Südtiroler Briefkästen

Am 1. März 2006 wird in Bozen ein sechsseitiger Vorvertrag aufgesetzt. Es geht um den Verkauf eines historischen Palastes im Stadtzentrum von Turin. Der „Palazzo della Luce“, ein fünfstöckiger Komplex in der Via Bertola 40, der jahrelang dem Stromriesen Enel gehört hatte, wechselt laut Vertrag um 24,5 Millionen Euro den Besitzer.
Verkäufer ist die „Sviluppo 7 GmbH“. Das Unternehmen hat seinen Sitz im Wirtschaftsberaterstudio „Prast, Crazzolara, Schweitzer“ in der Bozner Weintraubengasse 60. Gesellschafter der Sviluppo 7 sind der Trentiner Unternehmer Marco Cozzio und der Vinschger Immobilienmakler Peter Paul Pohl.
Der neue Besitzer der Turiner Immobilie sitzt über 3000 Kilometer von Bozen entfernt. Der Käufer ist die „Waldron Serviços de Consultoria LDA“ mit Sitz in der Avenida do Infante Nummer 50 in Funchal auf Madeira. Die Atlantikinsel vor Marokko gehört zu Portugal und damit zur EU.
Sie wurde 1987 zur Freihandelszone erklärt und ist damit bei Geschäftemachern ein beliebtes Steuerparadies. Erst Ende 2011 wird nach internationalen Protesten der steuerrechtliche Sonderstatuts Madeiras von der EU wieder aufgehoben.
Den Vorvertrag unterzeichnen an diesem Tag Marco Cozzio und der Geschäftsführer der Waldron LDA, der gebürtige Südafrikaner Roberto Luiz Homem.
Was aber wie ein internationaler Deal ausschaut, ist in Wirklichkeit ein Scheingeschäft, dessen Hintergrund die Bozner Finanzpolizei und Staatsanwaltschaft wenige Jahre später aufdecken. Denn das Bürohaus im Turiner Zentrum wechselt nur auf dem Papier ihre Besitzer. Die Waldron LDA ist nämlich eine Briefkastenfirma, die in Wirklichkeit genau jenen gehört, die die Immobilie verkaufen: Dem Duo Cozzio und Pohl.
Der Hintergrund des Scheingeschäft ist eine versuchte Steuerhinterziehung in Millionenhöhe.
Palazzo Della Luce in Turin: Scheinverkauf ins Steuerparadies.
Es ist eine Aktion, die strafrechtlich am Rande der Legalität liegt – die Ermittlungen gegen alle Beteiligten werden 2013 von der Staatsanwaltschaft archiviert - , steuerrechtlich aber zu Straf- und Nachzahlungen in Millionenhöhe geführt hat.
Heute kann das gesamte Geschäft lückenlos nachgezeichnet werden. Dabei zeigt sich, dass Panama überall ist. Die durch die Panama Papers jetzt bekanntgewordenen Praktiken durch Briefkastenfirmen in Steuerparadiesen Besitzer und Geldflüsse zu verstecken, gehören seit Jahrzehnten auch in Südtirol zur Tagesordnung. Ob dabei die Dienstleistungen in Panama oder auf Madeira angeboten werden, ist einerlei. Das System ist immer dasselbe.
Disegno criminso„Die durch die Panama Papers jetzt bekanntgewordenen Praktiken durch Briefkastenfirmen in Steuerparadiesen Besitzer und Geldflüsse zu verstecken, gehören seit Jahrzehnten auch in Südtirol zur Tagesordnung.“
Die Finanzpolizei spricht in ihrem Abschlussbericht an die Staatsanwaltschaft von einem „disegno criminoso“. Marco Cozzio, Peter Paul Pohl und dessen Bruder der Bauingenieur Siegfried Pohl hätten demnach auf dem grünen Tisch mehrere Immobiliendeal geplant bei denen am Ende steuerfrei ein Gewinn von rund 30 Millionen Euro herausgeschaut hat.
Der Verkauf ist Teil einer weit größeren Aktion in der es um den längst bekannten Sparim-Deal geht, die Gründung der zwei geschlossenen Immobilienfonds „Whitestone“ und „Risparmio Immobiliare Uno Energia“ und die Zwischenschaltung von drei Off-Shore-Unternehmen auf Madeira.
In diesem Fall lässt sich aber auch nachweisen, wie sehr die Banken in diesem diskreten Geschäft mitmischen und zuweilen sogar die Regie übernehmen.
Renommierte Geldinstitute bieten Dienstleistungen an, die dazu führen, dass auch ein Vinschger Unternehmer und seine Ehefrau schnell und unkompliziert zu mehrere Briefkastenfirma kommen, die auf in einem Steuerparadies tausende Kilometer entfernt, beheimatet sind. Es handelt sich um Off-Shore-Unternehmen, die ohne richterliche Verfügung, niemals zum eigentlichen Besitzer zurückgeführt werden können.
Geplant wird die Operation generalstabsmäßig bereits ein halbes Jahr vor dem Verkauf der Turiner Immobilie. Der gesamte Deal läuft über die italienische Großbank „UniCredit“. Die Architekten der Off-Shore-Struktur sind dabei zwei Bankenmanager. Pier Luigi Tomassi, Spitzenfunktionär der UniCredit International Bank (Luxembourg) S.A und Sandro Dalla Torre, heute Finanzchef des Trentiner Energieanbieters „Dolomiti Energia“ und von 2000 bis 2009 Leiter der Corporate Abteilung der Trentiner UniCredit.
Es ist Dalla Torre, der den Kontakt zwischen Marco Cozzio und dem Luxemburger Bankier Tomassi herstellt. Es kommt zu einem persönlichen Treffen in denen man mehrere Varianten einer verdeckten Beteiligung auslotet. So etwa plant man die Gründung zweier sogenannter „Soparfi“. Die Abkürzung steht für „Societe de Participations Financieres“, anonyme Beteiligungsgesellschaften nach luxemburgischen Recht.
Weil sich diese Operation aber in die Länge zieht, wählt man am Ende die Variante Madeira. Am 24. Oktober 2006 informiert Pier Luigi Tomassi per Mail Sandro Dalla Torre über den Stand der Dinge.
Im Mail-Verkehr wird deutlich, dass man auf die Diskretion der Kunden besonderen Wert legt. Es gilt die Vorgabe, dass der eigentliche Nutznießer nie mit Namen genannt werden darf. Deshalb wird Marco Cozzio im Mail nur mit „il Dottore comercialista“ umschrieben.
Britischer Mossack Fonseca
Das Unternehmen „Dixcart International Limited“ wurde 1981 in England gegründet. Die Firma ist in demselben Geschäftsbereich tätig, wie die durch die Panama Papers jetzt zu zweifelhaften Weltruhm gekommen Kanzlei „Mossack Fonseca“ in Panama City. Der Konstruktion von Off-Shore-Unternehmen.
Nur Dixcart ist weit größer im Geschäft als die panamaische Kanzlei. Heute hat das „führende internationale Beratungsunternehmen“ neben der Firmenzentrale in Surrey Niederlassungen und Büros in der Schweiz, in Süd Afrika, in Portugal, auf Nevis, auf Malta, Zypern, Guernsey, auf der Isle of Man und auf Madeira.
Auch die Südtiroler Unternehmer und ihre Helfer aus der Unicredit bedienen sich bei ihrer Millionen-Operation der Dixcart-Niederlassung auf Madeira. So ist dem Mail Tomassis an Dalla Torre ein zwölfseitiges Dokument beigelegt. Es ist der genaue Kostenplan für den Erwerb und die Führung mehrerer Briefkastenfirmen auf Madeira.
Teil der Abhandlung ist auch eine Aufstellung von solchen Briefkastenunternehmen, die Dixcart bereits im Handelsregister eingetragen hat und zum Verkauf anbietet.
Fein säüberlich nach Namen und Preis sortiert.
Am 15. November 2005 kauft Pier Luigi Tomassi für seine Südtiroler Kunden gleich drei Briefkastenfirmen von Dixcart auf Madeira an. Es sind neben der „Waldron Serviços de Consultoria LDA“, die später die Turiner Immobilie ankaufen wird, die „Wigan Comércio Internacional LDA“ und „Rafferty Trading Internacional LDA.“
Alle drei Unternehmen haben ihren Sitz in der Dixcart-Kanzlei in Avenida do Infante Nummer 50 in Funchal auf Madeira. Gegründet und eingetragen wurde sie mit einem Gesellschaftskapital von 5.000 Euro. Offizielle Besitzer der drei Briefkastenfirmen sind die beiden Unternehmen „Merrydown Limited“ und „Meadoside Managment Limited“. Diese beiden Unternehmen haben wiederum ihre Sitz auf der Karibikinsel und Steueroase Nevis, wo auch Dixcart eine Niederlassung hat.
Als Direktoren und Geschäftsführer der Waldron LDA, der Wigan LDA und der Rafferty LDA werden der Südafrikaner Roberto Luiz Homem und die portugiesische Staatsbürgerin Rosa Maria De Canha Ornelas Frazao Afonso eingesetzt. Beide sind Manager der Dixcart auf Madeira.
Das Beratungsunternehmen aus Madeira schickt an den Luxemburger Uncredit-Banker Pier Luigi Tomassi wenig später, eine Kostenaufstellung, was die Führung und Bearbeitung der drei Unternehmen kostet.
In der Abrechnung wird auch eine jährliche „Directors Fees“ von 2.000 Euro pro Briefkastenfirma berechnet. Es sind die Kosten, die Dixcart für die Bereitstellung der beiden offiziellen Direktoren berechnet.
Wie das lukrativ diese Geschäfte für die Dixcart sind, wird aus den Ermittlungsergebnissen der Bozner Staatsanwaltschaft deutlich.
Die Beamten der Finanzpolizei haben im Handelsregister von Madeira ermittelt, dass allein Rosa Maria De Canha Ornelas Frazao Afonso auf dem Papier Gesellschafterin und Direktorin von 852 solcher Briefkastenfirmen ist.
Roberto Luiz Homem hingegen ist Gesellschafter und Direktor von 572 Unternehmen. Der südafrikanische Strohmann dürfte sich deshalb kaum mehr an den Vorvertrag erinnern, den er am 1. März 2006 in Bozen unterzeichnet hat.
Mit dieser Konstruktion haben die Südtiroler Unternehmer zwar drei Briefkastenfirmen auf Madeira, Geldflüsse lassen sich so aber noch nicht verstecken. Deshalb muss man das Firmenkonstrukt noch weiter verschachteln. Es braucht einen zwischengschalteten Treuhänder. Auch diese Dienstleistung hat die UniCredit International Bank (Luxembourg) S.A in ihrem Standardangebot.
Peter Paul Pohl & Co nutzen sie auch.
Lesen Sie am Mittwoch Teil 2: Doppeltes Versteckspiel mit Luxemburger Treuhänder.