„Wir wollen etwas für die Allgemeinheit tun“
Es kommt selten vor, dass Fischer und Umweltschützer ein Energieunternehmen in höchsten Tönen loben. Der Eisackwerk GmbH ist dies gelungen – mit dem Plan, das nach langem Streit von der SEL-Tochter SE Hydropower überlassene Kraftwerk St. Anton mit einem unterirdischen Ausgleichsbecken zu erweitern. „Ein Pilotprojekt in Südtirol und zweifelsohne ein wichtiger Schritt für die Sanierung der großen Fließgewässer“, jubelte der Dachverband für Natur- und Umweltschutz. Dank eines knapp 100.000 Kubikmeter großen Sees unterhalb des Hörtenbergs will die Eisackwerk GmbH das Wasser aus der Spitzenstromerzeugung künftig nicht mehr schwallartig, sondern kontinuierlich in die Talfer zurückfließen lassen. Damit würde endlich der „ökologischen Katastrophe“ Schwallbetrieb Einhalt geboten, wie der Vorsitzende des Dachverbands für Natur- und Umweltschutz, Klauspeter Dissinger, bei Bekanntwerden des Plans unterstrich. Fließt beispielsweise in der aktuellen Niedrigwasserperiode rund ein Kubikmeter Wasser pro Sekunde die Talfer herunter, erhöht sich die Wassermenge bei Inbetriebnahme der Turbinen innerhalb von 40 Sekunden auf rund 16 Kubikmeter pro Sekunde. Plötzliche Veränderungen, die nicht nur allen Wasserlebewesen arg zu schaffen machen, wie Fischer und Umweltschützer in ganz Südtirol immer wieder anklagen. Die Bozner Chronik der vergangenen Jahrzehnte mit zahlreichen Ertrunkenen und noch mehr Rettungsaktionen zeigt, wie sehr der Schwallbetrieb auch Menschen gefährdet. Erst recht, nachdem die Talfer nach den jüngsten Revitalisierungsarbeiten von den Boznern als Naherholungszone neu entdeckt wird.
Dennoch ist den beiden Unternehmern Hellmuth Frasnelli und Karl Pichler keineswegs von allen Seiten Applaus sicher. Denn nicht überall scheint es willkommen zu sein, dass hier ausgerechnet der bekannteste private Stromunternehmer des Landes eine Vorreiterrolle einnimmt. Gegenwind kommt allerdings nicht wie in der Vergangenheit von der Landesgesellschaft SEL bzw. der neuen Alperia, versichern Hellmuth Frasnelli und Karl Pichler. „Dort hat es mit der neuen Führung eine 180-Grad-Wende gegeben“, sagen sie. „Da sitzen jetzt gute und fähige Leute.“ Spannungen gibt es dagegen viel mehr mit den Anrainergemeinden, bei denen „offensichtlich noch mehr von der alten Garde dabei sind“, wie die Unternehmer meinen.
Rekurs zum eigenen Nachteil?
Das gilt vor allem für die Gemeinde Sarntal, die bekanntlich Rekurs gegen die Zuweisung des Kraftwerks St. Anton an die Eisackwerk GmbH eingelegt hat. Ein weiteres Gerichtsverfahren in einer Causa, die im Vorjahr nach jahrelangem Streit beigelegt worden war. Die Gefahr für die hart erkämpfte Konzession St. Anton und damit auch das Ausgleichsbecken schätzen die beiden Eisackwerk-Eigentümer zwar als minimal ein. „Doch wir fragen uns schon, wieso in so einer Causa Steuergelder für Anwälte ausgegeben werden“, sticheln sie in Richtung Franz Locher. Noch dazu, da die Gemeinde Sarntal im Fall einer Neuzuweisung schlechter aussteigen würde. Denn laut den aktuell geltenden staatlichen Regeln müsste jenem Bieter der Zuschlag gegeben werden, der am meisten Strom produziert und den höchsten Wasserzins bietet. „Der Wasserzins würde im Gegensatz zu den Umweltgeldern wieder ausschließlich an das Land fließen - und die Gemeinden würden keinen Cent mehr bekommen“, sagt Frasnelli.
Dabei ist es gerade die Sorge um die Umweltgelder, die den größten Widerstand gegen das Kavernenprojekt schafft. Die Anrainergemeinden Ritten und Jenesien haben nun zwar wie auch Bozen ein prinzipiell positives Gutachten zur dafür nötigen Baugenehmigung gegeben. Doch gemeinsam mit Sarntal führen sie einen hartnäckigen Kampf gegen eine Kürzung der Umweltgelder. „Vor Ausstellung der Baukonzession ist diese Frage zu klären“, fordern sie laut Neuer Südtiroler Tageszeitung. Schließlich soll das Ausgleichsbecken aus jenen Umweltgeldern finanziert werden, die dem Land und den Gemeinden aus dem Kraftwerk St. Anton zur Verfügung gestellt werden. Doch obwohl die 2011 eingeführten Zahlungen der Konzessionsinhaber an Land und Ufergemeinden ausdrücklich „Maßnahmen zur Verbesserung von Landschaft und Umwelt“ gewidmet werden sollen, werden sie in vielen Gemeinden als willkommene Finanzquelle für verschiedenste andere Projekte gesehen. Vor allem was die eigentlich angestrebte Verbesserung der Schäden durch die Stromerzeugung an den Fließgewässern betrifft, passiert viel zu wenig, wird von Umweltschützern und Fischern kritisiert.
Dieses Muster scheint sich auch beim Eisackwerk-Projekt zu wiederholen. Denn durch das Ausgleichsbecken wollen die drei Anrainergemeinden ihre Quote an den Umweltgeldern nicht angetastet wissen. Wenn schon, soll das Land oder die Gemeinde Bozen als Hauptnutznießer der Maßnahme mitzahlen, so die Argumentation in Sarntal, Jenesien und Ritten. Außerdem profitiere wohl die Eisackwerk GmbH durch mehr Verkauf von Spitzenstrom selbst vom Speicherbecken – warum also zahlt sie es nicht selber?
Beigesteuerte 21 Millionen Euro
Eine Frage, über die Hellmuth Frasnelli und Karl Pichler nur lachen können. Ganze 21 Millionen Euro würden sie auf die Konzessionsdauer von 30 Jahren gerechnet aus eigener Tasche in das Ausgleichsbecken stecken, sagen sie. Allein 10 Millionen Euro würden dabei bei der Produktion verloren gehen, da sich aufgrund des Beckens die Fallhöhe reduziere. Dazu kämen 11 Millionen Euro an Zinskosten für die rund 24 Millionen Euro schwere Investition. „Denn die Kosten werden erst in den kommenden 20 Jahren langsam über einen Abzug von den Umweltgeldern wieder hereinkommen“, erklärt Frasnelli. Die Vorfinanzierung müsse deshalb ebenfalls die Eisackwerk GmbH stellen.
Vor allem aber führen die Eisackwerk-Eigentümer ins Spiel, dass Gemeinden und Land mit der Übergabe des Kraftwerks von der SE Hydropower an ihr Unternehmen insgesamt weit besser aussteigen würden. Denn während die SEL-Tochter nur 49 Millionen an Umweltgeldern vorgesehen habe, hat die Eisackwerk GmbH 106 Millionen Euro geboten. „Im Auflagenheft für St. Anton wurde auch für die SEL ausdrücklich festgehalten, dass alle Kosten für Studien und Maßnahmen zur Verbesserungen des Schwallbetriebs aus den Umweltgeldern finanziert werden“, sagt Karl Pichler. „Damals haben die Gemeinden aber keineswegs protestiert oder Rekurse eingelegt.“
Hätte die SEL-Tochter ein solches Projekt zu den selben Kosten wie die Eisackwerk GmbH durchgeführt, wären jedoch gerade einmal 25 Millionen Euro für Gemeinden und Land übrig geblieben, rechnen die beiden Unternehmer vor. „Bei uns bleiben auch nach Abzug der Kosten für das Ausgleichsbecken immer noch insgesamt 82 Millionen Euro über“, sagt Karl Pichler. Auch sei den Gemeinden bereits zugesichert worden, dass die Ausgleichszahlungen auf demselben Niveau wie davor bleiben. Danach bekommen sie laut Karl Pichler gar das Doppelte.
Angepeilte Fertigstellung? 2018
Für die Eisackwerk-Compagnons steht in jedem Fall fest, dass die auf rund zwei Jahre veranschlagten Arbeiten für das Ausgleichsbecken in den kommenden Monaten starten sollen. In der zweiten April-Hälfte soll der definitive Zuschlag für die Bauarbeiten fallen „Zur Auswahl stehen mehrere lokale Unternehmen“, sagen die Unternehmer. Bis dahin gibt es hoffentlich auch eine Einigung darüber, wer sich an den Kosten für eine Maßnahme beteiligt, die vor allem der Öffentlichkeit Gewinn zu bringen scheint. Warum aber ist ein privater Unternehmer überhaupt bereit, dafür nicht nur Gewinneinbußen und zusätzliche Kosten, sondern auch noch weitere Streitereien auf sich zu nehmen? „Wir leben nicht gerade von der Hand in den Mund und wollen deshalb auch etwas für die Öffentlichkeit machen“, sagt Hellmuth Frasnelli. In Mühlbach stelle man jedes Jahr jährlich 200.000 Euro aus den eigenen Gewinnen für Familien in Not zur Verfügung. In Bozen ist es dagegen die Umwelt und die Sicherheit, in die man auch aus eigener Tasche was beisteuern wolle. Zumindest wenn nicht doch noch jemand das Projekt torpediert.