Culture | Bibliophile Fragen

„Ein Felsen mitten im Meer“

Der Verleger Giuliano Geri hat ein gemeinsames Fotos mit dem Literaturnobelpreisträger László Krasznahorkai. Und er hat die "immer gleichen Fragen" beantwortet.
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Foto: Privat
  • SALTO: Welches Buch hat Sie in Ihrer Kindheit nachhaltiger geprägt, als Sie damals je geglaubt hätten? 

    Giuliano Geri: Die beiden homerischen Epen, die Ilias und die Odyssee, die mir meine Tante als Kind aus einer Sonderausgabe für Kinder vorlas. Viele Jahre später hätte ich einen Teil meiner Diplomarbeit über die Figur des Odysseus geschrieben.

    Welcher letzte Satz eines Romans ist und bleibt für Sie ganz großes Kopfkino? 

    Es handelt sich nicht wirklich um einen Roman, sondern um ein poetisches Werk – besser gesagt: um ein Leitwerk. «E quindi uscimmo a riveder le stelle» («Und so gingen wir wieder hinaus, um die Sterne zu sehen»), der letzte Vers aus Dantes Göttlicher Komödie, ist ein Motto, das ich in jedem Moment meines Lebens versuche, zu meinem eigenen zu machen. Denn im Leben gibt es immer einen Ausweg – und zwar im Plural.

    ...dessen Namen ich aus offensichtlichen Gründen nicht nenne

  • Verdienter Zufallstreffer: Im Frühjahr 2010 traf Giuliano Geri in Budapest den ungarischen Schriftsteller László Krasznahorkai in einer Buchhandlung an der Andrássy út. Der Autor, in Schwarz gekleidet und von geheimnisvoller Aura, führt ihn danach ins traditionsreiche Café Gerbeaud, wo er andächtig Torte isst und leise über Literatur, Musik, die Familie und noch viel mehr spricht. 15 Jahre später ist László Krasznahorkai Literarturnobelpreisträger. Foto: Privat

    Reimen ist doof, Schleimen ist noch doofer… Auf welches – anscheinend gute – Buch konnten Sie sich nie wirklich einen Reim machen? 

    Die Möglichkeit einer Insel von Michel Houellebecq 

    Ein Fall für Commissario Vernatschio. Wie erklären Sie einem Außerirdischen die geheimnisvolle Banalität von Lokalkrimis? 

    Es ist die heutige "Banalität des Bösen" der Verlage, die Bücher zur reinen Unterhaltung und oft von schlechter Qualität herstellen. Auch wenn einige “Lokalkrimis“ ganz bemerkenswert sind (denke z.B. an Lenz Koppelstätter), stellen sie für einen/e Autor/in eine einfache Lösung dar: Gute Kenntnis der Gegend und eine vermutlich spannende Geschichte. Vor allem für diejenigen AutorInnen, die heute auf künstliche Intelligenz zurückgreifen. Oder nur für die künstliche Intelligenz.

    Gewichtig! Welchen Buch-Tipps schenken Sie noch uneingeschränkt Vertrauen? 

    Den Buchtipps, die mir zwei oder drei Freunde geben, nicht mehr. Und ein Buchhändler, dem ich blind vertraue (und dessen Namen ich aus offensichtlichen Gründen nicht nenne).

  • Das Büchermessen zu Frankfurt: Die Frankfurter Buchmesse findet kommende Woche statt, vom 15. bis 19. Oktober. Hier ein Foto vom vergangenen Jahr. Giuliano Geri gemeinsam mit der Autorin Tanja Raich und ihrem Roman Jesolo vor dem Stand "Edizioni Alphabeta Verlag" Foto: Privat

    Was für ein Fehlschlag! Welches Buch würden Sie auf einer einsamen Insel zurücklassen? 

    Das hängt davon ab, wie groß diese einsame Insel ist. Wenn Sizilien, zum Beispiel, plötzlich verwüstet wäre, würde ich sie mit Büchern füllen, vor allem mit vielen Romanen, die ich in den letzten Jahren gelesen habe – wie viel Zeit ich verschwendet habe! Aber wenn die einsame Insel ein Felsen mitten im Meer wäre, würde ich Porci con le ali (Rocco und Antonia. Schweine mit Flügeln) von Lidia Ravera dort lassen, ein Buch, das mich damals – vor vielen Jahren – einfach angewidert hat. Heute müsste ich es wohl noch einmal lesen, vielleicht auf einer einsamen Insel...

    Das Rauschen des Blätterns. Welches Buch würden Sie auf keinen Fall am E-Book-Reader lesen? 

    Ich habe keinen E-Book-Reader und lese keine Bücher, die nicht auf Papier gedruckt sind.

    Welches Buch zu Südtirol oder eines/einer Autors/Autorin aus Südtirol würden Sie unbedingt weiterempfehlen?

    Als Lektor eines Südtiroler Verlags befinde ich mich in einem offensichtlichen Interessenkonflikt… Ich könnte die meisten Bücher erwähnen, die bei Alphabeta erschienen sind, aber aus Fairness beschränke ich mich auf Eva dorme (Eva schläft) von Francesca Melandri. Ein gelungener Versuch, den meisten Italienern, die Südtirol nur als Urlaubsziel kennen, die Geschichte dieses Landes näherzubringen. Erlauben Sie mir jedoch, auch den Roman Una casa sull'argine von Gianni Bianco zu erwähnen, ein einfach außergewöhnliches Buch aus den sechziger Jahren.