Economy | Zwangsversteigerung
Georgischer Prinz & schiefe Optik
Foto: Privat
Oskar Plörer ist zuvorkommend und hat auf jede Frage eine klare Antwort. „Einen Interessenskonflikt kann ich hier nicht erkennen“, sagt der renommierte Bozner Anwalt, „und anscheinend auch das Gericht nicht.“
Florian Steger sieht das grundlegend anders. „Ich wundere mich schon, dass der Kollege aus ein und derselben Kanzlei als Insider überhaupt an der Versteigerung teilnehmen darf“, sagt der Mann, dessen Hof zwangsversteigert wird.
Man kann den Argumenten, die beide Männer in den Gesprächen mit Salto.bz vorbringen, durchaus etwas abgewinnen. Obwohl beide Gesprächspartner völlig gegensätzliche Positionen einnehmen.
Sicher ist: Es geht hier um ein grundsätzliches Problem, das weit über diesen Fall hinaus einer Klärung bedarf. Gleichzeitig ist es aber auch eine kuriose Geschichte, die zumindest - mit einem schwäbischen Wort - ein Gschmäkle hat.
Die Vorgeschichte
Vor rund drei Jahren beschließt Florian Steger, mit seiner Familie nach Südtirol zu ziehen. Der Unternehmer aus München ist im Holzbau tätig. Steger und seine Ehefrau haben sich in den Ritten verliebt. Ende Oktober 2021 unterschrieben sie den Kaufvertrag für den Nockerhof, einen kleinen geschlossener Hof in Wangen. Der Kaufpreis: 2 Millionen Euro.
Weil im letzten Moment zwei deutsche Banken abspringen, finanziert die Familie den Kauf über einen Kredit der Raiffeisenkasse Überetsch. 1,25 Millionen Euro erhält der Verkäufer sofort. Die restlichen 755.000 Euro sollen die Käufer bis Ende November zahlen. Doch ein Betrugsfall lässt Florian Stegers Finanzplan zusammenbrechen.
Weil der Käufer nicht zahlt, lässt der Verkäufer zuerst ein gerichtliches Mahndekret ausstellen und später eine Immobilienpfändung einleiten. Florian Steger legt dagegen verspätet Widerspruch ein, und so kommt es letztendlich zur Zwangsversteigerung des Nocker Hofes. In das Verfahren lässt sich auch die Raika Überetsch ein.
Großzügiger Helfer
Der Hof wird gerichtlich auf einen Wert von 1,4 Millionen Euro geschätzt. Das ist dann auch der Ausrufpreis bei der Versteigerung, die am 8. März 2023 am Bozner Landesgericht stattfindet.
Der zuständige Exekutionsrichter ernennt - wie es üblich ist - für die Versteigerung einen Verkaufsbeauftragen. Im Fall des Nocker Hofes ist es Rechtsanwalt Oskar Plörer. Der Verkaufsbeauftragte übernimmt bei der Versteigerung alle Funktionen des Exekutionsrichters und der Gerichtskanzlei. So muss um Informationen oder Besichtigungstermine vorab in der Kanzlei Plörers angesucht werden.
Seit einiger Zeit werden solche gerichtlichen Immobiliarversteigerungen nur mehr online durchgeführt. Alle Angebote müssen digital über das Portal des Justizministeriums hinterlegt werden. Selbst der Verwahrer kann diese Angebote erst am Tag der Versteigerung einsehen.
Florian Steger hat Glück. „Uns hat ein unfassbar netter und großzügiger Mensch angeboten“; sagt der Hofbesitzer zu Salto.bz, „dass er für uns an der Versteigerung teilnehmen möchte, den Hof erwerben und uns im Anschluss aber auf dem Hof wohnen lassen will.“ Es handelt sich dabei um einen sehr bekannten Südtiroler Großunternehmer.
Versteigerung mit Hürden
Als dieser Unternehmer sein Angebot telematisch im Versteigerungsportal hinterlegen will, kommt es aber zu technischen Problemen. Jeder Bieter muss eine Kaution hinterlegen. Die Höhe dieser Kaution sind 10 Prozent des Mindestangebotes. Auch das Mindestangebot ist gesetzlich genau geregelt. Der Ausrufpreis minus 25 Prozent. Im Fall des Nocker Hofes liegt das Mindestangebot damit bei 1.050.000 Euro.
Der mit Florian Steger befreundete Unternehmer überweist die vorgesehene Kaution von 105.000 Euro über das Portal zeitgerecht. Gleichzeitig muss der Bieter aber auch ein Angebot hinterlegen, dessen Eingang vom Justizministerium bestätigt werden muss. Diese Bestätigungsmail muss dann dem Verwahrer zugesandt werden. Doch dabei gibt es Probleme, sodass diese Mail mit 4 Stunden Verspätung eintrifft.
Als Oskar Plörer am nächsten Tag die Versteigerung durchführt, wird zuerst die Zulässigkeit der Angebote überprüft. Es gibt nur zwei Angebote.
Als Oskar Plörer am nächsten Tag die Versteigerung durchführt, wird zuerst die Zulässigkeit der Angebote überprüft. Es gibt nur zwei Angebote.
Der Verkaufsbeauftragte Plörer entscheidet nach kurzer Beratung, das Angebot des mit Florian Steger befreundeten Unternehmers auszuschließen. Der Grund: Die verspätete Abgabe des Angebots.
Kurz danach wird der Nocker Hof um 1.050.000 Euro dem einzig verbleibenden Bieter zugeschlagen.
Der Zufall will es, dass der Bieter, dem Oskar Plörer an diesem Tag den Nocker Hof zum Mindestpreis zuschlägt, auf dieser Versteigerung von Felix Mascotti vertreten wird. Mascotti aber gehört zur Kanzlei „Volgger, Grüner, Plörer, Eller“, wo Oskar Plörer Partner ist.
Der gerichtliche Verkaufsbeauftragte und der Anwalt des Bieters - derjenige, der den geschlossenen Hof zum Mindestpreis zugeschlagen bekommt, sitzen in derselben Kanzlei.
Schiefer könnte die Optik wohl kaum sein.
„Es gibt keine Insiderinformationen, denn alles läuft transparent über das Portal des Justizministerium“, versucht Oskar Plörer, jeden Verdacht aus dem Weg zu räumen. Außerdem sei Felix Mascotti nur ein „freier Mitarbeiter“ und nicht Mitglied der Anwaltssozietät.
Tatsache ist aber auch, dass interessierte Bieter alle Informationen bei einer Mitarbeiterin in der Kanzlei Plörers abholen und Besichtigungstermine dort vereinbart werden müssen. Demnach dürfte Felix Mascotti auf jeden Fall zumindest einen Informationsvorsprung haben.
Kurioser Käufer
Ein Anwalt, der bei einer gerichtlichen Versteigerung einen Käufer vertritt, hat drei Tage Zeit, dem Gericht den eigentlichen Käufer zu nennen. Ansonsten muss der Anwalt selbst die Kaufsumme bezahlen. Felix Mascotti meldet fristgerecht die eigentlichen Käufer: David und Anna Bagrationi.
Was auf den ersten Blick wie ein Allerweltsnamen aussieht, führt bei genauerem Hinschauen in den europäischen Hofadel und die Klatschspalten diverser Society-Magazine.
Denn der Mann, der den Rittner Hof an diesem Tag ersteigert, heißt in Wirklichkeit Prinz David Bagrationi von Mukhrani und ist der amtierende Thronfolger des georgischen Königshauses.
Die Bagrationi-Dynastie regiertr in Georgien vom Mittelalter bis zum frühen 19. Jahrhundert. Noch vor der Oktoberrevolution flüchtete die gesamte Familie nach Spanien, auch weil die Bagrationis direkt mit dem spanischen Königshaus verwandt sind. David Bagrationi wird 1976 als zweiter Sohn des spanischen Rennfahrers Prinz George Bagrationi-Mukhraneli und dessen erster Frau María de las Mercedes Zornoza y Ponce de León (1942–2020) in Madrid geboren. David Bagrationi lässt sich 2003 dauerhaft in der georgischen Hauptstadt Tiflis nieder und erhält 2004 auch die georgische Staatsbürgerschaft. Er erhebt offen Anspruch auf den Thorn des georgischen Königshauses, und nach dem Tod seines Vaters 2008 erklärt er sich selbst zum Nachfolger als Oberhaupt der georgischen Königsfamilie. Während des russisch-georgischen Krieges um Südossetien im August 2008 begleitete David Bagrationi georgische Soldaten an die Front, um moralische Unterstützung zu leisten. Wenig später heiratete der Prinz 2009 Prinzessin Ana Bagration-Gruzinsky in der Sameba-Kathedrale von Tiflis.
Diese Ehe vereint die beiden Zweige der ehemaligen georgischen Königsfamilie mit konkurrierenden Ansprüchen auf den Thron von Georgien – die Gruzinsky und die Mukhrani – und wird deshalb von Anfang an als eine Art Zweckgemeinschaft beschrieben. Immer wieder füllen die angeblichen Ehestreitigkeiten die Spalten der internationalen Klatschpresse, und 2013 folgt die Scheidung. Inzwischen hat Prinz David erneut geheiratet. Eine Russin, mit der er derzeit in Deutschland lebt.
Und jetzt hat der georgische Prinz in einer Zwangsversteigerung am Landesgericht Bozen einen geschlossenen Hof in Wangen gekauft. So klein kann die Welt sein.
Der Neuanlauf
Der Prinz wird seinen neuen Besitz aber nicht so schnell beziehen können. Denn der Nocker Hof (oder Nockhof wie er in den offiziellen Unterlagen heißt) gehört ihm noch nicht.
Florian Steger aber auch die Vertreter seiner Gläubiger haben gegen den Zuschlag vom 8. März Rekurs eingelegt.
In der Verhandlung, die am 15. März vor Vollstreckungsrichter Massimiliano Segarizzi über die Bühne geht, argumentieren die Kläger, dass der Ausschluss des zweiten Bieters so nicht rechtens war. Der Richter gibt diesem Einwand schließlich Recht. Seine Argumentation: Durch einen formalen Fehler und den anschließenden Ausschluss des zweiten Bieters habe man ein echtes Versteigerungsverfahren verhindert. Da beide Angebote gleich hoch waren, hätte man mit einem Konkurrenzangebot auf jeden Fall mehr erzielt als beim Zuschlag an den unter dem Schätzwert liegenden Mindestpreis. Weil es im Interesse der Schuldner und auch des Gläubigers liegt, einen möglichst hohen Preis für den Hof zu erzielen, annulliert Segarizzi den Zuschlag an den georgischen Prinz. Diese Möglichkeit ist im Gesetz dem Richter absolut vorbehalten.
Diese Woche - am Mittwoch, den 14. Juni - wird die Versteigerung jetzt wiederholt. Gerichtlicher Verwahrer und Verkaufsbeauftragter ist erneut Oskar Plörer. Es wird zeigen, ob auch diesmal sein Kanzleikollege für den Käufer aus Georgien mitbieten wird.
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Interessante Geschichte ...
Interessante Geschichte ... von der wohl die wenigsten wohlhabenden SüdtirolerInnen wissen. Andernfalls würden diese wohl weit mehr als 1 Million für einen Hof hinblättern.
ODER ist es endlich an der Zeit solche Verkäufe prinzipiell zu überdenken oder gar zu verbieten? Im Sinne von; auf einem HOF sollte eigentlich ein LANDWIRT leben und arbeiten. Unter Voraussetzungen die ihm ein vernünftiges Leben garantieren.
In reply to Interessante Geschichte ... by Klemens Riegler
Das wäre höchste Zeit,man
Das wäre höchste Zeit,man sieht ja was in Südtirol abläuft! Herr Kompatscher,Frau Kuenzer und Co,ihr solltet euch schämen solche Situationen in Südtirol zuzulassen.Werdet damit negativ in die Südtiroler Geschichte eingehen inklusive Durnwalder. Wo ein Wille,da ein Weg bitte keine miesen Austeden!
In reply to Interessante Geschichte ... by Klemens Riegler
Darüber hätte schon
Darüber hätte schon Durnwalder und auch Kompatscher schon laaaange drüber nachdenken müssen! Kein Positivum für diese beiden Herren!!!
Die Politik verneigt sich vor
Die Politik verneigt sich vor dem Geld. Spenden? Nur in edelster Absicht.
Leistbares Wohnen einmal
Leistbares Wohnen einmal anders.