Chronicle | Sparkasse
Schaden: 35.415.000 Euro
Giuseppe Giovanni Napoletano ist der juridische Chefberater und der leitende Anwalt der Banca d'Italia. Dass er persönlich in Strafprozessen auftritt, ist nicht alltäglich. Napolitano wird am heutigen Freitag am Landesgericht Bozen erscheinen, um sich zusammen mit dem Anwalt der italienischen Börsenaufsicht Consob als Zivilpartei in den Strafprozess gegen die frühere Sparkassenspitze einzulassen.
Den formellen Antrag dazu haben Banca d'Italia und Consob bereits am 20. Jänner vor Voruntersuchungsrichter Emilio Schönsberg hinterlegt. Es besteht kein Zweifel daran, dass die beiden staatlichen Aufsichtsbehörden als Zivilpartei zugelassen werden. Denn unter den Straftaten, die die Staatsanwaltschaft den Angeklagten Norbert Plattner, Peter Lothar Schedl, Richard Maria Seebacher und Sergio Lovecchio vorwirft findet sich auch der Strafbestand wahrheitswidrige Mitteilungen an die Aufsichtsbehörde (false communicazioni all´autorità di pubblica vigilanza – StGB Art. 61, 81, 110, 112, sowie ZGB Art. 2638 und 2639). Demnach gehören sowohl die Notenbank wie auch die Börsenaufsicht zu den potentiellen Geschädigten in diesem Verfahren.
Dass diese beiden institutionellen Schwergewichte damit aber die Prozessbühne betreten, verändert das Gleichgewicht in diesem Verfahren nachhaltig. Es bedeutet unerwarteten Rückenwind für die Anklage.
Die Anklage
Der Ermittlungsakt 319/17 ist über 1.000 Seiten stark; im Antrag auf Einleitung des Hauptverfahrens werden auf 23 Seiten die Ergebnisse der Ermittlungen zusammengefasst. Fünf Jahre lang ermittelten die Carabinierisondereinheit ROS und die Bozner Finanzwache. Es wurden dabei Dokumente und mehrere Terabyte an Daten am Hauptsitz der Sparkasse beschlagnahmt. Neben Dutzenden Zeugenbefragungen griffen die Ermittler dabei auch auf Lauschangriffe zurück. So wurden einige der Beschuldigten zum Beispiel bei einem Essen in einem Bozner Restaurant abgehört.
Die Anklage beruht auch auf den Erhebungen und Schlussfolgerungen in den vertraulichen Inspektionsberichten der Banca D' Italia und der Börsenaufsicht (CONSOB) sowie auf dem Gutachten des von der Staatsanwaltschaft eingesetzten Sachverständigen Maurizio Silvi. Silvi, langjähriger Vizedirektor der Bozner Niederlassung der Banca D’Italia und inzwischen Direktor der Trentiner Niederlassung der Bankenaufsicht, hat in einem 86 Seiten langen Bericht schon vor vier Jahren haarsträubende Details über die Arbeit der frühere Sparkassen-Führung um den damaligen Präsidenten Norbert Plattner herausgearbeitet.
Die Vorwürfen gegen Norbert Plattner als Präsident, Peter Lothar Schedl als Generaldirektor, Richard Maria Seebacher als stellvertretender Generaldirektor und Sergio Lovecchio als Leiter des Bereichs „Finance & Controlling“ sind schwerwiegend. Chefstaatsanwalt Giancarlo Bramante und Staatsanwalt Igor Secco wollen gegen das Quartett wegen Fälschung der Informationsbroschüre für Anleger (falso in prospetto – Art. 173 D.Lgs 58/1998, StGB Art 100, 112), Kursmanipulation (Aggiotaggio – ZGB Art. 2637, StGB 61, 81, 110), wahrheitswidrige Mitteilungen an die Aufsichtsbehörde (false communicazioni all´autorità di pubblica vigilanza – StGB Art. 61, 81, 110, 112, sowie ZGB Art. 2638 und 2639) und vor allem schwerer Betrug (truffa agravata - StGB Art. 640) vorgehen.
Hoffnungsschimmer Verjährung
Schaut man sich die Ermittlungsakten an, so wird schnell klar, dass die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft mannigfaltig durch Dokumente, Zeugenaussagen und Expertengutachten untermauert sind. Es wird in einem möglichen Hauptverfahren für die Angeklagten und ihre Verteidigung schwer werden, hier die eigene Unschuld zu beweisen.
Vor diesem Hintergrund gibt es einen Rettungsanker, der von der Staatsanwaltschaft anfänglich selbst ausgeworfen wurde: Die Verjährung. Denn laut Anklageschrift sind der Großteil der Strafbestände bereit im Juni 2020 verjährt. Demnach könnte der Voruntersuchungsrichter das gesamte Verfahren beenden, in dem er die Verjährung erklärt.
Energisch dagegen hält der Verbraucherschutz-Anwalt Massimo Cerniglia, der mit einer Eingabe 2017 diese Ermittlung maßgeblich angeschoben hat und jetzt vor Gericht ein Dutzend Sparkassen-Aktionäre als Nebenkläger vertritt. Seine These ist eindeutig: Der erschwerte Betrug (Verjährung nach 7,5 Jahren) an den Anlegern wurde nicht mit dem Verkauf der Aktien 2012 begangen, sondern hat sich in den Jahren danach fortgesetzt. Demnach seien die Straftaten noch lange nicht verjährt.
Dazu kommt noch ein zweiter Punkt, der von der Bozner Staatsanwaltschaft augenscheinlich nicht beachtet wurde. Zum Strafbestand „wahrheitswidrige Mitteilungen an die Aufsichtsbehörde“ haben die beiden Staatsanwälte in der Anklageschrift einen erschwerenden Umstand (aggravante) angeben. Damit aber beträgt die Verjährungsfrist nicht wie – berechnet acht – sondern zehn Jahre. Das heißt der Strafbestand verjährt frühestens im Sommer 2022.
Nach Informationen von Salto.bz werden die Anwälte von Banca d’Italia und Consob in der heutigen Verhandlung diese These einbringen-
Demnach dürfte man das Verfahren kaum in der Vorverhandlungsphase niederschlagen können.
Die Zaungäste
Auffallend zurückhaltend und still verhält sich die Sparkasse in diesem Fall. Man tut so als ginge dieser Strafprozess weder die Bank noch die Stiftung etwas an.
Dabei gehört die Stiftung Sparkasse zu den am meisten Geschädigten. Die Finanzwache hat in einer genauen Analyse den potenziellen Schaden quantifiziert, den die Anleger und Käufer der Sparkassenaktien durch unlautere Machenschaften erlitten haben sollen: 35.415.000 Euro.
Nach dieser Berechnung hat auch die Stiftung Sparkasse einen zweistelligen Millionenbetrag in den Sand gesetzt. Anwalt Massimo Cerniglia hat deshalb am 21. Jänner in einem offenen Brief an Konrad Bergmeister die Stiftung aufgefordert, sich ebenfalls als Zivilkläger dem Verfahren anzuschließen. Der Stiftungspräsident antwortet einen Tag später mit einem völlig nichtssagenden Brief, in dem er darauf verweist, dass „in dieser Phase die Aktien aller Bankeninstitute gefallen seien“. „Derzeit werden wir wirtschaftlich und sozial von der Pandemie bedroht. Die Stiftung versucht dabei ihren Beitrag zu leisten, in dem man die Schwachen in unserer Gesellschaft unterstützt“, heißt es in dem von Konrad Bergmeister unterzeichneten Schreiben.
Massimo Cerniglia ist über diese Antwort so empört, dass der Anwalt am 1. Februar einem zweiten Brief an Konrad Bergmeister schickte. In dem Schreiben heißt es:
“La costituzione di parte civile, in tal senso, costituisce un atto dovuto proprio a tutela dei fini pubblici affidati alle Fondazioni e sarebbe di grande aiuto per sostenere - come dice Lei - le parti deboli della nostra società.”
Nach Informationen von Salto.bz wurden die Gremien der Stiftung mit dieser Frage bisher nicht befasst.
Dass auch die Bank dieses Verfahren nur als Zaungast verfolgt, mag daran liegen, dass es für keine Institution – und noch weniger für ein Geldinstitut - angenehm ist, wenn die Schmutzwäsche in einem öffentlichen Strafprozess gewaschen wird. Zudem hatten einige aus der amtierenden Bankenführung zu den vier auf der Anklagebank sitzenden Sparkasse-Funktionären jahrelang ein berufliches und persönliche Nahverhältnis gehabt.
Deshalb dürfte es auch verständlich sein, dass man – nachdem die Bank inzwischen die Krise überwunden hat – die Vergangenheit lieber ruhen lassen will.
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