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Politics | Österreich

Die Wiener Schule der Open Book-Politik

In Österreich werden Wähler getäuscht und Wahlversprechen gebrochen, und zwar am laufenden Band. Das alles geschieht so schamlos, dass es Schule machen wird.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Open Book in Wien
Foto: Mg
  • Jetzt ist es bald fünf Monate her, dass die Österreicher:innen einen neuen Nationalrat gewählt haben. Allein, mit einer neuen Regierung sieht es schlecht aus. Dabei wurden schon alle möglichen und unmöglichen Koalitionen durchgespielt. Die Spielteilnehmer (in der Reihenfolge ihres Wahlerfolges): FPÖ (29,85%), ÖVP (26.27%), SPÖ (21,14%), Neos (9,14%), Grüne (8,24%). Die Spielanordnung: keiner will mit der FPÖ. So wurde es vor der Wahl hoch und heilig geschworen. Plus: ÖVP und Grüne, Koalitionspartner aus der (noch) aktuellen Regierung haben sich auseinandergelebt. Gefühlt für die nächsten hundert Jahre.

  • Was bisher geschah

    Zuerst lässt der Herr Bundespräsident die Parteien sondieren. Heißt: er lässt sie ein paar Wochen unbeaufsichtigt miteinander reden. Dabei weiß er schon im Vorhinein, dass nichts dabei herauskommen wird. Danach beauftragt er die zweitgereihte ÖVP mit der Regierungsbildung. Die verhandelt mit SPÖ und Neos so lange, bis letzte aussteigen. Danach geht es zwischen ÖVP und SPÖ weiter. Schließlich bringen sie es im Nationalrat gemeinsam auf eine Mehrheit von einem Mandat. Doch auch die beiden scheitern nach ein paar Tagen. Danach geschieht das Unerwartete – der Herr Bundespräsident beauftragt die FPÖ mit der Regierungsbildung. Und die verhandelt sogleich mit - der ÖVP. Und zwar mit einer sagenhaften Geschwindigkeit. Doch auf einmal ist die Luft draußen.

  • Stillstand

    Mitte vergangener Woche schien es so, als ob die Verhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP scheitern würden. Zwei Tage Stillstand. „Spitz auf Knopf“ würde es nun stehen, vermeldete die Wiener Journaille. Im Laufe des Freitags vermelden die vermeintlichen Streithähne, dass es doch weiter geht. Man müsse nur noch ein paar offene Punkte klären. Und zwar gleich am Montag. Heißt umgekehrt: erst einmal ein Wochenende. 

  • Koalitionspapier

    Denkste. Am Sonntag wird dem ORF das interne Verhandlungspapier von ÖVP und FPÖ zugespielt. Spannend, denkt sich der Politikbeobachter und liest, dass immer mehr Details an die Öffentlichkeit dringen. Am Montagnachmittag landet das Koalitionspapier schließlich auch im Posteingang des Politikbeobachters. Er verbringt den restlichen Tag mit dem Studium des Verhandlungspapiers. 223 Seiten. Die Absätze in verschiedenen Farben - schwarz, rot, orange und grün. Also perfekt aufbereitet. Man sieht auf einen Blick, wer was will und wie der andere dazu steht. Das hat schon was. 

  • Wiener Schule

    Irgendwann im Lauf des Abends wird dem Politikbeobachter klar, dass er Zeitzeuge von etwas ganz, ganz Großem ist. Einer neuen Art von Politik. Nachfolgende Historiker werden es die Wiener Schule der Open Book-Politik nennen. Ob´s den Österreicher:innen aber was nutzt und ob sich die Wiener Open Book-Politik zur Nachahmung empfiehlt, wird sich erst zeigen. Aktuell sieht´s eher nicht danach aus. (Markus A. Gaßner, 11.2.2025)