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Garantierte Hochspannung

Welche Auswirkungen haben die Änderungen des Bozner Gemeinderats zum Fusionsvertrag von SEL und Etschwerken? Nun sind die Juristen dran.


Die größte politische Hürde ist geschafft, doch mit welchen Folgen? Dieses Fragezeichen beschäftigt nach der Abstimmung des Bozner Gemeinderates über den Rahmenvertrag zur Fusion von SEL und Etschwerken so einige Köpfe innerhalb und außerhalb des Landes. Mit 22 Stimmen hat Bürgermeister Luigi Spagnolli die Energiehochzeit am Dienstag Abend haarscharf durch den Gemeinderat gebracht. „Es hätte auch schlimmer gehen können“, meinte er am Tag nach dem Kraftakt, „viele Leute haben nicht komplett verstanden, wie viele unterschiedliche Aspekte zu berücksichtigen waren.“

Die Tatsache, dass er aus seiner Mehrheit gerade einmal 21 der 31 möglichen Stimmen zusammengekratzt hat, wirft aber nicht nur die Fragen nach künftigen politischen Bündnissen im Bozner Gemeinderat auf. Zumindest dem straffen Zeitplan der Energiehochzeit dürften die Bozner GemeinderätInnen einen Strich durch die Rechnung gemacht haben. Ursprünglich hätten die politischen Beschlüsse der beiden Gemeinderäte und der Landesregierung bereits innerhalb 10. Februar gefasst werden sollen, um dann den Rahmenvertrag Mitte Februar vom Verwaltungsrat und der Gesellschafterversammlung von Etschwerken und SEL genehmigen zu lassen. Doch die Bozner haben nicht nur länger gebraucht als geplant; da es Luigi Spagnolli und seinem Vize Klaus Ladinser nicht gelungen ist, die nötige Mehrheit von 26 Stimmen zusammenzubekommen, wird der Beschluss nicht sofort, sondern frühestens in zwei Wochen rechtswirksam.  

Geänderter Rahmen

Als noch folgenreicher könnten sich jedoch die Abänderungsanträge herausstellen, die am Dienstag Abend im Bozner Gemeinderat verabschiedet wurden. Der Bürgermeister selbst hatte dabei das schriftliche Versprechen Arno Kompatschers eingebracht, die Anteile der Provinz am neuen Unternehmen zugunsten der Gemeinden um zehn Prozent zu senken und damit die Mehrheit abzugeben. Rudi Benedikter brachte mit 23:15 Stimmen eine Verpflichtung der künftigen Gesellschaft durch, die Strompreise für die privaten Haushalte und die Wirtschaft um mindestens 20 Prozent zu senken – und wich dafür im Gegenzug (einmal mehr) vom Kurs seiner Fraktion ab, gegen die Fusion zu stimmen. Der ökosoziale Flügel wiederum brachte zwei Anträge durch, die sowohl die gewünschte Entpolitisierung der künftigen Gesellschaft als auch die Operation Neubewertung beeinflussen. Denn das Ergebnis der Neubewertung der Umweltpläne für die Großwasserkonzessionen von SE Hydropower soll - anders als es der Plan Caias vorsieht - noch einmal den Gemeinderäten von Bozen und Meran vorgelegt werden und von ihnen auf seine Kongruenz hin überprüft werden. In dem Zusammenhang sollen die Gemeinderäte auch Leitlinien für die weiteren Etappen der Fusion vorgeben können. Auch nach der Fusion sollte das neue Unternehmen laut einem zweiten angenommenen Abänderungsantrag der Ökosozialen einmal im Jahr seinen Geschäftsplan mit den Gemeinderäten abstimmen.

Was das nun für den definitiven Vertrag bedeutet, konnte am Mittwoch niemand im Land eindeutig beantworten. Landeshauptmann Arno Kompatscher und sein Energielandesrat waren wegen Terminen im Rom nicht zu erreichen. „Derzeit sind juristische Abklärungen im Gange, inwiefern diese Abänderungen den Vertrag tatsächlich modifizieren“, erklärte Richard Theiners Ressortchef Florian Zerzer stellvertretend. Eine Frage, die bereits vor der parallelen Behandlung des Rahmenvertrags in den beiden Gemeinderäten von Bozen und Meran sowie der Landesregierung in Raum stand. Sprich: Was passiert, wenn eine der Körperschaften in diesem Prozess noch einmal das vereinbarte Gesamtpaket verändert?

„Wir werden diese Frage zwar nun tagsüber noch prüfen“, erklärte Merans Bürgermeister Günther Januth am Mittwoch Vormittag. „Doch ich gehe fest davon aus, dass wir an jenem Paket festhalten, das ursprünglich vereinbart wurde.“ Im Gegensatz zu seinem Bozner Kollegen Luigi Spagnolli fühlte sich Merans Bürgermeister seiner Sache auch schon vorab sicher. Die sachliche Aufklärung sei ausreichend erfolgt. Auch spezielle Forderungen, wie die Aufrechterhaltung von Arbeitsplätzen in Meran, seien bereits vor der Abstimmung im Gemeinderat im Gesamtpaket ausgehandelt worden, sagt der scheidende Meraner Bürgermeister. Er kann darüber hinaus bereits auf eine einstimmige Befürwortung des Deals durch die Ratskommission zählen. „Ich habe die nötige Mehrheit und brauche nicht zu bangen und zu zittern“, sagt Januth.

Grund zum Bangen und Zittern?

Wie viel Bangen und Zittern die Bozner allen Befürwortern der Fusion tatsächlich bereiten werden, ist also noch offen. Zumindest die Forderung nach einer 20-prozentigen Senkung der Strompreise wurde bereits vor einer juristischen Abklärung von den Grünen für wirkungslos erklärt. „Damit werden die WählerInnen zum Narren gehalten“, sagt Gemeinderätin Wally Rungger. „Eine Aktiengesellschaft darf gesetzlich nicht einmal mehr als zehn Prozent von den staatlich regulierten Strompreisen abweichen.“ Als dagegen der Antrag zur Mitsprache der Gemeinderäte bei der Neubewertung der Konzessionen durchgegangen sei, „sind die Juristen im Raum unruhig geworden“, meint zumindest Rungger. Sie ist trotz durchgebrachter Abänderungsanträge keineswegs glücklich mit dem Ergebnis der gestrigen Abstimmung. „Wir haben einen Blanko-Scheck ausgestellt“, sagt sie, „und das trotz schwerer Zweifel an der Rechtmäßigkeit sowie der Wirtschaftlichkeit des Deals.“ Denn so prominent die Advisor der beiden Energieunternehmen auch sein mögen: Allein auf einem so labilen Markt wie dem Energiemarkt bis 2030 zahlenmäßig Prognosen über die Zugewinne durch Synergien zu geben, sei äußerst fraglich, findet Rungger.

„Man muss auch politisch hinterfragen, was die Gründe dafür sind, ein fertig geschnürtes Paket noch einmal aufzumachen“, sagt dagegen Merans Bürgermeister Günther Januth. An Fragen fehlt es tatsächlich nicht beim größten wirtschaftlichen Deal dieser Jahre.