es ruhig einmal, verehrte Herren, aus Frauensicht zu sehen... 
Und wenn ihr schon soweit seid, schlüpft doch auch kurz einmal in die Rolle der anderen Sprachgruppen. 
 
Auch in diesem Sinne gälte das Prinzip der Erneuerung durch Erweiterung. Doch was erleben wir? Anstatt über den Verlust der italienischen Volksgruppe in die demokratische Vertretung zu sinnieren, gibt es seit Wochen den erbärmlichen spettacolo über die Machtverteilung innerhalb des PD.

Quote e Poltrone! Posti e poltrone! Proporzionale e poltrone! 
 
Il problema, cari colleghi del PD, – e ringrazio il collega Tommasini per essere rientrato in aula, non è se avete un secondo assessore. Il problema è che gli italiani e le italiane di questa terra non si sentono rappresentati da voi. Ecco perché era interessante integrare la presenza del PD con, ad esempio, il più eletto dagli italiani. Invece proprio voi eravate interessati solo a restare senza concorrenza all’interno della giunta. 
 
Non credo neanche fosse una questione di potere, ma probabilmente era il timore di trovarsi accanto qualcuno come noi, con una vera passione per la politica, di sinistra, con idee e non solo con l’obbiettivo di gestire il potere. In questo signori colleghi del PD, avete un’importante responsabilità verso il gruppo italiano che così debolmente rappresentate. 
Perché dov’è la vostra firma in questo programma di coalizione? Dov’è Bolzano? Dove è la scuola plurilingue, l’unica condizione che in campagna elettorale avete timidamente posto? La vostra firma purtroppo si nota solo dalla seconda poltrona. Che tristezza. 

La vostra firma purtroppo si nota solo dalla seconda poltrona. Che tristezza. 
 
Mi aspetto da voi che vi rinnoviate profondamente. Che sappiate dare un’idea di politica che non sia il cinismo della gestione, ma l’entusiasmo e la mission di poter fare qualcosa per la comunità che rappresentate. 

Was ich mir also erwarte von diesem Landeshauptmann, ausgehend vom Papier, das er uns hinterlegt hat, ist nur ein einziges, nämlich Mut zu einigen wichtigen Entscheidungen. 

Bildung steht ganz vorne im Papier und dort sticht fast schon schmerzhaft 2 mal der Ausdruck Qualitätssicherung ins Auge. Ich wünsche mir, dass es in der Schule Südtirols weniger um Standards und neue Bürokratiemechanismen gehen wird, sondern um jene Erneuerung, die am meisten aus den Familien Südtirols dringt. Bitte erinnert euch an die Debatte an der Uni Innsbruck und daran wie laut der Ruf nach einer mehrsprachigen Schule aus der StudentInnenschaft gedrungen ist. Das dort war die zukünftige Intellighenzia Südtirols, die klugen Köpfe!


Bitte erinnert euch an die Debatte an der Uni Innsbruck und daran wie laut der Ruf nach einer mehrsprachigen Schule aus der StudentInnenschaft gedrungen ist. Das dort war die zukünftige Intellighenzia Südtirols, die klugen Köpfe!  


Macht bitte eine Umfrage unter den Familien Südtirols, insbesondere der Städte! 
 
Erzählt in Europa, wenn ihr unser Autonomiemodell herum reicht, auch von den armseligen Sprachkenntnissen unserer Jugendlichen und wie wenig die diversen Kulturen im Lande voneinander wissen. Ich befürworte den CLIL-Ansatz, der explizit genannt wird, aber er wird dem Bedürfnis nicht gerecht. Moderne Europäer wissen das, Arno Kompatscher. Ich erwarte mir hier da einfach mehr, auch von einem jungen Bildungslandesrat, dem ich alles Gute wünsche. Bitte, seid doch europäisch in dieser Sache und lasst euch nicht von einigen verschrobenenen Populisten vor sich her treiben! 

Dasselbe gilt für das Thema Integration. Die Reduktion auf demografischen Wandel und Beschäftigung finde ich gefährlich, das Konzept von Integration an sich ist eigentlich schon überholt, spricht man heute doch von Inklusion, nicht nur was Menschen mit Beeinträchtigung angeht, sondern auch im Hinblick auf die neuen MitbürgerInnen. 

Freude gibt es über ein neues Raumordnungsgesetz und die neue Umweltpolitik. Immer wieder interessant, wie man sich in der SVP von dem distanziert, was man bisher selber hervorgebracht hat. Ich erinnere mich an eine Präsentation, bei der ein Assistent des damaligen LR Leimer mit Kopfschütteln und Missbilligung Folien zur Zersiedelung Südtirols in den letzten 20 Jahren gezeigt hat und schloss, dass es eine neue Raumordnungspolitik brauche. Già. Appunto. 

Während im Anfang des Papiers die mehrmalige Verwendung des typischen Politworts „Rahmenbedingung“ ins Auge sticht, so ist der gesamte 2te Teil dem Thema Dialog und Konsens gewidmet, sowohl was Bürgerinnen und Bürger betrifft - auch wenn Partizipation, Arno Kompatscher hat das Wort in seiner Rede mehrmals verwendet, nicht bedeutet, mit dem roten SVP-Büchlein durch das Land zu tigern. Aber der künftige LH hat in seiner Gemeinde schon gezeigt, dass er hier Bescheid weiß, - als auch im Sinne der Sprachgruppen (wie?) und der Sozialpartner und schließlich im Sinne des neuen Arbeitsstils im Landtag. Das ist sehr löblich und darauf freue ich mich. Auf die einzelnen Maßnahmen bin ich gespannt. 
Insbesondere auf die Entwicklung des zukünftigen Landtagspräsidenten, den ich bisher nicht als Dialogexperten kennengelernt habe. Als Präsidentin der Bozner Mobilitätskommission etwa habe ich 3 Jahre lang drauf gewartet, dass Thomas Widmann einmal zu uns kommt und mit der Landeshauptstadt über deren Mobilitätskonzepte spricht. Ich empfehle einschlägige Weiterbildungsveranstaltungen zur Stärkung dieser Kompetenzen. 

Als Präsidentin der Bozner Mobilitätskommission etwa habe ich 3 Jahre lang drauf gewartet, dass Thomas Widmann einmal zu uns kommt und mit der Landeshauptstadt über deren Mobilitätskonzepte spricht. Ich empfehle einschlägige Weiterbildungsveranstaltungen zur Stärkung dieser Kompetenzen. 

Die neuen Wege, die im Schlusssatz angesprochen werden, die wollen wir mitbeschreiten. Messen wird man das, was nun geschieht, wenn es wirklich etwas ANDERES, etwas NEUES sein soll, nicht nur an den Ergebnissen, sondern auch am Prozess, an der Methode. 

Beim Nachhaltigkeitskongress letztes Jahr in Brixen sprach der Postwachstumsökonom Nico Paech von dem, was Politik leisten kann und von ihren Grenzen. Er sprach, für uns angehende PolitikerInnen ziemlich ernüchternd, davon, dass wahre Erneuerungsprozesse niemals von der Politik ausgehen, sondern stets von der Gesellschaft. Und dass Politik im Normalfall diese Prozesse eher verhindert und nur, wenn sie wirklich gut ist, diese ermöglicht oder gar vorantreibt. Ecco, vielleicht könnte dies ein Ziel sein: nicht die Erneuerung versprechen, sondern ein waches Ohr und ein offenes Auge für jene Erneuerungsprozesse haben, die in der Südtiroler Bevölkerung schon am Keimen oder am Fruchten wären, wenn die Politik sie nur zulassen würde. 

Für unser Land wäre dies wohl der größte Schritt zu einer neuen, besseren und besser zusammen lebenden Gemeinschaft.

 

 

Ich kopiere hier mal einfach mein Kommentar von vorgestern: wie wäre es mal mit Erneuerung bei der Opposition? Im Sinne der konstruktiven Kritik und der (mit)Arbeit für das Wohl aller Südtiroler, könnte man mindestens mal zu Anfang der Legislatur den Kompatscher eine Chance geben. Die Grünen sind ja sonst immer so weltoffen und tolerant...

Sat, 01/11/2014 - 11:49 Permalink