Landtagsknigge
Es sind hehre Ziele, die Landtagspräsident Thomas Widmann mit der am Mittwoch verabschiedeten Verordnung für den Zugang und das Verhalten im Gebäude des Südtiroler Landtags verfolgt: Das Ansehen der Landtagsabgeordneten zu stärken, das Vertrauen in die Institutionen und die parlamentarische Demokratie überhaupt stärken, heißt es da im Eingangstext zu der neun Artikel umfassenden Bestimmung.
Tatsächlich dazu beitragen könnten vor allem die Bestimmungen zur Anwesenheitspflicht der Abgeordneten. Dem legeren Umgang mit Terminen in- und außerhalb des Landtagsgebäudes während der Sitzung wird nun ein strengerer Riegel vorgeschoben: Selbst bei kurzem Verlassen des Saals müssen die Chipkarten der Landtagsabgeordneten fortan aus dem Gerät gezogen werden. Auch für die Landesregierung besteht die Pflicht zur vollständigen Anwesenheit. Sofern nicht mehr als die Hälfte ihrer nicht entschuldigten Mitglieder anwesend sind, werden die Sitzungen künftig unterbrochen. Und: Wenn Tagesordnungspunkte unterbrochen werden, weil die zuständigen Landesrätinnen oder Landesräte nicht anwesend sind, drohen diesen gar Geldsanktionen in Höhe von 100 Euro.
Und wenn das Handy klingelt?
Etwas billiger kommt man mit einer Strafe von 50 Euro, wenn das Telefon von Abgeordneten während der Sitzung hörbar klingelt oder das generelle Telefonverbot trotz Ermahnung gebrochen wird. Gespräche zwischen den Abgeordneten sind wenn unbedingt nötig im Flüsterton zu führen. Auch Medien und Zeitungen dürfen nur „strikt in Zusammenhang mit der Ausübung des Amtes“ und möglichst in digitaler Form konsumiert werden.
Obwohl die Verordnung mit einer breiten Mehrheit von 27 Ja-Stimmen und je vier Nein-Stimmen und Enthaltungen genehmigt wurde, mangelte es auch bei der Diskussion am Vormittag nicht an Kritik. Vor allem die Grünen bleiben bei ihrem Standpunkt, dass die meisten Punkte der Regelung einem „Akt der Scheinheiligkeit“ gleichkommen. Warum darf man zum Beispiel Zeitungen nicht in Papierform lesen, aber digital schon, fragte Brigitte Foppa. Einen „antiliberalen Geist“ erkennt dahinter Hans Heiss. Bestehende Regeln würden nun zum Teil gar aufgeweicht, etwa beim Telefonieren oder bei Absenzen aus familiären Gründen, sagte Riccardo dello Sbarba. Einzig die Präsenzpflicht für die Landesregierung sei strenger formuliert, aber mit der Interpretation Stegers und Widmanns auch wieder nicht, da nur die anwesenden Landesräte berechnet würden.
Abschottung nach außen?
Auf unterschiedliche Reaktionen traf die Bestimmung, dass Besuche im Landtag nur mehr in Begleitung eines Abgeordneten oder nach Vorlage eines Dokuments möglich sind. Was Alessandro Urzì oder Brigitte Foppa als überflüssige Abschottung des Landtags sehen, stößt bei Freiheitlichen oder Südtiroler Freiheit auf volle Zustimmung. „In anderen Parlamenten ist dies längst Standard“, argumentierte Sven Knoll, der auch die Bennimm-dich-Regeln für die Sitzungen selbst verteidigte. „Anderen zuhören gehört auch zur Demokratie.“
Erneut zur Diskussion standen auch Bekleidungsvorschriften, die letztendlich ohnehin nicht Gegenstand der Verordnung sind. „Er wäre sogar für eine Krawattenpflicht gewesen“, warf der Freiheitliche Sigmar Stocker ein. Bei jedem Maturaball seien die Leute vornehmer gekleidet als im Landtag. „Auch die Amtsdiener müssten Krawatte tragen, warum die Abgeordneten nicht?“
Äußerungen über die Paul Köllensperger nur den Kopf schütteln kann. „Wenn man den Landtag aufwerten will, soll man nicht über eine Krawattenpflicht diskutierten, sondern dem legislativen Organ die Zeit geben, sich wirklich in die wichtigen Gesetzesentwürfe einarbeiten zu können“, fordert der 5-Stelle-Agbeordnete. Dass dies immer häufiger nicht möglich sei, habe sich auch am Mittwoch wieder bewiesen. Da erhielten die Abgeordneten erst die Unterlagen für die Haushaltsdiskussion, die am Montag um 7.30 Uhr morgens losgeht. Aber dann wenigstens gesittet.