Economy | VinschgerWind
Prader Molkerei
Foto: Suedtirolfoto.com/Helmuth Rier
Weil die Tirol-Milch den Nordtiroler Bauern für die Milch niedrige Kilo-Preise zahlt, ist der Unmut in Nordtirol groß, vor allem auch in Nauders. Die Nauderer Bauern liefern im Bezirk Landeck mit rund 1 Million Kilogramm pro Jahr die meiste Milch nach Wörgl, zur Tirol-Milch, welche 2010 von der Berglandmilch (unter anderem Schärdinger) übernommen worden ist.
Vor zwei Jahren hat der Vinschgerwind die Geschichte über die Biomilch aus Nauders gebracht. Die Nauderer Biobauern mit Elmar Monz an der Spitze hätten es gerne gesehen, dass die Biomilch in die Mila nach Bozen geliefert, dort verarbeitet und für den italienischen Bioanbieter „Alce Nero“ abgepackt wird.
Mehrere Gründe haben für dieses Ansinnen gesprochen: Der Bedarf an Bio-Milchprodukten in Italien wurde allenthalben als hoch eingestuft und die Produktion in Südtirol kam nicht aus den Startlöchern. Eine Million Kilo Biomilch steht in Nauders jährlich zur Verfügung. Der Anlieferungsweg von Nauders nach Bozen ist viel kürzer als der nach Wörgl zur Tirol-Milch und die Preise für Biomilch waren und sind bei Mila viel besser als bei Tirol-Milch.
Eine grenzüberschreitende Zusammenarbeit hätte in der Europaregion Tirol/Südtirol/Trentino zudem mehr als symbolischen Wert gehabt. Gekommen ist es anders. „Südtirol first“ hat es, nachträglich in Anlehnung an Donald Trump, aus der Mila-Zentrale geheißen.
Die ablehnende Haltung der Mila von damals könnte sich heute rächen.
Denn in Nauders ist einiges in Bewegung - aus denselben Gründen wie damals: Die Tirol-Milch, die seit 2011 in die Oberösterreichische Berglandmilch eingegliedert ist, zahlt den Biobauern nach wie vor, im Verhältnis zu Mila, wenig pro Kilo Milch, derzeit rund 45 Cent. Für den heurigen Februar ist den Bauern zudem eine Preissenkung von 3 Cent ins Haus geflattert. Das Murren von vor einigen Jahren ist alles andere als verebbt. Im Gegenteil.
Die Kündigungen bei Tirol-Milch
Der Nauderer Biobauer Siegfried Spöttl etwa hat im Herbst 2017 bei der Tirol-Milch gekündigt. Es sind die niedrigen Auszahlungspreise, sagt Spöttl. Ein zweiter Nauderer Bauer ist mit ihm diesen Weg gegangen. Spöttl will dessen Namen nicht sagen. Der 28-jährige Jungbauer Spöttl riskiert einiges, denn eine Rückkehr zur Tirol-Milch ist, wenn überhaupt, äußerst schwierig. Viele Bauern in Nauders, im Bezirk Landeck, haben deshalb die Ohren gespitzt. Mit großer Neugier wird Spöttls Weg verfolgt. Der stellt derzeit seinen Hof radikal um: weg von den Kühen hin zu Ziegen.
„Bis Juni 2018 habe ich den Hof komplett umgestellt“, sagt Spöttl dem Vinschgerwind. Spöttl ist nicht nur risikobereit, er hat einen Freund. Der hat Geld und Erfahrung im Milchsektor und Spöttls Weg führt - vorbei am mächtigen Bezirksobmann des Bauernbundes Landeck Elmar Monz - über den Reschenpass nicht nach Bozen zu den Mila-Bossen sondern - vorerst - nach Prad. In die dortige Dorfsennerei.
Die Landung in Prad
Die Prader Dorfsennerei steht seit mehr als drei Jahren leer da. Die Prader haben’s nicht derpackt. Die Bevölkerung hat sich für eine funktionierende Sennerei ausgesprochen, die Fraktion Prad hat das Gebäude gekauft, hergerichtet und den Prader Bauern zur Verfügung gestellt. Unentgeltlich. Man hat’s probiert. Im Juli 2012 wurde eröffnet, Ende 2014 wieder zugesperrt. Man hat’s nicht „drschisslt“. Die Gründe dafür sind vielfältig. Einer der Gründe: Ein professionelles Management gab es nicht.
Seit 15. November 2017 hat die Dorfsennerei von Prad einen neuen Pächter. Der neue Pächter sei er, sagt Siegfried Spöttl. In der Dorfsennerei Prad wird seit Mitte Dezember 2017 wieder Käse hergestellt. Derzeit drei Mal in der Woche. Vor allem Ziegenfrischkäse, Schnittkäse, Stangenkäse auch aus Kuhmilch. Sennin ist die aus Lana gebürtige und in Schlanders wohnhafte Elke Waldner. Der Käse wird in zwei Geschäften in Prad bereits angeboten. Spöttl nimmt einen Teil der Produktion mit hinauf nach Nauders in die dortige Hotellerie. „Die Produkte kommen gut an“, sagt Spöttl.
„Jos“ - der Investor
Den Pachvertrag mit der Fraktion Prad unterschrieben hat aber ein anderer. Der „Jos“, so nennen ihn die Nauderer und jene, die in Prad mit ihm zu tun haben. „Jos“ Peters, der Partner von Spöttl, heißt mit ganzem Namen Johannes Gerardus Wilhelmus Peters. Jos Peters ist in der Milchbranche vom Fach und kein Unbekannter. In Belgien hat er die „Fabrelac“ geleitet, ein kuhmilchverarbeitender Betrieb spezialisiert auf die Herstellung von Industrie-Mozarella, mit rund 30 Mitarbeitern. In der vollautomatisierten „Fabrelac“ wurden zuletzt unvorstellbare 30 Millionen kg Mozarella hergestellt.
2015 haben Peters und seine Frau Marie-José Cobbenhaegen die „Fabrelac“, beide seit 2002 Eigentümer der „Fabrelac“, an den international agierenden Milch-Giganten FrieslandCampina verkauft. Peters hat in Nauders seit längerem eine Ferienwohnung. Mit den Bauern ins Gespräch zu kommen, war ein Leichtes. Wohl hat Peters auch rasch in Erfahrung gebracht, dass die Nauderer Bauern seit langem gerne eine eigene Molkerei betreiben möchten. Dazu gekommen ist es bisher nicht.
Der als hemdsärmelig beschriebene Peters will das ändern. Die Tiroler Tageszeitung hat kürzlich über die Pläne des Belgiers berichtet: „In Nauders werden konkrete Pläne für eine neue Molkerei geschmiedet. Vor knapp zwei Wochen wurde die Tiroler Oberland Molkerei GmbH mit Sitz in Nauders aus der Taufe gehoben. Alleingesellschafter ist das belgische Einzelunternehmen Fairway Consult des Belgiers Johannes Gerardus Wilhelmus Peters.“
Der Fehdehandschuh
Mit einem ambitionierten Projekt wirft Peters im Verbund mit Spöttl der Tirol-Milch und möglicherweise auch in Richtung Mila bzw. Bergmilch-Südtirol eine Art Fehdehandschuh hin: Mit einem Investitionsvolumen von rund 4 Millionen Euro soll im Gewerbegebiet von Nauders eine Molkerei entstehen, die rund 5 Millionen Kilo Milch pro Jahr verarbeiten soll. 5 Millionen Kilo Milch erzeugt der gesamte Bezirk Landeck. Der Standort Prad, so hat es Peters rasch erkannt, kann rund eine Million Kilo Milch im Jahr verarbeiten. Eine doppelte Kampfansage, die das Potenzial hat, den Milchmarkt im Oberland diesseits und jenseits des Reschenpasses aufzuquirlen.
Prad ist hergerichtet. Denn Peters hat bereits rund 100.000 Euro in die Adaptierung der Dorfsennerei gesteckt. Der bisherige Verkaufsraum ist zum Verpackungsraum geworden, die bislang holprigen Arbeitsabläufe sind optimiert. Die Milch, vorwiegend Ziegenmilch aber auch Kuhmilch, kommt aus Langtaufers, aus Matsch, aus Prad und eben aus Nauders. Bio-Ziegenmilch sei erwünscht, sagt Spöttl.
Die Skepsis
Elmar Monz sagt, dass Peters ihm die Pläne für die Molkerei in Nauders vorgestellt habe. Monz ist skeptisch. „Das ist keine Genossenschaft, sondern ein Privatunternehmen. Die Mitsprache der Bauern ist deshalb sehr begrenzt.“
Interessantes Detail am Rande: Elmar Monz und Siegfried Spöttl sitzen sich im Nauderer Gemeinderat in unterschiedlichen Listen gegenüber. Sie sind politische Gegner. Das macht die Sache in Nauders alles andere als leicht.
„Die Sache muss langsam wachsen“, sagt Spöttl zum Vinschgerwind. Das Interesse sei groß, täglich würden Bauern aus dem Bezirk Landeck bei ihm anrufen und sich erkundigen. Geht alles nach Plan, soll die Molkerei in Nauders bereits im heurigen Herbst ihre Produktion aufnehmen. Das raumordnerische Prozedere sei auf Schiene. Oberhalb des Gewerbegebietes müsse vorerst ein Schutzdamm errichtet werden. Wenn der Schnee weg ist, könne auch mit dem Bau der Molkerei begonnen werden.
Es hat den Anschein, dass es einen Belgier braucht, um Nägel mit Köpfen zu machen. Denn für die Mila bzw. Bergmilch Südtirol könnte sich nach ihrer ablehnenden Haltung gegenüber der Biomilch aus Nauders auch ein zusätzlicher zweifelhafter Umstand rächen.
Die Zusammenarbeit in der Europaregion Tirol geht demnach offensichtlich von Belgien aus.
Denn seit knapp drei Jahren sucht die Fraktion Prad einen Pächter für die Dorfsennerei. Verhandlungen mit der Mila wurden vom Pustertal her eingebremst und letztlich abgestellt. Denn das Ansinnen, Graukäse in Prad für Mila herstellen zu wollen, passte den mächtigen Pusterern nicht. Verhandlungen mit der Sennerei Algund, die in Erwägung gezogen hat, einen Teil der Produktion nach Prad auszulagern, sind im allerletzten Moment gescheitert. Die Sennerei Prad blieb zu.
Bis im Herbst 2017 Jos Peters und der Nauderer Biobauer Siegfried Spöttl zugegriffen haben. Die Zusammenarbeit in der Europaregion Tirol geht demnach offensichtlich von Belgien aus.
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Interessanter Artikel. Die
Interessanter Artikel. Die Aussage „Das ist keine Genossenschaft, sondern ein Privatunternehmen. Die Mitsprache der Bauern ist deshalb sehr begrenzt.“ gilt allerdings lang auch schon für riesige Genossenschaften wie die Milkon, wo einzelne Bezirke bzw. Sondergruppen schon lange nicht mehr mitbestimmen. Kleine bzw. lokale Genossenschaften haben es schwer, da auch von der Politik ausgebremst (Fusions- und Rationalisierungsdrang bzw. Wahn). Ich wünsche den Bergbauern beiderseits des Reschen viel Glück und Erfolg mit ihren Erzeugnissen.