„Da gibt es viele“
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SALTO: Welches Buch hat Sie in Ihrer Kindheit nachhaltiger geprägt, als Sie damals je geglaubt hätten?
Birgit Unterholzner: Mit Sicherheit Astrid Lindgrens Pipi Langstrumpf. Ich hab dieses sommersprossige Mädchen bewundert und habe gestaunt: so ein freies und wildes Leben und so rote Zöpfe und kein bisschen Angst vor nichts und niemandem.
Welcher letzte Satz eines Romans ist und bleibt für Sie ganz großes Kopfkino?
An letzte Sätze erinnere ich mich nicht. Meist sind es diese offenen Enden, die mich die Geschichten weiter träumen lassen. Vielleicht das Ende aus dem Buch „Der Tag, an dem ein Wal durch London schwamm“, es ist ein wunderbares Buch über die Erschütterung von Gedächtnis und Identität. Es heißt darin am Ende:
„Wir haben es nicht eilig. Wir gehen so schnell, wie du es schaffst“, antwortete Gott und bot ihr seinen Arm. Anna stand noch einen Moment da, schloss die Augen und lauschte. Das war ihre Insel. Erlen. Steine, Buchfinken, Gräser. „Stell dir vor, da bin ich doch noch mal hergekommen“, sagte Anna und ging dann langsam auf das Haus zu.
Ich erinnere mich an einen Roman, „Winter in Maine“ von Gerard Donovan. Wir liebten ihn beide.
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Reimen ist doof, Schleimen ist noch doofer… Auf welches – anscheinend gute – Buch konnten Sie sich nie wirklich einen Reim machen?
Spieltrieb von Juli Zeh. Ich hab es wirklich versucht und bis Seite 266 gelesen, danach hab ich die Lektüre abgebrochen, denn es hätte noch einmal so viele Seiten gehabt. Vielleicht tue ich der Autorin Unrecht und vielleicht müsste ich es noch einmal versuchen. Aber es gibt so viele andere schöne Geschichten … so why?
Ein Fall für Commissario Vernatschio. Wie erklären Sie einem Außerirdischen die geheimnisvolle Banalität von Lokalkrimis?
Krimis mag ich eigentlich gar nicht. Weder im Fernsehen noch in Büchern. Wenn ich wirklich auf einen Außerirdischen treffen würde, würde ich mich bestimmt nicht über Lokalkrimis unterhalten. Ich würde ihn nach den Sternen fragen, nach den schwarzen Löchern, ob es da draußen die Phänomene Zeit und Raum gibt und andere Leben. Und ich würde ihn bitten mich mitzunehmen auf eine Reise ins All.
Falls es irgendwann keine Bücher mehr geben sollte...
Gewichtig! Welchen Buch-Tipps schenken Sie noch uneingeschränkt Vertrauen?
Meiner Tante Anna Rosa Unterholzner. Sie war Deutschlehrerin und hat mir als Kind und Jugendliche die schönsten Bücher geschenkt. „Amigo, ich singe im Herzen“. „Die Kinder von Schewenborn“. „In dreihundert Jahren vielleicht.“ Und und. Dafür bin ich ihr heute noch dankbar. Wahrscheinlich hätte ich ohne sie nie Literatur studiert und wäre nicht der Mensch, der ich heute bin. Wenn ich einen wirklich verlässlichen und ausgezeichneten Buch-Tipp brauche, telefoniere ich mit ihr. Für mich ist es jedes Mal ein 100%iger Treffer.
Ich erinnere mich an einen Roman, „Winter in Maine“ von Gerard Donovan. Wir liebten ihn beide. Wir waren die einzigen. Alle anderen in unserem lesenden Bekanntenkreis hatte die Geschichte verstört.Was für ein Fehlschlag! Welches Buch würden Sie auf einer einsamen Insel zurücklassen?
Es gibt viele Bücher, die nicht unbedingt gelesen werden müssen. Es gibt viele, die man auf einer Insel lassen könnte, um daraus ein schönes und wärmendes Lagerfeuer zu machen.
Das Rauschen des Blätterns. Welches Buch würden Sie auf keinen Fall am E-Book-Reader lesen?
Das Blättern in einem Buch, das Berühren der bedruckten Seiten hat immer etwas Faszinierendes für mich. Ich lese alles lieber in Papierform. Falls es irgendwann keine Bücher mehr geben sollte, werde ich selbstverständlich weiter lesen am E-Book-Reader oder wo auch immer.
Welches Buch zu Südtirol oder eines/einer Autors/Autorin aus Südtirol würden Sie unbedingt weiterempfehlen?
Da gibt es einige. Die Gedichte von norbert c. kaser. Einen Roman von Sabine Gruber. Und "Ein Hund kam in die Küche" von Sepp Mall.
Birgit Unterholzner, geboren 1971 in Bozen, studierte Germanistik, Geografie und Medienkunde an der Universität Innsbruck. Mehrjährige Ausbildungen in den Bereichen Theaterpädagogik, Forumtheater und Hatha-Yoga. Bildungsreisen nach Asien, Afrika und Nordamerika. Sie lebt heute als Schriftstellerin und Yogalehrerin in Bozen und gibt Kurse für kreatives Schreiben. Sie hat zahlreiche Bücher (u.a. auch für Kinder) veröffentlicht.
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