Politics | Autonomie

Knoll gegen Eurac

Das Salto-Gespräch mit dem Minderheitsforscher Andrea Carlà bringt Sven Knoll zur Weissglut. Der Politiker greift nicht nur den Forscher an, sondern auch die Eurac.
Sven Knoll
Foto: Hannes Prousch
Immer dann wenn es um Selbstbestimmung, Autonomie oder gemischte Schule geht, dann tritt sie auf. Die renommierte internationale mit Dutzenden Wissenschaftspreisen ausgezeichnete Forschungsstelle „Eva Klotz“, besser bekannt unter dem Namen „Süd Tiroler Freiheit“.
Das gemeinnützige Institut glaubt zu diesen Themen die Wahrheit gepachtet zu haben. Und jeder oder jede, die von diesem rechten Weg abweichen, werden mit dem öffentlichen Bannstrahl belegt.
Jüngstes Beispiel ist Andrea Carlà, Senior-Researcher am Institut für Minderheitenforchung der EURAC in Bozen. Carlá hatte sich erlaubt in einem Salto-Gespräch einen Vergleich zwischen Süd-Tirol und Katalonien zu ziehen. Dabei aber nicht die heroischen Unabhängigkeitsbestrebung beweihräuchert, sondern die Forderung nach gemischtsprachigen Schulen als Gemeinsamkeit herausgestrichen.
Den Kopf der Süd-Tiroler Freiheit Sven Knoll stößt dieses Leseart bitter auf: „Wenn politische Ignoranz weh täte, würde man dieser Tage laute Schreie aus der EURAC vernehmen“. Knoll greift in einer Presseaussendung den Eurac-Forscher frontal an: „Offenbar kennt Herr Carlà nicht einmal die einfachsten Grundlagen der Süd-Tirol-Autonomie.
Im Zentrum der volkstumspolitischen Philippika stehen zwei Sätze aus dem langen Interview. Zum einen „die irrwitzige Behauptung“ (Knoll): „Wir haben hier ein gemischtes System, einerseits eine Territorialautonomie, eine Autonomie für alle. Gleichzeitig werden die Sprachgruppen mit Elementen einer Konkordanzdemokratie fein säuberlich getrennt.
Sven Knoll doziert: „Offenbar kennt Herr Carlà nicht einmal die einfachsten Grundlagen der Süd-Tirol-Autonomie. Süd-Tirol hat nämlich keine Territorialautonomie, sondern eine rein ethnische Autonomie zum Schutze der österreichischen Minderheit in Italien. Im Pariser Vertrag heißt es wörtlich, dass die deutschsprachigen Bewohner Sonderrechte genießen, um die völkische Eigenart sowie kulturelle und wirtschaftliche Entwicklung der deutschen Sprachgruppe zu schützen.
Für den Landtagsabgeordneten blamiert Herr Carlà sich mit seiner Unwissenheit bis auf die Knochen und schadet damit dem Ruf der EURAC, der immerhin die Betreuung des Autonomie-Konvents anvertraut wurde.
„Sogenannte „Forscher“, die die eigenen grün-radikalen Anschauungen als wissenschaftliche Wahrheit verkaufen, sind wahrlich keine Aushängeschild für die Eurac.“
Ins Visier der Selbstbestimmungswächter ist auch ein zweiter Satz Carlàs geraten: „Irgendwann wird es definitiv vorbei sein mit den getrennten Sprachgruppen im Land. Wenn nicht jetzt, dann in 20 oder eben in 40 Jahren.“. Für Sven Knoll läßt diese Aussage erahnen, „dass es diesen Leuten in der EURAC nicht um den Schutz der Süd-Tiroler geht, sondern darum, Süd-Tirol endgültig zu italienisieren.
Sven Knolls Zorn dürfte in Wirklich eine anderen Hintergrund haben. Denn Andrea Carlà hat im Salto-Gespräch auf Nachfrage drauf hingewiesen, dass sich die „Süd Tiroler Freiheit“ bei ihrem Schwärmen für den „katalanischen Weg“ einige Rosinen herauspicke, andere Dinge aber bewusst verschweigen würde.
Jetzt schlägt Sven Knoll zurück und versucht auch gleich die „ungeliebte“ Eurac mit abzuwatschen: „Sogenannte „Forscher“, die nicht einmal die Grundlagen der Süd-Tirol-Autonomie kennen, sich aber als Weltenversteher aufspielen und die eigenen grün-radikalen Anschauungen als wissenschaftliche Wahrheit verkaufen, sind wahrlich keine Aushängeschild für die EURAC.
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Julian Nikolau… Mon, 09/11/2017 - 14:30

Ob sachlich oder nicht, sollte auf salto.bz ja keine Frage sein - hier mischen sich Fakt und Meinung doch ständig, das weiß man, daher ist dies für mich auch nicht weiters von Belang (ohnehin halte ich viel von einem engagierten, bewertenden Journalismus).
Diese Meta-Debatte sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass Franceschinis sanfte Kritik nicht unangebracht ist, wie ich finde. Wobei ich so weit ginge, mir überhaupt jede Katalonien-Euphorie in Südtirol zu verbitten: Auf antispanischen (hier dann: antiitalienischen) Nationalismus (wie "links" und "progressiv" er auch immer gefärbt sein mag) und das völlig kompromisslose Übergehen und Ignorieren von Gesetzgebung und Jusitz, ja der Verfassung eines demokratischen Staates, kann ich gerne verzichten.

Mon, 09/11/2017 - 14:30 Permalink
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Julian Nikolau… Mon, 09/11/2017 - 17:04

In reply to by pérvasion

Schauen Sie, ich weiß das die "Brennerbasisdemokratie" die katalanische Unabhängigkeitsbewegung unterstützt. Davor habe ich Respekt, das ist eine legitime Meinung. Mein Respekt vor der katalanischen Regionalregierung hält sich jedoch in Grenzen; von einer öffentlichen Autorität erwarte ich mir 1.) die Anerkennung bestehenden Rechts (das würde ich unter franquistischen Vorzeichen freilich nicht fordern, aber von einer Unterdrückung der katalanischen Kultur und Volksgruppe kann nunmehr echt nicht die Rede sein), 2.) die Bereitschaft, mit Madrid über einen weiteren Ausbau der Selbstverwaltung zu verhandeln, bzw. vor einer Abspaltung den nationalen Dialog mit den übrigen Gebieten und Einwohnern Spaniens zu suchen, um böses Blut, gegenseitige Anfeindungen und Entfremdung etc. zu verhindern. Die Sache der Katalanen sollte den übrigen Spaniern bewusst sein und auch von ihnen mehrheitlich getragen werden, um spätere politische Komplikationen zu vermeiden. Starrsinniges Agieren ist dem hingegen nicht zuträglich.

Mon, 09/11/2017 - 17:04 Permalink
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pérvasion Mon, 09/11/2017 - 16:16

In reply to by Alfonse Zanardi

@Alf
1. Ich trete für demokratische Entscheidungen (und ergebnisoffene Verhandlungen) ein, aber sicher nicht für den Vorrang starren, undemokratischen Rechts gegenüber demokratischer Willensbildung- und -äußerung.
2. Wessen Zwergstaat meinst du?

Mon, 09/11/2017 - 16:16 Permalink
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Alfonse Zanardi Mon, 09/11/2017 - 20:59

In reply to by pérvasion

Na den trotz aller Behauptungen ethnisch motivierten und revisionistischen Ministaat den ihr anstrebt.
Den Artikel oben finde ich auch etwas unsachlich BTW.

Mon, 09/11/2017 - 20:59 Permalink
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pérvasion Mon, 09/11/2017 - 23:43

In reply to by Alfonse Zanardi

Ethnisch motiviert: Ja, in dem Sinne, dass die ethnische Grundlage der Autonomie überwunden werden soll. Revisionistisch: Ja, insofern als wir für die demokratische Revision der militärisch erzwungenen Zugehörigkeit zu einem Nationalstaat sind. Bezüglich offenen Rechts- und Verfassungsbruch verweise ich auf Harald Knoflachs hervorragende Abhandlung.

Mon, 09/11/2017 - 23:43 Permalink
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Harald Knoflach Mon, 09/11/2017 - 19:16

In reply to by Julian Nikolau…

@julian
zustimmung. meinungsäußernde journalistische textsorten, wie sie vermehrt auch im feuilleton zu finden sind, sind die krone des journalismus und das, was ich bevorzugt lese. aber dieser franceschini-text ist einfach nur platt. von einem feinspitzigen entlarven des kameraden knoll, dessen presseaussendung ja ein fressen wäre, ist nichts zu spüren. und gekennzeichnet gehören meinungsäußernde textsorten in einem seriösen qualitätsmedium in jedem fall. alles andere ist boulevard.

Mon, 09/11/2017 - 19:16 Permalink
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19 amet Mon, 09/11/2017 - 15:37

Engagierten, bewertenden Journalismus finde ich notwendig, es sei denn man zieht die Mitteilungen aus dem Oberkommando der Wehrmacht vor.

Mon, 09/11/2017 - 15:37 Permalink
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pérvasion Mon, 09/11/2017 - 16:21

In reply to by 19 amet

»Die renommierte internationale mit Dutzenden Wissenschaftspreisen ausgezeichnete Forschungsstelle „Eva Klotz“, besser bekannt unter dem Namen „Süd Tiroler Freiheit“.
Das gemeinnützige Institut glaubt zu diesen Themen die Wahrheit gepachtet zu haben. Und jeder oder jede, die von diesem rechten Weg abweichen, werden mit dem öffentlichen Bannstrahl belegt.«

Das hier als »engagierten, bewertenden Journalismus« zu bezeichnen ist… mutig. Für mich ist das billige Pöbelei, die höchstens noch als Kommentar, aber sicher nicht als Information durchgehen kann. Auf solches Niveau begibt sich nicht einmal UT24. (BTW: Ich verteidige hier sicher nicht Sven Knoll, der in dieser Angelegenheit völlig daneben liegt.)

Mon, 09/11/2017 - 16:21 Permalink
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Hartmuth Staffler Mon, 09/11/2017 - 18:29

Selbst wenn man Pöbeleien als "engagierten, bewertenden Journalismus" durchgehen lässt, so muss man doch von jedem Journalisten, ob engagiert oder nicht, verlangen dürfen, dass er sich an reale Tatsachen hält und nicht einfach "Tatsachen" erfindet. Die Einhaltung von Grammatik- und Rechtschreibregeln, mit denen der Autor öfters seine Schwierigkeiten hat, wagt man ja gar nicht mehr einzufordern.

Mon, 09/11/2017 - 18:29 Permalink
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Christian Mair Mon, 09/11/2017 - 21:08

"La sindaca di Barcellona Ada Colau, vicina a Podemos, ha spiegato in una lettera a Puigdemont che - pur non allineandosi al governo di Madrid - non assumerà decisioni che possano mettere in pericolo le istituzioni locali e i suoi funzionari pubblici, per una consultazione dichiarata "illegale" dalla Corte costituzionale spagnola." (https://www.salto.bz/de/article/11092017/la-catalogna-scende-piazza)

Mon, 09/11/2017 - 21:08 Permalink