Der Turmbau zu Girlan
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Eine Kellerei braucht Sichtbarkeit, will auch in ihren Baulichkeiten einen Anspruch ausstrahlen, heute meist Einklang mit der Natur, Qualität des Produkts und Nachhaltigkeit des Betriebs. Die massive Grundstruktur aus Beton und Stahl ist straßenseitig mit Holz verschalt und oben mit Balken verziert. Unverkennbar der Bezug zur Tradition der Holzfässer, auch wenn der Südtiroler Holzbaufonds den Einsatz von Holz als Baustoff anders verstanden haben will.
Zement ist zwar der klimaschädlichste Baustoff, was der Nachhaltigkeit des Betriebs aber keinen Abbruch tut, denn – laut Selbstdarstellung der Kellerei – werden 55% des Strombedarfs durch die eigene PV-Anlage gedeckt und kompensieren dadurch wohl die CO2-Emissionen, die allein durch den Bau freigesetzt worden sind.
Auch Tradition spielt gewiss eine Rolle: die Kellerei ist im Internet nur unter dem von Tolomei frei erfundenen Namen colterenzio.it zu finden.
Dann der Turm. Vermutlich soll er die Wuchtigkeit der Pinot Nero- und Lagrein-Linien dieser Kellerei transportieren, vielleicht auch die Harmonie mit der Rebenlandschaft, wo auch Beton zum Einsatz kommt. Ins Auge sticht die schräge Seitenabstützung in Sichtbeton. In ihrer Eleganz gewiss eine Anspielung auf die Raffinesse der prämierten Weißweine dieser Kellerei. Doch warum dieser seltsame Turm?
Das hat mit dem Etikett und Markenzeichen dieser Kellerei zu tun. 1985 vom Eppaner Kunstgrafiker Roland Prünster frei erfunden, denn einen solchen Turm gab es hier nie. Die Kellerei sah sich anscheinend gezwungen, endlich auch ihr Markenzeichen originalgetreu nach Etikett in die Landschaft zu klotzen. Jetzt steht der Klotz da und jeder Eppaner kann daraus lernen: wenn ich Ungewöhnliches bauen will, was die Gemeinde vermutlich nicht genehmigt, kreiere ich besser zuerst ein Logo, das jeder nachbauen dürfen muss.
So strahlt der Kellerei-Neubau eine seltsame Harmonie aus zwischen Innovation und Bodenständigkeit, zwischen Beton und Holz, zwischen Landschaft und Bauwerk. Auf jeden Fall wird die Kellerei ihrem Slogan gerecht: „Rebellen und Pioniere“. Vielleicht wird das Bauwerk in 100 Jahren sogar als visionäre Architektur unter Denkmalschutz gestellt. Mir bleibt ein schwacher Trost: man gewöhnt sich relativ rasch auch an architektonische Scheußlichkeiten und der Turm hätte auch weit höher ausfallen können.
Die Mitglieder dürfen das…
Die Mitglieder dürfen das auch brav abnicken. Eigentlich das Motto der Bauingenieure: Gib der Natur einen Halt - mit Beton und Asphalt.
Ah ja, nicht nur abnicken,…
Ah ja, nicht nur abnicken, sondern auch berappen.