Culture | Theater

Sie ist a herrliches Weib!

A star is born –auf der Bühne des Kinos am Bahnhof in Kaltern. Doris Warasin bringt in „Lola Blau“ ein kleines Musical zum Glänzen und unterhält das Publikum köstlich.

Lola Blau ist eine Erfindung des österreichisch-jüdischen Komponisten und Anarchisten Georg Kreisler, der mit makabren schwarzhumorigen Chansons wie „Tauben vergiften im Park“ oder „Der Tod, das muss ein Wiener sein“ nach den 1950er Jahren bekannt wurde. Da war er bereits aus Amerika wieder nach Europa zurückgekehrt, wohin er 1938 emigriert war. Im Ein-Personen-Musical „Heute abend: Lola Blau“ – eine Mischung aus Monologen, fiktiven Dialogen, Chansons, Bild- und Tondokumenten - hat Kreisler sein eigenes Schicksal bzw. das vieler jüdischer Auswanderer exemplarisch beschrieben.

In Kaltern beginnt das Stück mit dem Schrillen des Telefons, eines schwarzen Ungetüms, das auf dem Podest des Klaviers steht, an dem Rossella Simonazzi den Theaterabend musikalisch führt und begleitet. Der jungen Dame, die ans Telefon geht, wird mitgeteilt, dass das mit dem Engagement am Linzer Landestheater leider nichts wird, da Hitler gerade in Österreich einmarschiert ist. Sie, die Jüdin Lola Blau versteht zwar nicht, was die große Weltpolitik mit ihrem ersten Schauspielauftritt zu tun hat, fügt sich aber dennoch; ohne ihren Freund Leo, der im Theaterstück wie alle anderen Figuren nur imaginär vorhanden ist, flüchet sie in die Schweiz, und von dort in die USA.

Bereits in den ersten Eingangspassagen zeigt sich, wie wohl sich Doris Warasin in ihrer Lola-Blau-Figur fühlt. „Im Theater ist was los“, singt sie mit Begeisterung in der glasklaren Stimme, um kurz danach hintergründig melancholisch von der Vergeblichkeit des menschlichen Daseins zu klagen:

Wenn man noch einmal erwachen könnte,
drüber lachen könnte und was machen könnte,
wie sie alle dich am liebsten hängen würden
und dich drängen würden: Geh und stirb!
Und wenn man dann schließlich sterben würde
und zerfallen würde und verderben würde,
wie dann jeder freudig sich verfärben würde
und behaupten würde: "Sie war liab!"

Doch erst nach diesen Szenen fährt die gebürtige Eppanerin Doris Warasin zur Hochform auf, in fliegendem Wechsel präsentiert sie dem Publikum die verschiedenen Stationen von Lola Blau, deren Karriere als Nachtklub-Sängerin und als viel umjubelter Star am Broadway in New York, den Absturz als Diva und die Heimkehr in ein gar nicht so verändertes Europa. Köstlich und komisch ihre Darstellung als verliebter Schmock, der sein „herrlich-göttliches Weib“ besingt und sich fragt, woher seine Vernarrtheit stammt, wenn die Angebetete weder lesen, noch denken, tanzen oder kochen kann…aber:

"Sie hat a rechte Portion und eine linke Portion 
Und die sind beide synchron in einer Luxus Facon 
Sie ist a Inspiration und eine Revolution 
Aber ach sie kann nicht denken!" 

Diese derb-anzüglichen Inhalte bringt Warasin mit viel Witz und gut getroffener Parodie, um kurz danach wieder als abgelebte und beschickerte Nachtclub-Ophelia zu überzeugen. Mit wenigen Griffen an den Garderobenständer zu Hüten, Boas oder einem Jackett ist Warasin einmal die kokette Musical-Göre, dann wieder alternde Diva oder das gekränkte verletzte Mädel. Die Bühnenausstattung ist sparsam und wenn Requisiten zum Einsatz kommen, dann mit sehr viel Gespür für Maß und Effekt. So wird mit projizierten Bildern der Überschlag von der Flüchtlingskatastrophe im zweiten Weltkrieg zu jener von heute gezeigt, und mit weißen Leintüchern Tod und Grab evoziert. Das hat Platz in diesem Musical, hier kommt nicht nur die Urheberschaft von Georg Kreisler zum Vorschein, sondern auch das Inszenierungsgeschick von Regisseur Christian Stadlhofer.

Doris Warasin hat ihre Musical-Ausbildung in Wien absolviert und seitdem in verschiedenen großen Bühnenstücken gespielt: West Side Story, Evita, Jekyll&Hyde… Mit der Schauspielerin Antonia Tinkhauser hat sie das Murx-Theater in Eppan gegründet, das Eigenproduktionen zeigt und Tanz- und Schauspielkurse anbietet. Musicals sind ihre Leidenschaft, und es gibt, sagt sie, viel mehr von diesen hintergründigen und doch unterhaltsamen Musikstücken wie Lola Blau es ist, als man meinen könnte.

Nach dem zweistündigen Theaterabend (mit Pause) und dem begeisterten Schlussapplaus ist man froh um diese kleine feine Theaterstätte im Überetsch, und um die beiden Theaterfrauen Doris Warasin und Antonia Tinkhauser, die sich trauen, ihre ganz eigene Vorstellung von Schauspiel, Gesang und Theaterkunst zu verwirklichen.