Economy | Renten

Neues System, alte Probleme

Das Renteneintrittsalter im beitragsbezogenen System. Seit Jahren wird angesichts der steigenden Lebenserwartung intensiv über die Anpassung der Altersgrenzen und Beitragsjahre für die Rente diskutiert.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
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Foto: Caroline Hernandez/Unspalsh
  • Strengere Anforderungen sollen Einsparungen bei den Rentenausgaben erzielen und die aktive Lebenszeit verlängern. Allerdings müssten dabei auch die Auswirkungen des Übergangs vom lohnbezogenem zum beitragsbezogenen System berücksichtigt werden.

    Im lohnbezogenem System hing die Rentenhöhe nicht vom Alter beim Renteneintritt ab, sondern von der Beitragsdauer und dem Endgehalt. Dies schuf einen starken finanziellen Anreiz, den Arbeitsmarkt frühzeitig zu verlassen, weshalb eine Regulierung des Rentenalters notwendig war. Im beitragsbezogenen System hingegen bestimmt die Summe der während des gesamten Erwerbslebens gezahlten Beiträge die Rentenhöhe. Diese Beiträge werden mit einem an das BIP gekoppelten Prozentsatz aufgewertet. Die Umwandlungskoeffizienten variieren je nach Renteneintrittsalter, da die Rentenhöhe von der zu erwartenden Bezugsdauer abhängt. Das bedeutet, dass bei gleichem Beitragskapital ein späterer Renteneintritt zu einer höheren Rente führt. Zudem können Arbeitnehmer durch längere Erwerbstätigkeit ihre Rente deutlich stärker steigern als im alten System. Die Anpassung der Umwandlungskoeffizienten an die durchschnittlich steigende Lebenserwartung macht einen vorzeitigen Ruhestand daher meist weniger attraktiv. Dadurch ist ein gesetzlich vorgesehenes Rentenalter nicht nötig, und auch eine Erhöhung des Renteneintrittsalters ist nicht zwingend erforderlich, um die finanzielle Stabilität des Rentensystems zu gewährleisten.

    Die Reform von 1995, basierend auf versicherungsmathematischen Berechnungen, wurde so konzipiert, dass sie einen ausgeglichenen Haushalt gewährleistet. Eine Anpassung des Rentenalters war im beitragsbezogenen System daher nicht vorgesehen. Arbeitnehmer konnten zwischen 57 und 65 Jahren in Rente gehen, sofern sie mindestens fünf Beitragsjahre geleistet hatten und ihre Rente mindestens 1,2-mal so hoch war wie die Sozialhilfe. Damit sollte es eigentlich möglich sein, den demografischen Wandel ohne drastische Eingriffe in das Rentenalter zu bewältigen. Die Regeln des beitragsorientierten Systems führen dazu, dass die Differenz zwischen den gezahlten Beiträgen einer Generation und den erhaltenen Renten nicht mehr vom Rentenalter abhängt, sondern nur noch die Rentenhöhe beeinflusst.

    Dennoch kann eine spätere Pensionierung kurzfristig positive Auswirkungen auf die Rentenkassen haben: Die Einnahmen steigen durch höhere Beitragszahlungen aufgrund des Verbleibs auf dem Arbeitsplatz, während die Rentenausgaben nicht zunehmen. Genau aus diesem Grund wurde das Gesetz von 1995 geändert. Die Flexibilität des Rentenalters wurde auch im beitragsabhängigen System abgeschafft, und es wurde eine automatische Anpassung der Rentenvoraussetzungen eingeführt. Die Mindestgrenze von 20 Beitragsjahren wurde wiedereingeführt, und nur Bedienstete mit einer Rente von mindestens dem Dreifachen der Sozialhilfe können vorzeitig aussteigen.

    Der Gesetzgeber setzt weiterhin auf eine Erhöhung des Rentenalters, um Einsparungen im Staatshaushalt zu erzielen, ohne jedoch die Auswirkungen der steigenden Lebenserwartung auf die Umwandlungskoeffizienten zu berücksichtigen. Zudem steigt der Anteil der Personen im neuen System stetig an. Bereits 2025 dürften zwei Drittel der frühzeitigen Rentner dem neuen System unterliegen, wodurch die potenziellen Einsparungen durch eine Anhebung des Rentenalters immer geringer werden.

    Eine kontinuierliche Erhöhung des Rentenalters ist im beitragsorientierten System somit nicht erforderlich und könnte sich sogar negativ auf die Effizienz des Wirtschaftssystems auswirken. Weniger produktive Arbeitskräfte würden länger im Berufsleben gehalten. Auch haben nicht alle Arbeitnehmer die gleichen Möglichkeiten ihre Erwerbstätigkeit fortzusetzen.

    Statt einer fortlaufenden Debatte über das Rentenalter sollte der Schutz der am stärksten gefährdeten Arbeitnehmer in den Fokus rücken. Die Reform von 1995 sieht keine Mindestrenten für Personen vor, die lange gearbeitet haben, jedoch schlecht bezahlte und von Lücken geprägte Erwerbsbiografien aufweisen. Auch im beitragsorientierten System müssen diese Menschen unterstützt werden, beispielsweise durch höhere Umwandlungskoeffizienten. Andernfalls würde eine Herabsetzung des Rentenalters lediglich zu niedrigeren Rentenzahlungen führen. Eine dringend erforderliche Reform muss daher eine "Garantierente" vorsehen.

    Zudem bestehen erhebliche Unterschiede in der Lebenserwartung zwischen verschiedenen sozialen und wirtschaftlichen Gruppen. Personen mit niedrigerem Einkommen haben statistisch gesehen eine geringere Lebenserwartung, was faktisch eine Umverteilung von unten nach oben bedeutet. All dies sollte eigentlich dazu führen, das Rentensystem im Sinne von mehr sozialer Gerechtigkeit zu reformieren, insbesondere zugunsten schlecht bezahlter Arbeitskräfte. Doch leider scheint die politische Entwicklung in eine andere Richtung zu gehen.