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Die vergessene Beteiligung

Waltraud Deeg ist seit über 30 Jahren Aktionärin bei der „Klausberg AG“. Doch die Politikerin hat die Beteiligung bisher in ihrer Vermögenserklärung nie angegeben.
Waltraud Deeg
Foto: Handelskammer/Alan Bianchi
Waltraud Deeg hat ein gutes Gedächtnis.
Vorvergangene Woche erklärte die Landeshauptmann-Stellvertreterin gegenüber den Dolomiten: „Ich habe schon vor 1,5 Jahren aus dem Umfeld von Karl Zeller gehört, dass es das Ziel ist, die Mehrheit in der Partei zu erringen oder im Zweifelsfall die Partei zu zerstören“. Es ist eine Geschichte, die ihr mitten im eskalierenden SVP-Machtkampf anscheinend wieder eingefallen ist.
Vergangene Woche bestätigte Waltraud Deeg gegenüber der Neuen Südtiroler Tageszeitung diese Aussage. Ross und Reiter will die Pusterer SVP-Politikerin aber nicht nennen. Für Dolomiten-Chefredakteur Toni Ebner ist Deeg die Kronzeugin für seine Theorie, dass Karl Zeller und Arno Kompatscher einen Putsch vorbereitet und umgesetzt haben. „Sie werden wohl nicht die Glaubwürdigkeit der Landeshauptmann-Stellvertreterin anzweifeln?“, fährt Ebner allen Zweiflern am „Runden Tisch“ von RAI Südtirol ins Wort.
Wie die Glaubwürdigkeit und das Erinnerungsvermögen von Waltraud Deeg allerdings ausschauen, lässt sich an einer anderen Geschichte nachzeichnen, die bis heute nicht bekannt ist.
 

Deegs Danke

 
Ende der 1960er Jahre und Anfang der 1970er Jahre wird direkt über Steinhaus im Ahrntal das Skigebiet Klausberg errichtet. Dazu werden mehrere Lifte und Pisten erbaut, die zu Weihnachten 1971 in Betrieb gehen
Besitzer und Träger ist die „Klausberg Seilbahn AG“. Das Unternehmen, im Februar 1970 gegründet, hat aktuell ein Gesellschaftskapital von 3.346.272 Euro und insgesamt 149 Aktionäre.
Es sind vor allem Klein- und Kleinstaktionäre. Die Gemeinde Ahrntal ist mit 8 Prozent der größte Aktionär der Klausberg Seilbahnen.
In der offiziellen Liste der Gesellschafter der „Klausberg Seilbahn AG“, die am 31. Dezember 2021 bei der Handelskammer Bozen hinterlegt wurde, findet sich auch eine „Geebert Deeg Waltraud“. Sie hält 24 Aktien mit einem Nominalwert von 619,68 Euro. Aus der Steuernummer (Geburtsjahr 1928) geht hervor, dass es sich bei der Aktionärin um die Mutter der amtierenden Landesrätin handelt.
 
 
Waltraud Gebert Deeg ist im Jänner 1988 verstorben. Ihre einzige Tochter Waltraud, damals noch nicht volljährig, wird zur Alleinerbin. Nur von der Beteiligung an der Lift- und Skigebietsgesellschaft weiß die Landeshauptmannstellvertreterin anscheinend nichts.
Mitte Jänner 2022 konfrontiert Salto.bz-Redakteurin Elisa Brunelli Waltraud Deeg mit ihrer Beteiligung an der Klausberg-Gesellschaft.
Bis heute wusste ich nichts davon“, reagiert Waltraud Deeg dabei überrascht und auch durchaus belustigt. Die Landesrätin bedankt sich sogar bei der Journalistin für die Information.
Dabei dürfte diese Geschichte kaum zum Lachen sein.
 

Tote als Aktionäre

 
Ist die Beteiligung auch nur klein, so gibt es in dieser Geschichte doch eine ganze Reihe von mutmaßlichen Nachlässigkeiten und Verstößen gegen gesetzliche Bestimmungen.
Dass eine Aktionärin 34 Jahre nach ihrem Tod im Gesellschafterbuch aufscheint, ist eine klare Verletzung der geltenden Gesetze. Seit langem hätte die Beteiligung auf Waltraud Deeg Junior überschrieben werden müssen. Dabei scheint das nicht die einzige Unregelmäßigkeit im Ahrntaler Seilbahnunternehmen zu sein. So scheint auch Georg Graf Enzenberg immer noch in der Aktionärsliste auf; er ist 2016 verstorben.
Weder der offizielle geschäftliche Vertreter der „Klausberg Seilbahn AG“, Herbert Steger, noch der Aufsichtsrat wollten im Jänner dazu gegenüber Salto.bz Auskunft geben.
 
 
Aber auch die Erklärung von Waltraud Deeg - sie habe bis zum Anruf von Salto.bz nichts von dieser Beteiligung gewusst - dürfte auf tönernen Füssen stehen. Denn sämtliche Aktieninhaber müssen alljährlich zur Bilanzgenehmigung schriftlich eingeladen werden. Damit stellt sich die Frage, wohin die Einladungen und die amtlichen Schreiben für Waltraud Deeg in den vergangenen drei Jahrzehnten gegangen sind.
Die amtierende Landeshauptmannstellvertreterin einfach außen vor zu lassen und ihr die gesetzlich vorgesehenen Informationen nicht zuzuschicken, das dürften sich selbst die unerschrockenen „Tölderer“ nicht getrauen.
 

Falsche Angaben?

 
Gleichzeitig stellt sich aber eine andere Frage.
Landtagsabgeordnete müssen alljährlich ihre Vermögensverhältnisse offenlegen. Dazu gehört auch die Beteiligung an Gesellschaften und Unternehmen.
Seit ihrer Wahl in den Landtag 2013 hat Waltraud Deeg aber keinerlei Gesellschaftsbeteiligung angegeben. Die Beteiligung an der „Klausberg Seilbahn AG“ scheint nirgends auf.
Auch wenn es sich um eine Kleinstbeteiligung handelt, formal hat die SVP-Politikern damit acht Jahre lang falsche Angaben gemacht.
Ein Kavaliersdelikt?
Jein.
Wahrscheinlich hat Waltraud Deeg mit dieser Beteiligung an einem Skigebiet ebenso wenig zu tun wie mit dem Urlaub auf dem Bauernhof ihres Ehemannes.
Denn das angebliche Nichtwissen der Landesrätin für Wohnbau, Soziales, Familie und Senioren hatte auch andere Folgen.
Mehrmals hat sich die Landesregierung direkt oder indirekt mit der „Klausberg Seilbahn AG“ beschäftigt. Etwa bei der Verteilung von 90 Millionen Euro an Covid-19-Notstandshilfen an die Südtiroler Seilbahnen. Dabei hat Waltraud Deeg so mitgestimmt, als würde sie das Unternehmen nichts angehen. Als Aktionärin der „Klausberg Seilbahn AG“ hätte sich die Landesrätin aber bei der Beschlussfassung enthalten müssen. Oder zumindest ihre Beteiligung offenlegen müssen.
Dass Waltraud Deeg 30 Jahre lang ihre Beteiligung „vergisst“ und erst von einer Journalistin daran erinnert werden muss, dürfte weder für das Erinnerungsvermögen noch für die Glaubwürdigkeit der Landeshauptmannstellvertreterin sprechen.
Aber wahrscheinlich hat Waltraud Deeg mit dieser Beteiligung an einem Skigebiet ebenso wenig zu tun wie mit dem Urlaub auf dem Bauernhof ihres Ehemannes.